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Claudio Pupolin Erni, Chef Milizfeuerwehr und Zivilschutz Region Zürich West, im Operationssaal des Zürcher Zivilschutzmuseums in Wipkingen. Es verfügt über zwei Operationstische. (Bild: Werner Schüepp)

Ein Museum als Lebensretter

Von: Werner Schüepp

03. September 2019

Am kommenden Samstag, 7. September, findet die Lange Nacht der Zürcher Museen statt. Mit dabei ist auch das Zivilschutzmuseum, welches sonst nur viermal pro Jahr geöffnet ist. Der unterirdische Bunker mit Operationssaal ermöglicht Einblicke in eine einzigartige Atmosphäre.

Dieses Zürcher Museum ist definitiv anders als alle andern in der Stadt: Es gibt keinen pompösen Eingang, alle Räume sind fensterlos, an den Wänden hängen keine Picassos, zudem liegt es vollständig unter der Erde und ist für Besucher nur an vier Tagen pro Jahr zugänglich. Die Rede ist vom Zürcher Zivilschutzmuseum, dem einzigen seiner Art in der Schweiz. Das Bauwerk befindet sich an der Habsburgstrasse in Wipkingen, unter dem kleinen Landenberg-Park. «Viele Zürcherinnen und Zürcher kennen das Museum nicht», sagt Claudio Pupolin Erni, Chef Milizfeuerwehr und Zivilschutz Region West und bei Schutz & Rettung zuständig für das Museum. Der 48-Jährige steht draussen vor dem unscheinbar wirkenden Eingang und wechselt im Schaukasten Flyers aus. Eine Veranstaltung wie die Lange Nacht der Museen, die am kommenden Samstag zum 20. Mal stattfindet, sei deshalb eine willkommene Gelegenheit, den historischen Bau einem grösseren Publikum näherzubringen.
Er schliesst die Eingangstür zum Museum auf. Man betritt eine Schleuse, und nach wenigen Schritten versperrt eine mächtige Panzertür, die einer 50-Kilogramm-Bombe standhalten kann, den Weg. Die Luft riecht leicht muffig. In der Nähe des Eingangs befinden sich zwei Türen, die mit «Entgiftung Frauen» und «Entgiftung Männer» angeschrieben sind. «Hinter diesen Türen befinden sich Duschräume zur Dekontamination», sagt Pupolin Erni, «wäre man bei einem Ernstfall in den Bunker gekommen, hätte man zuerst duschen müssen.» Los gehts, steile Treppen hinunter, lange Gänge entlang, vorbei an Informationstafel und Schaukästen, deren Inhalte thematisch nach Stichworten wie «Rettung», «Versorgung», «Bombardierung» oder «Verdunklung» geordnet sind.

«Die Anlage mit Operationssaal ist so konzipiert, dass hier 100 Personen plus Pflegepersonal bei einer Ernstsituation zwei Wochen unabhängig von der Aussenwelt hätten überleben können, dank der Hilfe von Notstromaggregaten, Luftfiltern, Öltank sowie Wasser- und Nahrungsvorräten», sagt Pupolin. Es blieb bei der Theorie, denn der Schutzbunker Landenberg ging nie in Betrieb.

Zum Bevölkerungsschutz

Das Zivilschutzmuseum, von Schutz & Rettung betrieben, stammt aus einer Zeit, als auch die Schweiz durch Luftangriffe bedroht war und Bomben aufs Land fielen. Der zylinderförmige Bau wurde 1941 zum Schutz der Zivilbevölkerung gebaut, weist einen Durchmesser von 25 Metern auf und ist auf drei Stockwerken angelegt. Während des Kalten Kriegs, 1964, wurde das unterste Geschoss zu einem Kommandoposten umgebaut. 20 Jahre später erfüllte die Anlage die Schutznormen nicht mehr und musste ausgemustert werden. Danach diente der Bau dem Zivilschutz viele Jahre lang als Lagerraum.
2005 war es schliesslich so weit: Der Bunker wird zum Museum und zeigt erstmals seine Schätze der Öffentlichkeit: Verdunklungslampen, Gasmasken, Gulaschkanone, Lebensmittelrationierungsmarken, Rettungswerkzeuge, Operationsbesteck und vieles mehr aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Stille bei Knochensäge

«Die Exponate der Ausstellung stammen aus diversen Quellen», erklärt Claudio Pupolin Erni, «vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz, von anderen Zivilschutzorganisationen und von Privatpersonen, die im Laufe der Zeit dies und das vorbeibrachten, zum Beispiel eine Quartierbe-wohnerin eine Portion Kernseife.» Pupolin Erni selbst fasziniert am Bunker vor allem die Technik. «Man hat damals mit einfachen Mitteln äusserst wirkungsvolle Lösungen gefunden.» Als Beispiel erläutert er den Mechanismus der Überdruckklappen beim Eingang oder weist auf die Verwinkelung in der Mauer hin, die dadurch Druckwellen von Detonationen brechen kann.

Einer seiner Lieblingsorte ist der Operationssaal inklusive Bettenlift, der ins obere Geschoss führt. Inmitten von zwei OP-Tischen, Spritzen und gläsernen Infusionsflaschen sowie Bluttransfusionsgeräte und Schränken mit alten Verbandsstoffpaketen wird es unter den Besuchergruppen jeweils ruhig, wenn sie diesen Raum betreten. Spätestens dann wird es mucksmäuschenstill, wenn es zur Knochensäge geht, die fein säuberlich gereinigt in einer Vitrine präsentiert wird.

Im Zivilschutzmuseum wird allerdings nicht nur vergangenen Zeitepochen Reverenz erwiesen, zum Schluss der Führung erfahren die Besucher, welche Bedeutung der Zivilschutz in unseren Zeiten hat. Pupolin Erni: «Die Schweiz bleibt für den Ernstfall gerüstet. Im Museum thematisieren wir deshalb ausführlich auch die Struktur des modernen Bevölkerungsschutzes mittels aktueller Arbeitsgeräte.»

Weitere Informationen:
Lange Nacht der Zürcher Museen, Samstag, 7. September, 18 bis 2 Uhr. Diverse Zürcher Museen.
www.langenacht.ch

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