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Sozial häufig isoliert: Sans-Papiers leben möglichst unauffällig aus Angst vor Personenkontrollen. Bild: iStock

Die Illusion vom vollständigen Schutz

Von: Jan Strobel

18. September 2018

In der Stadt Zürich leben bis zu 14 000 Sans-Papiers. Der Stadtrat möchte sie möglichst in die Gesellschaft und insbesondere in den Arbeitsmarkt integrieren. Zurückhaltend sieht er allerdings die Idee einer «Züri-City-Card».

«Sans-Papiers sind in Zürich eine Realität, und der Stadtrat zählt sie zur Bevölkerung. Er anerkennt sie als Teil der Gesellschaft mit entsprechenden Rechten und Pflichten», so brachte Stadtpräsidentin Corine Mauch vergangene Woche die grundsätzliche Position der Stadtzürcher Regierung anlässlich einer Medienkonferenz zur Situation der Papier­losen auf den Nenner. Wie viele von ihnen aktuell tatsächlich in der Stadt Zürich leben, lässt sich nur schätzen. Ein Schlussbericht zuhanden des Staatssekretariats für Migration (SEM) rechnete für den Kanton Zürich 2015 mit geschätzten 28 000 Sans-Papiers, wovon 10 000 bis 14 000 in der Stadt Zürich lebten. Dabei sind die Gründe, weshalb sie sich in einer nicht bewilligten Aufenthaltssituation befinden, sehr vielfältig. Sans-Papiers sind entweder illegal in die Schweiz eingereist oder taten dies legal, verloren danach aber ihre vormals erlangte Bewilligung. Andere tauchten unter, weil ihr Asylgesuch abgelehnt wurde. 

Eine interdepartementale städtische Arbeitsgruppe erarbeitete nun eine Auslegeordnung zu den Problemen im Alltag von Sans-Papiers. Dabei wurden die Handlungsmöglichkeiten, welche der Stadt zur Verfügung stehen, in einem Positionspapier des Stadtrats ausgelotet. Gerade für städtische Institutionen und Behörden ist es enorm schwierig, diese Menschen zu erreichen. Die grosse Mehrheit der in Zürich lebenden Sans-Papiers verhält sich möglichst unauffällig aus Angst vor Personenkontrollen. «Sie bewegen sich in sehr kleinräumigen Netzwerken», machte Christof Meier, Leiter Integrationsförderung, deutlich. 

Sans-Papiers sollen, geht es nach dem Stadtrat, unter transparenten Bedingungen regularisiert und in den geregelten Arbeitsmarkt integriert werden. Corine Mauch verwies dabei auf den Kanton Genf, der bereits 2017 im Rahmen des Programms «Papyrus» den Aufenthaltsstatus von über 1000 Papierlosen legalisierte. Allerdings sind der Stadt bei der Umsetzung die Hände gebunden. Die Kompetenzen liegen beim Kanton und beim Bund. Das gelte generell auch für die Möglichkeit, zentrale Grund- und Menschenrechte ungefährdet wahrnehmen zu können, so Corine Mauch. «Der Stadtrat fordert Kanton und Bund auf, Verbesserungsmöglichkeiten zu prüfen und umzusetzen.» Verstärken will der Stadtrat die Zusammenarbeit und den Austausch mit Organisationen der Zivilgesellschaft und mit privaten Trägerschaften. Überdies will er prüfen, wie die Gesundheitsversorgung von Nicht-Krankenversicherten verbessert werden kann. 

Skeptischer Stadtrat

Im Fokus der Diskussion stand vor allem die Idee einer «Züri-City-Card», welche im September 2017 von zivilgesellschaftlichen Organisationen vorgestellt wurde. Das Konzept dahinter nennt sich «Urban Citizenship». Der städtische Ausweis, für alle Zürcherinnen und Zürcher gedacht, soll einerseits für verschiedene Angebote genutzt werden können, soll aber besonders Papierlosen Zugang zu öffentlichen und privaten Leistungen und einen Schutz vor Verhaftung ermöglichen.

Der Stadtrat allerdings steht dieser Idee skeptisch gegenüber. Die Hoffnung auf eine ausländerrechtliche Schutzfunktion einer City-Card sei fraglich und könne dazu führen, dass sich Sans-Papiers in einer falschen Sicherheit wiegen würden, machte die Stadtpräsidentin deutlich. Werde ein Papierloser etwa von der Kantonspolizei kontrolliert, schütze ihn auch eine City-Card nicht. «Auch der Zugang zu Recht und Justiz», so Christof Meier von der Integrationsförderung, «wird aus Sicht der Arbeitsgruppe durch einen solchen Ausweis nicht verbessert.» Schweizer Städte, anders als zum Beispiel in den USA, müssten geltendes Recht vollziehen und auch beim Vollzug des Ausländerrechts vollumfänglich mitwirken.

Dennoch steht der Stadtrat dem Konzept einer «Urban Citizen­ship» grundsätzlich positiv gegenüber. In einem nächsten Schritt will er prüfen, in welchen Fällen der ausländerrechtliche Status bei Identitätsfeststellungen tatsächlich erhoben werden muss. Zudem soll ein weiteres Rechtsgutachten klären, ob ein städtischer Ausweis nach Vorbild der City-Card machbar wäre. 

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