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Während Stunden hielten die falschen Polizisten ihr Opfer am Telefon, um die Situation abzuklären und den Betrug vorzubereiten. Symbolbild: Clipdealer

Falsche Polizisten ausgetrickst

Von: Amanda Arroyo

17. April 2018

Die Polizei warnt vor einer neuen Masche: Trickbetrüger geben sich am Telefon als Polizisten aus und versuchen, Senioren um ihr Geld zu bringen. Doch nicht alle lassen sich so leicht an der Nase herumführen. Manche Rentner helfen sogar dabei, die Täter zu überführen. So auch in Zürich.

Nichts deutet auf den Krimi hin, den Hubert Müller* heute erleben wird, als bei ihm zu Hause das Telefon klingelt. Denn das Display zeigt eine gewöhnliche Zürcher Nummer an. Am anderen Ende des Drahts meldet sich ein Mann. Er gibt sich als Polizist aus. «Sein reines Hochdeutsch kam mir seltsam vor», sagt der 76-jährige Rentner. «Eigentlich sprechen Zürcher Polizisten Schweizerdeutsch.»

Seine Frau Elisabeth*, die das Gespräch über den Lautsprecher mitverfolgt, realisiert sofort: Ein Trickbetrüger versucht, ihren Mann hereinzulegen. Ein Blick genügt, und beide verstehen sich. Die Frau packt ihr Handy und verschwindet im Nebenraum. Dort kann sie unbemerkt telefonieren – mit der richtigen Polizei.

Währenddessen hört Hubert Müller eine Geschichte, die er bereits aus der Zeitung kennt: Es sei in der Nachbarschaft eingebrochen worden. Der Täter sei überführt, allerdings seien Unterlagen über Müllers Wertsachen und Bankunterlagen aufgetaucht. Nun sei auch sein Besitz in Gefahr. Und der müsse in Sicherheit gebracht werden.

«Ich versuchte, mich so dumm wie möglich zu stellen, damit er das Gefühl hatte, er habe den naivsten Bürger Zürichs am Telefon», sagt Müller. Zudem erfindet er grosse Summen an Bargeld und eine wertvolle Münzsammlung. «Mein Ziel war es, diesen Typen zu ködern», erzählt Müller weiter.

Anweisungen per Telefon

Damit hat er das Interesse des falschen Polizisten geweckt. Müller erhält die Anweisung, er dürfe den Hörer ja nicht auflegen. Der Betrüger ist misstrauisch und stellt viele Rückfragen. Er übergibt das Telefon immer wieder einem Komplizen. Dieser stellt dieselben Fragen noch einmal und kontrolliert, ob Müller sich nicht widerspricht. Im Hintergrund lassen die falschen Polizisten immer wieder ein Tonband laufen, das Geräusche einer Polizeiwache simuliert. Auf Details, weshalb beim Telefon der Lautsprecher eingeschaltet ist, muss Müller kreativ sein. Er lacht verschmitzt und sagt: «Ich erzählte ihnen, ich könne mit meinen Hörgeräten nur im Lautsprechermodus telefonieren. Nehme ich sie ab, höre ich nichts mehr.» Dabei trägt Müller gar keine Hörgeräte. Die falschen Polizisten fragen ihn auch zu seiner Familie aus. Sie versuchen herauszufinden, wie isoliert er lebt. Auch hier gibt sich Müller erfinderisch. Obwohl seine Frau direkt neben ihm sitzt, behauptet er, sie sei bereits vor drei Jahren gestorben und auch seine erwachsenen Kinder sehe er so gut wie nie.

Irgendwann trifft die richtige Polizei ein. Zwei Beamte erscheinen verkleidet, nur der Ausweis verrät, wer sie wirklich sind. Sie setzen sich neben Müller und unterstützen ihn bei seinem Lügengewirr. «Ich habe noch nie in meinem Leben so viel gelogen», sagt Müller. Alle Personen in der Wohnung müssen extrem leise sein. Nur das kleinste Geräusch verunsichert die Trickbetrüger. Schlägt die Küchenuhr, fragen Sie sofort, ob es an der Tür geklingelt hat. Diese hat Elisabeth Müller aber schon von Anfang an ausgeschaltet.

Dass sich Pensionäre so geschickt verhalten, damit haben die Trickbetrüger wohl nicht gerechnet. Sie leiten eine Geldübergabe ein und fordern Müller auf, das Geld und die Münzen in eine Tasche zu packen. Müller kramt einen Topf voller Fünfliber hervor und klimpert damit. «Für die ­falschen Polizisten am Telefon musste alles so real wie möglich klingen.» Währenddessen nimmt Elisabeth Müller eine Sport­tasche, verschwindet in der Küche und räumt die Besteckschublade aus. Nur die spitzen Messer packt sie nicht ein. «Die Tasche musste schwer sein, weil er ja eine so grosse Münzsammlung vorgetäuscht hat», erklärt Elisabeth Müller.

Jetzt ist alles bereit. Hubert Müller wartet darauf, dass die falschen Polizisten bekannt geben, wo er das Geld hinbringen soll. «Üblicherweise werden die Senioren aufgefordert, die Wertsachen irgendwo zu deponieren», erklärt Michael Walker von der Stadtpolizei Zürich die Taktik. Doch zur Überraschung der Polizisten kommt ein Mittelsmann persönlich vorbei, um die Tasche bei den Müllers abzuholen.

Die Handschellen klicken

Kurz darauf klingelt es an der Tür. «Erst dann durfte ich das Telefongespräch beenden», sagt Müller, «nach geschlagenen fünf Stunden.» Dann geht alles ganz schnell. Müller öffnet die Eingangstür, übergibt dem Mittelsmann die Tasche, die Handschellen klicken. Endlich – der Plan ist aufgegangen. Für Müllers hat es sich gelohnt, stundenlang am gleichen Platz zu sitzen und hoch konzentriert eine schlüssige Geschichte zu erfinden. «Wenn ich zurückdenke, bin ich überrascht, dass diese komplizierte Lügengeschichte aufgegangen ist.»

* Alle Namen der Redaktion bekannt, zum Schutz des Ehepaars wurden diese geändert.

Rentner mit traditionellen Namen besonders betroffen

Senioren aufgepasst: Seit neustem geben sich Betrüger am Telefon als Polizisten aus. Die Geschichte, die sie erzählen, ist stets dieselbe. Es geht immer darum, dass Geld und Wertsachen nicht mehr sicher sind. Nach langen, manipulativen Gesprächen wird das Opfer aufgefordert, das Eigentum einem Polizisten zu übergeben. Die Anzahl Fälle ist seit Oktober 2017 stark angestiegen. Allein in der Stadt Zürich wurden bereits 700 000 Franken ergaunert. Besonders überzeugend, die Täter rufen mit einer technisch manipulierten Nummer an, das Display zeigt die offizielle Nummer der Polizei. Verfolgt man die Anrufe zurück, verliert sich die Spur über verschiedene Länder. Die falschen Polizisten suchen ihre Opfer gezielt im Telefonbuch. Diese sind meist Senioren mit altmodischen Vornamen wie Adelheid, Gertrud oder Hans.

 

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