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Wurde vom Stadtrat als rassistisch eingestuft und soll darum entfernt werden: Inschrift «Zum Mohrenkopf» am Neumarkt 13. Bild: Archäologie 2020

Der «Mohr» hat ausgedient

Von: Sacha Beuth

13. April 2021

Der Stadtrat will ein Zeichen gegen Rassismus und Kolonialismus im öffentlichen Raum setzen. Aus diesem Grund lässt er dahingehende Inschriften und Wandbilder entfernen oder kontextieren. Den Anfang machen drei Gebäude im Niederdorf, auf denen die Bezeichnung «Mohr» zu sehen ist.

«Zum Mohrenkopf», «Zum Mohrenkönig», «Zum kleinen Mohren» – an vielen Stellen der Stadt, insbesondere in der Altstadt, finden sich Zeichen mit Bezug zu Rassismus und Kolonialismus. Dies will der Stadtrat ändern und hat darum letzte Woche angekündigt, derlei Hausnamen-Inschriften und Wandbilder entfernen oder zumindest in den historischen Kontext setzen zu lassen. Beginnen will der Stadtrat damit bei drei Adressen im Niederdorf. Dort sollen die Inschriften an der Liegenschaft Niederdorfstrasse 29 und an der Liegenschaft Neumarkt 13 entfernt sowie die Bezeichnung auf einer an der Predigergasse 15 angebrachten Plakette angepasst werden.

Der Stadtrat folgt damit den Empfehlungen einer interdisziplinären Projektgruppe aus verschiedenen Dienstabteilungen (u. a. Denkmalpflege und Stadtarchiv), die er im Sommer 2020 selbst ins Leben gerufen hatte und die eine Auslegeordnung zum Thema entwickeln sollten. Anlass für die Massnahme waren zahlreiche Schreiben von Anti-Rassismus-Aktivisten und aus der Bevölkerung, die forderten, drei Inschriften und ein Wandbild mit Bezug zu Anti-Schwarzen-Rassismus und Kolonialismus im Niederdorf zu entfernen. Der Forderung kommt der Stadtrat nun zum grössten Teil nach.

Die Projektgruppe begründet ihre Empfehlung unter anderem damit, dass diskriminierende Sprache und Bilder in einem Zusammenhang mit diskriminierendem Verhalten stehen. Beschwerden gegen diskriminierende Werbung, Sprache oder Bilder seien Teil des Erkennens von Diskriminierung. Und Hinweise aus der Bevölkerung würden helfen, Wirkungen von Diskriminierungen zu erfassen und zu beseitigen. Andererseits bemerkt die Projektgruppe, dass sich die Inschriften der betroffenen Gebäude «zwar als Zeitzeugen der Stadtgeschichte oder der Vergangenheit lesen» liessen. Aber der Stadtraum sei weder Ausstellung, Museum noch Archiv und Kontextualisierungen, wie etwa in einem Museum, nur beschränkt möglich.

Laut einer am letzten Donnerstag publizierten Medienmitteilung will der Stadtrat fortan den Umgang mit rassistischen oder anderen problematischen Zeitzeichen im öffentlichen Raum im Einzelfall sorgfältig prüfen lassen. Zeige die Prüfung bei einem Objekt, dass die rassistische oder diskriminierende Wirkung auch durch eine allfällige Kontextualisierung nicht verhindert werden kann, sollen die entsprechenden Zeitzeichen entfernt werden – wo dies in städtischer Zuständigkeit liegt. Bei Objekten und Liegenschaften in privatem Besitz habe die Stadt jedoch keine direkten Eingriffsmöglichkeiten. «Es gibt keine Rechtsgrundlagen, um private Hauseigentümerschaften zu einem Handeln zu verpflichten. Die Stadt will aber aktiv auf sie zugehen, um sie zu sensibilisieren und einzuladen, im Sinne des öffentlichen Interesses mit dem städtischen Vorgehen gleichzuziehen. Die damit verbundenen Prozesse können durch die Stadt begleitet und unterstützt werden», heisst es in dem Schreiben.

Aufarbeiten statt entfernen

Zugleich ist sich die Stadt bewusst, dass auch sie selbst nicht in letzter Konsequenz alle als rassistisch oder kolonialistisch taxierten Zeichen verschwinden lassen kann beziehungsweise will. «Es gibt Objekte, die beispielsweise aufgrund ihrer Grösse, ihres historischen Kontexts oder anderer Interessen nicht entfernt werden können oder sollen oder deren Problematik sich erst vor dem Hintergrund historischen Wissens eröffnet. Solche Objekte erfordern eine Aufarbeitung – also beispielsweise eine sichtbare Kontextualisierung, Umgestaltung oder eine künstlerische Erweiterung.», so der Stadtrat. Als Beispiel werden die Darstellungen in der denkmalgeschützten Aula des städtischen Schulhauses Hir- schengraben aufgeführt. Diese repräsentieren die im 19. Jahrhundert weit verbreitete exotisierende Zurschaustellung «fremder Völker». Der Stadtrat will nun Massnahmen prüfen, damit die Darstellungen nicht als unhinterfragte Normalität stehen bleiben (siehe auch Klartext-Kolumne zum Thema auf Seite 72).

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

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Leserkommentare

Friedhelm Zollinger - Hat das wirklich die Leute gestört? Dies zerstört historisches. Hat der Stadtrat nichts besseres zu tun? Sehr bedenklich!

Vor 2 Jahren 11 Monaten  · 
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