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Journalisten befragen am Montag am Paradeplatz CS-Kunden, die ihr Geld auf eine andere Bank transferiert hatten. Bild: SB

«Das ist Managementversagen»

Von: Sacha Beuth

21. März 2023

BANKENBEBEN Was vor ein paar Monaten noch unmöglich schien, ist nun Realität: Die Credit Suisse ist wegen finanzieller Schieflage und massivem Vertrauensverlust von der UBS übernommen worden. In Zürich blicken Kunden, Angestellte und auch die Politik mit Sorge in die Zukunft.

Am Montagmorgen herrschte beim Hauptsitz der Credit Suisse am Paradeplatz mehr oder weniger das übliche Kommen und Gehen. Auch an den Schaltern warteten nur wenig mehr Personen, als es sonst zu dieser Tageszeit üblich ist. Der befürchtete Massenansturm wegen der finanziellen Schieflage und der Übernahme durch die UBS blieb aus. Nichtsdestotrotz hatte sich das gute Dutzend Kamerateams und Medienvertreter nicht umsonst vor dem Gebäude platziert. Denn wer aus der Bank und vor ein Mikrophon trat, hatte zumeist genau das getan, was erwartet worden war: sein Kapital vom traditionsreichen Geldinstitut abgezogen. «Es hiess ja immer, die Credit Suisse sei ‹too big to fail›, doch ich traue der Sache nicht mehr. Ich habe darum mein Sparkapital auf eine andere Bank transferieren lassen», sagte eine rund 45-jährige Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, stellvertretend für viele andere, die an diesem Tag die gleichen Massnahmen ergriffen hatten.

Fonds nicht betroffen

Inwieweit diese tatsächlich nötig waren beziehungsweise sind, ist schwer zu beurteilen. Einerseits ist die CS nicht Konkurs gegangen, sondern wurde am Sonntag für etwa drei Milliarden Franken von der UBS übernommen. Das heisst, die Credit Suisse bleibt Vertragspartner ihrer Kunden und die Geschäfte zwischen Bank und Kunde werden – zumindest vorerst – zu gleichen Konditionen weitergeführt. Auf Fonds und andere Wertschriften, welche von einer Bank lediglich verwaltet werden, hat die Übernahme keinen Einfluss, da sie sind ohnehin dem Kunden gehören. Zusätzlich stützen Bund und die Schweizerische Nationalbank SNB die Übernahme durch die UBS, indem sie Liquiditätshilfen von maximal 200 Milliarden Franken bereitstellen. Dazu übernimmt der Bund Verluste von maximal 9 Milliarden Franken. Damit soll ein Damm geschaffen werden, um das Vertrauen in die Credit Suisse beziehungsweise dessen Nachfolgekonstrukt zurückzuerlangen.

Andererseits gehen mit den Liquiditätshilfen auch einige Pflichten einher, die im schlimmsten Fall auch Auswirkungen auf die Kunden haben können. So verlangt die SNB bestimmte Sicherheiten als Pfand. Das kann etwa ein Teil des Hypothekarportfolios der Bank sein. Auch sind 100 Milliarden der Stütze mit einem Konkursprivileg gesichert. Sollte die Bank doch in Konkurs gehen, wird das Darlehen der Nationalbank der zweiten Konkursklasse zugewiesen. Das bedeutet, aus der Konkursmasse werden zuerst die Lohn- und Pensionskassenforderungen der Mitarbeitenden (erste Konkursklasse) befriedigt. Wenn dann noch Geld vorhanden ist, werden die SNB, die Kontenguthaben bis 100000 Franken und die Sozialversicherungen ausbezahlt, erst dann alle anderen Forderungen der dritten Konkursklasse (zum Beispiel Kontoguthaben über 100 000 Franken).

Der entscheidende Faktor zur Verhinderung des Konkurses ist laut Finanzexperten, den Kapitalabfluss möglichst schnell zu stoppen und das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Vertrauen, das von Gründer Alfred Escher ab 1856 aufgebaut (siehe Artikel rechts, die Red.) und in den vergangenen 15 Jahren durch eine Serie an Skandalen, Fehlinvestitionen und anderer Peinlichkeiten schwer erschüttert wurde. Die Palette reicht dabei von der Wäsche und Betreuung von Mafiageldern über Sanktionsbrüche bis zu illegalen Abhöraktionen von Mitarbeitenden, die der ehemalige CS-CEO Tidjane Thiam veranlasst hatte. Und immer wieder in den 15 Jahren – während der die Bank rund 90 Prozent ihres Börsenwerts verlor und im Ranking der grössten Banken der Welt von den Top 25 auf Platz 45 abrutschte – wurde der Aufschwung angekündigt. Doch er kam nie, auch nicht unter dem aktuellen Firmenchef Ulrich Körner beziehungsweise Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann.

Steuerausfälle verkraftbar

Die Übernahme hat natürlich nicht nur Auswirkungen auf die Kunden, sondern ebenfalls auf Stadt und Kanton. In einer eigens einberufenen Medienkonferenz am Montag im Walcheturm machte Stadtpräsidentin Corine Mauch klar, welch herben Verlust das Ereignis für die Stadt Zürich bedeute: «Die CS hat in ihrer Geschichte Zürich geprägt wie kein anderes Unternehmen in der Stadt Zürich. Sie war eine Impulsgeberin für die Wirtschaft, eine grosse Arbeitgeberin, Auftraggeberin und Steuerzahlerin sowie eine wichtige Kulturmäzenin.» Wie hoch die Steuerausfälle deswegen sein werden, wollten weder Regierungspräsident und Finanzdirektor Ernst Stocker noch Daniel Leupi, Vorsteher des Finanzdepartements der Stadt Zürich, angeben. «Das dürfen wir vom Steuergeheimnis her auch nicht. Abgesehen davon muss das Ganze erst sorgfältig analysiert werden. Klar ist einzig, dass der Verlust schmerzen wird, aber verkraftbar sein wird», so Stocker, worauf Leupi anfügte, dass dies ebenso für die Stadt gelte.

Mehr Sorgen bereitet den Regierungsvertretern, welche Auswirkungen die Übernahme auf die Bankangestellten, insbesondere die der CS, hat. «Die Credit Suisse beschäftigt in der Schweiz etwa 18 000 Personen, davon 12 500 allein in der Stadt Zürich. Da nach einer Übernahme gewisse Funktionen doppelt vorhanden sind, ist klar, dass es zu einem Stellenabbau kommen wird», betonte Leupi. Ein Umstand, der bei den Mitarbeitenden für Verunsicherung sorgt, wie aus den Online-Kommentaren vieler Medien zu entnehmen ist. «Wie viele Personen ihre Stelle verlieren werden, ist jetzt noch nicht vorhersehbar», sagte Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh. «Aber unsere RAVs sind gerüstet und man darf nicht vergessen, dass in der Schweiz immer noch Fachkräftemangel herrscht.» Trotzdem konnte die FDP-Politikerin ihren Ärger nicht verhehlen, dass nun andere die Suppe auslöffeln müssen als die, die sie eingebrockt haben. «Was hier ablief, ist Managementversagen. Umso weniger kann ich es nachvollziehen, wenn Boni ausbezahlt werden, obwohl kein Gewinn erzielt wurde.» In der Tat war bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht klar, ob die Manager der CS eine Sondervergütung erhalten oder nicht.

Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

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