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«Wenn Du keine Fragen mehr hast, kannst Du hier unterschreiben.» Duzen ist zwar bei den meisten Unternehmen in Zürich im Umgang mit Kunden noch kein Usus, aber auf dem Vormarsch – nicht immer zur Freude der Kunden. Bild: iStock

Der Eiertanz mit dem «Du»

Von: Sacha Beuth

22. September 2020

Kürzlich wurde in einigen Medien vermeldet, dass die Credit Suisse ihre Kunden künftig duzen würde. Das Dementi folgte auf dem Fuss. Trotzdem lotet die CS wie andere Grossfirmen in Zürich vorsichtig aus, wo und inwieweit man gegenüber dem Kunden die Du-Form anwenden kann.

«Ho-oi!», «Wotsch no en Kafi?», «Bruuchsch no Bsteck?» – So und ähnlich klingt es an der Kasse der Coop-to-go-Filiale am Stauffacher, wenn «Tagblatt»-Leser Michael B.* sich jeweils morgens oder mittags mit Snacks eindeckt. Zwar ist der Tonfall dabei immer freundlich, trotzdem ärgert sich der 49-Jährige: «Wieso haben die Verkäuferinnen das Gefühl, mich ungefragt duzen zu dürfen? Ich jedenfalls finde dies respektlos.»

Mit dieser Meinung ist Michael B. bei weitem kein Einzelfall. Duzen scheidet in Zürich die Geister, wie auch die Reaktionen zur Nachricht zeigen, dass die Credit Suisse laut einigen Medien künftig beim Umgang mit ihren Kunden vom «Sie» auf das «Du» wechseln wolle. Von begeisterter Zustimmung bis zur Drohung, bei Duzen die Bank zu wechseln, konnte man in den Kommentarspalten der Zeitungen alles finden.

Die Credit Suisse hat inzwischen besagte Meldung, die von der «SonntagsZeitung» ausging, dementiert und stellt auf Nachfrage des «Tagblatt» klar: «In allen Filialen werden die Kunden ohne Ausnahme gesiezt. Einzig in der neuen Filiale Europaallee stellt sich der Kundenberater mit Vornamen vor, aber siezt den Kunden ebenfalls. Nur wenn ein Kunde ausdrücklich das ‹Du› anbietet, erfolgt das Gespräch in der ‹Du›-Form.»

Unabhängig davon zeigt eine kleine Umfrage bei anderen Firmen in Zürich und bei den Stadtbehörden, dass Duzen nicht nur unter den jeweiligen Mitarbeitenden, sondern auch zwischen Angestellten und Vorgesetzten – teilweise bis in die höchste Chefetage – üblich ist. Dies praktizieren etwa die Versicherungsgesellschaft Zurich, die Raiffeisen Schweiz und die Fluggesellschaft Swiss. «Bei Zurich Schweiz duzen sich die Mitarbeitenden über alle Hierarchiestufen hinweg seit dem Frühjahr 2018», schreibt die Zurich. Die Swiss führt an, dass die Einführung der Du-Kultur bei ihr dazu geführt habe, «dass wir noch unkomplizierter und ohne hierarchische Barrieren kommunizieren». Ähnlich klingt es von Seiten der Stadt. «Unter den Mitarbeitenden ist das Duzen als gewachsene Betriebskultur weit verbreitet. In mindestens zwei Dienstabteilungen gilt die Du-Kultur unter den Mitarbeitenden», erklärt Christina Stücheli, Informationsbeauftragte des Stadtrats.

Ist der Umgang mit «Du» oder «Sie» innerhalb des Betriebs meist definiert, so verkommt er gegenüber der Kundschaft oft zu einem Eiertanz, der eine logische Linie gelegentlich vermissen lässt. Am konsequentesten sind Swiss und Migros: Beide haben nicht vor, in ihren Kundenbeziehungen das «Du» einzuführen. Bei Raiffeisen Schweiz werden die Kunden «aus Gründen der Höflichkeit und der professionellen Distanz» generell gesiezt. Ein Wechsel zum «Du» könne – vorbehältlich des Einverständnisses des Kunden – vorkommen. Auch die Zurich Schweiz siezt die Kunden grundsätzlich, es sei denn, ein Kunde wünscht ausdrücklich, geduzt zu werden. Bei der Stadt gibt es laut Stücheli keine allgemeine Policy zur Kundenansprache. Man gehe aber davon aus, dass in Kundenbeziehungen mit Erwachsenen das «Sie» die weitverbreitete Praxis sei. Coop dagegen versucht sich mit beiden Anrede-Kulturen. In den Coop-­Verkaufsstellen werden die Kunden laut Mediensprecher Patrick Häfliger generell gesiezt. «Bei unseren Coop to go sowie Karma-Shops handelt es sich um junge und frische Konzepte. Wir haben uns deshalb schon bei der Lancierung dafür entschieden, unsere Kunden zu duzen.» Hätten die Mitarbeitenden den Eindruck, dass ein Kunde lieber gesiezt werden möchte, würde dies berücksichtigt.

Beiderseitige Absprache

Christiane Hohenstein, Professorin für Interkulturalität und Sprachdiversität an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW, beobachtet das Herantasten an das «Du» im Umgang mit Kunden mit einer gewissen Skepsis: «Wird eine fremde Person einfach geduzt, wird eine Vertrauensbasis simuliert, die gar nicht existiert. Und lässt man ihr dabei nicht einmal die Wahl, drängt man ihr das Duzen auf.» Das sei – und damit stützt sie das Empfinden von Leser Michael B. – nicht nur unhöflich, sondern geradezu respektlos. «Auch wenn es etwa in anderen Kulturen üblich ist, dass man sich bei einer Unterhaltung anfasst, würden dies bei uns wohl nur die wenigsten goutieren. Genauso ist es mit dem Duzen. Dafür braucht es in der Schweiz in der Regel eine beiderseitige Absprache.»

*Name der Redaktion bekannt.

Was ist Ihre Meinung zum Thema: echo@tagblattzuerich.ch

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