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Leerer Saal in einem Zürcher Kino: Aus Angst, sich mit Corona anzustecken, und wegen der fehlenden Blockbuster meiden viele Leute einen Kinobesuch. Symbolbild: PD

Corona gefährdet die Zürcher Kinos gleich doppelt

Von: Sacha Beuth

07. Juli 2020

Die Zürcher Lichtspielhäuser müssen nicht nur wegen der Massnahmen zur Eindämmung von Corona hohe finanzielle Verluste hinnehmen. Die Pandemie ist auch verantwortlich dafür, dass viele Filme nicht wie geplant anlaufen konnten. Nun drohen Kinoschliessungen.

Zwar dürfen seit dem 6. Juni die Stadtzürcher Kinos ihre Tore wieder fürs Publikum öffnen. Der grosse Run auf die Säle der Lichtspielhäuser ist dennoch ausgeblieben. Das hat einerseits natürlich mit der Jahreszeit zu tun. Im Sommer, besonders an heissen und schönen Tagen, zog es die Leute schon vor Corona eher in die Badi oder an ein Open Air als ins Kino. Andererseits haben laut dem Branchenverband Pro Cinema, der sich auf eine entsprechende Umfrage stützt, 75 Prozent der Befragten «grosse Bedenken», wieder ins Kino zu gehen. Zu gross scheint ihnen die Gefahr, sich dort mit Corona anzustecken. Und dies, obwohl die Kinobetreiber besondere Schutzkonzepte – vom Einwegbesucherstrom über freie Sitzplätze zur Abstandswahrung bis zu Plexiglasscheiben an Verkaufspunkten – entwickelt hatten und dafür keine Kosten scheuten.

Es gibt aber noch einen dritten Grund für die Kinobaisse, der ebenfalls mit Corona zu tun hat. Wegen der weltweiten Krise konnten viele Filme nicht wie geplant starten, konnten nicht wie geplant zu Ende gedreht werden oder der Release wurde von den Verleihern auf den lukrativeren Herbst oder gar das nächste Jahr verschoben. Das geht schon bei Independent-Filmen ins Geld, wird aber für die Kinobetreiber noch schlimmer, wenn es sich dabei um besucherstarke Blockbuster wie etwa Disneys Realverfilmung Mulan oder Christopher Nolans Science-Fiction-Thriller Tenet handelt. «Vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2020 haben die Kinos der Schweiz im Vergleich zur gleichen Periode im Vorjahr 52 Millionen Franken weniger eingenommen und 3,3 Millionen Besucher weniger verzeichnet. Das entspricht einem Rückgang von 70 bis 80 Prozent», sagt René Gerber, Generalsekretär von Pro Cinema. Davon würden nicht ganz 20 Prozent auf die Kinos der Stadt Zürich fallen. Dies wäre ein Minus von rund 10 Millionen Franken beziehungsweise 650 000 Besuchern.

Reprisen keine Alternative

Ist der Verlust schon für die grossen Player schlimm, so kann er für die kleineren Kinos wie etwa Houdini und Riffraff existenzbedrohend werden. Entsprechend besorgt ist deren Geschäftsführer Frank Braun. «Zum Glück konnten wir Kurzarbeit für unsere Mitarbeiter beantragen. So war es möglich, die Folgen abzufedern.» Das Besucheraufkommen in seinen Sälen sei seit der Betriebsaufnahme an sich erfreulich, liege aber weit unter den üblichen Frequenzen. Auch ergänzende Einnahmequellen wie Live-Übertragungen, Vermietungen oder Schulvorstellungen seien fast gänzlich eingebrochen. «Um diesen Sommer über die Runden zu kommen, fahren wir die Anzahl Vorstellungen zurück und kämpfen gleichzeitig um jeden Zuschauer.» Und der Blick in die Zukunft ist bezüglich neuer Filme auch nicht unbedingt rosig. «Bislang gab es gerade im Arthouse-Bereich noch einen Überhang. Doch der wird bis Ende Sommerferien abgebaut sein. Und dann stehen wir mit abgesägten Hosen da. Denn mit Reprisen lockt man heute kaum noch jemanden ins Kino», so Braun.

Die Umstände dürften schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Während René Gerber von Pro Cinema nicht ausschliessen will, dass das eine oder andere Kino deswegen in finanzielle Schwierigkeiten gerät, ist Braun wesentlich pessimistischer: «Wenn der Aufschwung auf sich warten lässt und unterstützende Massnahmen ausbleiben, wird Corona zu einer massiven Strukturbereinigung in der Kinobranche führen. Es droht ein Erdrutsch an Schliessungen. Wie auch immer: Wir sind fest entschlossen, weiter Kino zu machen».

Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

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