mobile Navigation

News

Stehen als neue Nachbarn zur Verfügung: Aline Schutz mit Ella und Gilles Brunner mit Céleste, Christian Bohli sowie Urs Bachmann und Sandra Lippuner (v. l.). (Bild: BEL)

Ein Ort, um gut zu leben

Von: Isabella Seemann

27. April 2021

Wer Not bei Wohnungssuche hat, wird erfinderisch. So wie eine junge Familie, ein Paar und ein Single, die durch ein originelles Inserat im «Tagblatt» vom 21. April auf sich aufmerksam machten.

Die Baugespanne stehen mitten in ihrem idyllischen Garten am Simmlersteig. Auf den 1. Juli müssen eine junge Familie, ein Paar und ein Single ihre Wohnungen verlassen. Ihr Heim wird abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Das ist durchaus nicht ungewöhnlich in dieser Stadt. Herausragend ist jedoch der Plan, den die drei Parteien für die Suche von drei neuen Wohnungen zusammen entwickelten. Sie schalteten ein halbseitiges Inserat im «Tagblatt der Stadt Zürich», das hervorsticht und Sympathie weckt. Ein Bild aus der Vogelperspektive präsentiert sie in ihrem Garten liegend, mit Stücken ihres Hab und Guts. Dazu ihr Aufruf: «Sind sie auf Mieter*innensuche? Diese Nachbar*innen werden frei». Mit charmanten Charakterisierungen stellen sie sich vor.

 

Das Inserat aus dem "Tagblatt".

 

In perfekter Balance

Das «Tagblatt» hat sie in Wollishofen besucht, um mit ihnen über ihre Wohnungssuche und das Wohnen zu reden. Der Gartentisch mit den Weingläsern unter den Birken strahlt Gastfreundschaft und Gemütlichkeit aus. «Dandy-Haus-Renovierer» und Weinhändler Christian Bohli (44) giesst einen Petite Arvine aus. «Ich lebe jetzt seit 15 Jahren hier und mag meine Nachbarn noch immer», erzählt er lachend. Das gemeinsame Zusammenleben ist ihnen wichtig, man teilt den Garten, aber jeder hat eine eigene Wohnung. «Nähe und Distanz sind perfekt ausbalanciert.» Schön fänden sie es schon, wenn sie alle zusammen wieder in ein Haus mit drei freien Wohnungen einziehen könnten, genauso stehen die Parteien aber auch einzeln für ein neues Zuhause zur Verfügung.

Die herkömmliche Wohnungssuche auf den Immo-Plattformen im Internet habe sich bislang kaum bewährt. «Man merkt sehr schnell, dass der Wohnungsmarkt ausgetrocknet ist», sagt Sandra Lippuner. Sie arbeitet im Sozialdepartement der Stadt, ist zudem Dozentin und pflegt mit ihrem Mann Urs Bachmann, der als Visueller Gestalter arbeitet, mit grosser Passion den Garten und die Gemeinschaft. «Um der Hoffnungslosigkeit, die einen angesichts dessen befallen kann, etwas entgegenzusetzen und nicht in die Opferrolle zu geraten, wollten wir die Situation aus einer anderen Perspektive angehen.» Urs ergänzt: «Dadurch entstand ein enormer Drive, es ergeben sich neue Kontakte und wir erleben Selbstwirksamkeit».

Die zündende Idee hatte der 36-jährige Start-up-Unternehmer Gilles Brunner, der mit seiner Frau Aline und ihren Kindern Céleste und Ella «Die happy Romands» bildet und eine Familienwohnung sucht. Nüchtern analysiert er, dass Geschwindigkeit der bestimmende Faktor ist und lediglich die ersten paar Bewerber einen Besichtigungstermin erhielten. «Wir möchten aber nicht ein Wettrennen gewinnen», sagt er. «Wir sind überzeugt, dass die langfristige Kompatibilität zwischen Vermieter und Mieter, ähnlich wie bei Arbeitsverhältnissen oder Partnerschaften, beiden mehr bringt. Deshalb braucht es auch neue Formen, um sich zu finden.»

Kurzerhand kehrten sie die Sache um und bieten sich auf dem Markt nun selbst als neue Nachbarn an. Neben dem Inserat im «Tagblatt» werden sie in den kommenden Tagen auch Flyer an alle Haushalte im Kreis 2 verteilen. Das ist kreativ und kostspielig, das Ergebnis ungewiss, aber Kindergärtnerin und Textildesignerin Aline Schutz ist überzeugt, dass sich die Investition lohnt. «Ein Ort, wo man gut leben kann, ist für das Wohlbefinden so wichtig wie die Familie und die Arbeit.»

Weitere Informationen und Kontakt:
www.simmlersteig.ch

zurück zu News

Artikel bewerten

Gefällt mir 5 ·  
5.0 von 5

Leserkommentare

Keine Kommentare