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Das Sechseläuten ist der erste Grossanlass nach der Pandemie. Felix H. Boller hat in der Corona-Krise das Präsidium des Zentralkomitees der Zünfte Zürichs übernommen. «Machbar ist das nur, wenn Herzblut mit im Spiel ist.» Bild: PD

Freude ist sein Energiemotor

Von: Ginger Hebel

19. April 2022

Neuanfang Nach zwei Jahren findet das Sechseläuten wieder statt. Der Zürcher Notariatsinspektor und Zünfter Felix H. Boller stellt das Volksfest mit dem OK auf die Beine. «Traditionen zu erhalten, ist wichtig.» Von Ginger Hebel

Einsam und alleine explodierte der Böögg letzten Frühling auf der Teufelsbrücke in der Schöllenenschlucht im Kanton Uri. Nach zwei Jahren des Entbehrens kann das Zürcher Sechseläuten am 25. April wieder stattfinden. «Wir freuen uns alle sehr, dass ein fröhliches Frühlingsfest wieder möglich sein darf», sagt Felix H. Boller. In der Corona-Krise hat er das Präsidium des Zentralkomitees der Zünfte Zürichs (ZZZ) übernommen. Es organisiert das Zürcher Sechseläuten und lädt seit 1991 – aus Anlass der 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft – jedes Jahr einen Kanton als Gast nach Zürich ein. Dieses Mal den Kanton Uri. Er präsentiert sich auf dem Lindenhof mit einer Ausstellung, einem Unterhaltungsprogramm und kulinarischen Spezialitäten. «Die Vorfreude auf den ländlichen Urkanton ist gross.»

Zusammen mit dem OK des Zürcher Sechseläutens stellt Felix H. Boller den Volksanlass auf die Beine. Alles gratis und in seiner Freizeit. «Das Sechseläuten gehört zu den Grossanlässen in Zürich. Es bedeutet sehr viel Aufwand, Organisation und Engagement. Machbar ist das nur, wenn Herzblut mit im Spiel ist», sagt der 59-Jährige. Er ist ein waschechter Zünfter. Am Zunftleben schätzt er die Geselligkeit und die Bewahrung von Tradition und Werten. Er lebt nach dem Motto: just do it. «Es hilft nicht viel, wenn man sich immer nur überlegt, was es noch alles zu tun gilt. Einfach machen. Freude an der Sache ist mein Energiemotor.»

Das Fest ist der erste Grossanlass in Zürich nach der Pandemie. «Keiner wusste, inwiefern uns Corona weiterhin einen Strich durch die Rechnung macht», sagt Boller. Kapazitätsbeschränkungen, Absperrungen, Sichtschutz. Das Konzept lag schon bereit. Mit dem Aufheben der Massnahmen fallen alle Beschränkungen weg, ein normales Fest wird wieder möglich. «Das bringt Erleichterung, dennoch ist Sicherheit unser oberstes Gebot.» Ein ausgebildetes Crowd-Management wird vor Ort die Menschenmassen lenken und gegebenenfalls Bereiche sperren, wenn sich zu viele Leute an einem Punkt versammeln.

Im Verband der Zünfte Zürichs sind die Gesellschaft zur Constaffel und 25 Zünfte zusammengeschlossen, jede hat ihre eigenen Aufnahmekriterien. Meist erfolgt der Eintritt über die Familie. Für viele Zünfte ist auch die Verbundenheit zum Quartier entscheidend. Felix H. Boller kam über den Beruf in die Zunft. Er arbeitet als Notariatsinspektor am Obergericht und ist Zünfter der Zunft zu den Drei Königen. Mit der Organisation des Sechseläutens verbunden sind zahlreiche städtische Auflagen. Sein berufliches Netzwerk und der gute Kontakt zu den Behörden sei ein entscheidender Vorteil. «Gegenseitiges Verständnis und Wertschätzung ist vorhanden.» Sicherheitsaspekte würden heutzutage viel intensiver diskutiert, dazu arbeiten sie eng mit der Stadtpolizei zusammen.

