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Koni Frei vor der Kanzleiturnhalle. Vor 28 Jahren versprach er, dass dort Ruhe einkehrt – er behielt recht. (Bild: SAG)

Der «rote Bindella» übergibt das Kanzlei-Zepter

Von: Christian Saggese

02. Februar 2022

Als der Stadtrat vor 28 Jahren dem Alt-68er Koni Frei die Leitung der Kanzleiturnhalle anvertraute, protestierten nicht nur bürgerliche Politiker. Doch seine Vision wurde zum Erfolg. Nun kommt es zum Generationenwechsel. SAG

Was sich vor rund 30 Jahren vor dem Parlament abspielte, war für so manchen Zürcher ein völlig absurder Moment: Der damalige FDP-Stadtrat Hans Wehrli nahm Koni Frei in Schutz! Und einige fragten sich kopfschüttelnd: «Wie kann ausgerechnet ein Freisinniger einen solch überzeugten Aktivisten der 68er-Bewegung supporten, der dazu noch bekennender Hausbesetzer und AKW-Gegner ist?»

Diskutiert wurde an jenem Tag über die Zukunft der Kanzleiturnhalle beim Helvetiaplatz. Anfang der 90er zahlte die Stadt Zürich Unsummen, um das Gebäude rund um die Uhr von Securitas bewachen zu lassen. Grund: Die Halle wurde immer wieder besetzt oder von Aktivisten für Protestaktionen genutzt. Koni Frei, damals 46 Jahre alt und in der linksradikalen Szene bestens vernetzt, bot der Stadt an, die Verantwortung über die Kanzleiturnhalle zu übernehmen und diese zu einem stabilen Quartiertreffpunkt mit Discobetrieb umzugestalten. Er versprach, dass dadurch die Unruhen aufhören und es den Steuerzahlenden keinen Rappen mehr kosten würde. Bei Hans Wehrli stiess er mit der Idee auf offene Ohren, für die Bürgerlichen war es allerdings ein Hohn. Und so versuchte der FDP-Stadtrat, die aufgebrachten Parlamentarier zu beruhigen. Gemäss «NZZ» sagte Wehrli damals der Menge, dass das gespaltene Verhältnis von Frei zu den Behörden bestens bekannt sei. «Aber wenn man alle Wirte ausschliessen will, die ein gespaltenes Verhältnis zu den Behörden haben, müsste man in der Stadt viele Restaurants schliessen.» Ausserdem sei Frei nicht ein «Fundi», sondern ein «Sponti», der Karl Marx vermutlich nie gelesen habe.


Steine in den Weg gelegt

Heute ist Koni Frei 75 Jahre alt und denkt noch immer mit einem Grinsen an diese Zeit zurück. «Es wurde ein immenser Druck auf mich aufgebaut. Plötzlich tauchten Polizeiakten von mir auf, Medien schrieben, es drohe ein ‹Agitationszentrum›, auch auf allen möglichen politischen Ebenen wurde vor mir gewarnt. Zum Glück aber gab es Hans Wehrli.» Frei erhielt die Chance, seine Vision zu realisieren. Doch es wurden ihm zahlreiche Steine in den Weg gelegt. «Es folgte ein Ämtermarathon, und trotz bestandener Wirteprüfung erteilte mir die Wirtschaftspolizei kein Gastroführungspatent. Also sprang mein Kollege Zsolt Tscheligi ein und legte die Prüfung ab. Ihm wurde das Patent schliesslich erteilt.» Und so konnten die beiden Freunde am 1. August 1993 auf die Eröffnung der neuen Turnhalle anstossen. Während sich Tscheligi ab jenem Moment um das Finanzielle kümmerte, war Frei immer zur Stelle, wenn ein Polizeieinsatz drohte.


Die «Kanzlei», laut Frei der dritte bewilligte Club der Stadt, wurde zum Erfolgsmodell. «Es gab keinen Radau mehr und es wurden wie versprochen bis heute nie städtische Gelder bezogen. Unsere Disco am Wochenende deckt seit jeher auch die Kosten für die sozialen Projekte ab, die wir unter der Woche in der Halle organisieren. Diese reichen von Poetikvorlesungen über Diskussionsrunden bis hin zu Abdankungen.» Und Koni Frei wurde schliesslich auch von bürgerlicher Seite her akzeptiert. Heute ist er unter anderem neben der Kanzlei am Restaurant Volkshaus und an der Long­street Bar beteiligt. «Deshalb erhielt ich von der Polizei den Spitznamen ‹der rote Bindella›», erzählt Frei grinsend. Das finde er gut, denn «für mich ist Bindella einer der besten Gastronomen in Zürich».

Erneut ein Freisinniger

28 Jahre ist es nun her, seit Koni Frei das Vertrauen zugesprochen wurde. Der Vertrag wurde zwischenzeitlich mehrfach verlängert, kürzlich lief er wieder aus. «Wie immer gab es zahlreiche Interessierte, die die Halle übernehmen wollten», so Frei, «aber FDP-Stadtrat Filippo Leutenegger, ja genau, wieder ein Freisinniger, vertraut weiterhin auf unser Modell!» Der Zeitpunkt sei nun aber gekommen, das Kanzlei-Zepter zu übergeben. Neu übernimmt Fabian Müller die Leitung. Der 37-Jährige ist seit 2004 in wechselnden Funktionen in der Kanzleiturnhalle tätig und sammelte in dieser Zeit viel Gastroerfahrung. Die Turnhalle soll nun im Sinn und Geist Freis und Tscheligis weitergeführt werden, die Müller auch beratend zur Seite stehen. Frei: «Selbstverständlich wird die Stadt auch weiterhin keine Subventionen bezahlen. So viel Wehrli beziehungsweise Leutenegger muss auch im rot-grünen Kreis 4 sein!»

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