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Ein alter Kompromiss wird entsorgt

Von: Jan Strobel

06. Juli 2021

Am Freitag schloss der Gemeinderat seine Debatte um den kommunalen Verkehrsrichtplan und versenkte dabei den Historischen Parkplatzkompromiss.

In der hitzigen Debatte über die Totalrevision des kommunalen Verkehrsrichtplans drehten sich im Gemeinderat die bisweilen fast schon philosophisch anmutenden Wortmeldungen vor allem um zwei Begriffe: «Historisch» und «Kompromiss». Zwischen beiden spannt sich eigentlich auch die gesamte Diskussion um die Zukunft des Verkehrs in der Stadt Zürich. Am Beispiel dieser Begriffe wurden vor allem wieder die ideologischen Gräben deutlich, die sich bei diesem Thema auftun – und die bei der Verkehrsrichtplandebatte alles andere als zugeschüttet wurden.

Das wichtigste Resultat aus den Beratungen und Beschlüssen des Gemeinderats war die Versenkung des sogenannten «Historischen Parkplatzkompromisses» in seiner jetzigen Form durch die links-grüne Mehrheit. Wie verfahren die Situation in diesem Punkt ist, zeigte sich besonders auch darin, dass für das Schlussresultat drei Anläufe nötig waren, bis der Änderungsantrag der SP schliesslich angenommen wurde.

Die SP fordert unter anderem, dass die Strategien für Parkierungsanlagen mit den «Ansprüchen einer hohen Aufenthaltsqualität» in der City abzustimmen seien. Deshalb sollen in der Innenstadt und citynahen Gebieten oberirdische Parkplätze gesamthaft reduziert werden. So freigestellte Verkehrsflächen sollen in Fussgänger-, Velo-, Grün- oder Aufenthaltsflächen umgestaltet werden. Für die SP bedeutete der Parkplatzkompromiss von 1996 eine «grosse Blockade» auf dem Weg zu einer «Innenstadt der Zukunft».

Sorge ums Gewerbe
Die Vorlage des Stadtrats, welche vorsah, dass die Gesamtzahl der öffentlich zugänglichen Parkplätze den Stand von 1990 um maximal 10 Prozent unterschreiten darf, wurde ausnahmslos verworfen trotz des Plädoyers von Stadtrat Richard Wolff, der diese Lösung als einen idealen Mittelweg zwischen den weit auseinandergehenden Maximalforderungen sah. Die SVP, die am Historischen Parkplatzkompromiss festhalten möchte, hatte mit ihrem Antrag keine Chance. Die Partei sieht durch den Parkplatzabbau vor allem das Gewerbe in der Innenstadt in Gefahr. Velofahrer würden zu wenig Umsatz bringen.

Auch die Grünen und die AL, die den Kompromiss vollständig gestrichen sehen wollen, fanden keine Mehrheit. Die AL bezeichnete den Parkplatzkompromiss als einen «historischen Irrtum», der dem Auto Schutzstatus gewähre, «als ob es eine aussterbende Tierart ist». Die Grünen ihrerseits verwiesen auf die veränderten Verkehrsbedürfnisse. Immer mehr Menschen würden mit dem öffentlichen Verkehr in die Stadt kommen, gleichzeitig habe sich der Anteil des Veloverkehrs zwischen 2010 und 2015 verdoppelt.

Einen eigenen Kompromiss präsentierten die FDP und die GLP. Dieser Antrag nahm die Zehn-Prozent-
Grenze des Stadtrats auf, orientierte sich allerdings am Stand von 2019. Zusätzlich wollte er einen Anteil von zehn Prozent an Parkierungsmöglichkeiten für umweltfreundliche Fahrzeuge festschreiben.
Für Diskussionsstoff sorgte auch die Zukunft der Blauen Zone.

SP, Grüne und AL fordern eine weitere Reduktion dieser Parkplätze zur Vermeidung von Leerständen in privaten Parkierungsanlagen. Parkplätze der Blauen Zone seien nur zur Verfügung zu stellen, sofern am Wohnort oder Geschäftssitz keine Möglichkeit bestehe, privaten Parkraum zu nutzen. Für die bürgerliche Minderheit war das inakzeptabel. Eine solche Verschärfung des Parkplatzregimes gebäre zudem eine «unglaubliche Bürokratie». Eine Mehrheit indessen folgte dem Antrag von SP, Grünen und AL.

Eine Kerndiskussion drehte sich schliesslich auch um das Velovorzugsroutennetz und seine Realisierung. Damit sollte vor allem auch das Ergebnis der Velorouten-Initiative in den Verkehrsrichtplan einfliessen. Im September hatten die Stadtzürcher Stimmberechtigten die Vorlage klar angenommen. Gemäss dem Volksentscheid muss innerhalb von zehn Jahren ein Netz von Velorouten mit einer Länge von mindestens 50 Kilometern realisiert werden.

Am Ziel eines solchen Veloroutennetzes zweifelte im Grunde niemand. Die FDP indessen sprach von einer «substanzlosen Geisterdiskussion». Der Routenplan gehöre in den regionalen, und nicht in den kommunalen Richtplan. Er suggeriere der Bevölkerung, dass das Netz genau so und zeitnah erstellt werde. Die SVP wiederum monierte, dass es nie Auftrag der Initiative gewesen sei, dass der Veloroutenplan fix in den Richtplan integriert werde.

Die SP allerdings sprach von einer wichtigen Planungsgrundlage. Für die Grünen hat dieses Routennetz nun «endlich ein Bild, wie wir es uns vorstellen». Dazu gehört als Neuerung auch die konsequente Einfärbung der Velofahrbahnen. Bei der folgenden Abstimmung setzte sich auch beim Velorvorzugsroutennetz Rot-Grün durch.

Entscheidend wird am Ende vor allem auch die Haltung des Regierungsrats sein, welcher den kommunalen Verkehrsrichtplan genehmigen muss.

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