Wie viel Innovation braucht ein Traditionsanlass wie das Sechseläuten? «Man kann und muss das Rad nicht neu erfinden. Weihnachten ist auch schön, so, wie es ist», betont Boller. Dennoch seien Anpassungen nötig, weil sich auch die Gesellschaft und ihre Bedürfnisse verändern. Neu wird deshalb ein E-Ticketing eingeführt. Sitzplatztickets für den Kinderumzug und der Zug der Zünfte können online bestellt werden. Früher konnten Tickets persönlich in der Schalterhalle von Sponsor ZKB gekauft werden. «Diese Möglichkeit bleibt jedoch für Leute bestehen, die keinen digitalen Zugang haben», erklärt Felix H. Boller.

Nachwuchs ist Zukunft

Das Leben der Zünfte wird für die Öffentlichkeit am Sechseläuten sichtbar. Die Zünfter treten in bunten Kostümen auf die Strasse und geben der Stadt ihre Vergangenheit zurück. In der Zunft zu den Drei Königen bildet der Hauptharst der Zünfter eine Gruppe von Engemern im Kostüm des zweiten Rokoko, kurz vor der Zunftgründung 1897. Eine zweite Gruppe stellt See-Kadetten der Schiffskompanie von 1805 dar. Damit erinnert die Zunft an die Zeit, als die Schiffsflotte auf dem Zürichsee eine militärische Rolle spielte und Zürcher gegen Schwyzer Schiffe ankämpften. Die Zunft der Engemer ist nach den Schutzheiligen der Kapelle benannt, die einst an der Stelle des heutigen Bahnhofs Enge stand und den Heiligen Drei Königen geweiht war. So hat jede Zunft ihre eigene Geschichte, die sie pflegt.

Felix H. Boller lebt mit Frau und Tochter in Küsnacht ZH. Die Achtzehnjährige betreut die Kinder am Umzug. «Der Nachwuchs ist die Zukunft des Sechseläutens und daher sehr wichtig», betont Boller.Die Jungzünfter der Gesellschaft zu Constaffel und der Zünfte haben vor einigen Jahren die Interjungzünftige Vereinigung IZV gegründet, um einen Beitrag zur Nachwuchsförderung zu leisten. Das komme sehr gut an.

Böögg ohne Böller?

Auch er schätzt diesen generationsübergreifenden Austausch. «Es gibt heutzutage nur noch wenige Möglichkeiten, wo verschiedene Generationen aufeinandertreffen und sich vernetzen. Die Zunft macht es möglich, das finde ich sehr wertvoll.» Frauen werden nach wie vor keine in die Zünfte aufgenommen (Ausnahme bildet die Frauenzunft Gesellschaft zu Fraumünster). In das Zunftleben während des Jahres sind in vielen Zünften jedoch auch die Partnerinnen und Familien eingebunden. «Jede Zunft darf das für sich entscheiden», weiss Boller.

Das Sechseläuten ist ein beliebtes Frühlingsfest, ruft aber auch Kritiker auf den Plan. Aktuell fordert ein einzelner Bürger, dass der Zürcher Stadtrat Knallkörper beim Sechseläuten verbietet. Ein Böögg ohne Böller? Felix H. Boller lächelt. «Manchmal sind es Einzelne, die sich aber umso dezidierter äussern. Und daneben existiert die schweigende Mehrheit.» Traditionsgemäss wird der Böögg auch am 25. April mit amtlich bewilligten Böllern gefüllt sein. Die Explosion wird lautstark das Ende des Winters einläuten. Felix H. Boller freut sich auf ein fröhliches Frühlingsfest, das die Menschen nach der strengen Coronazeit wieder zusammenbringt und vereint. «Ich erachte es als wichtig, schöne Traditionen zu erhalten und weiterleben zu lassen.»

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

 

 

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