mobile Navigation

News

Über 10'000 Personen demonstrierten letzten Samstag in Zürich gegen Rassismus. (Bild: Jan Strobel)

Härter durchgreifen?

Von: Christian Saggese

16. Juni 2020

Muss der Stadtrat Grossdemonstrationen auflösen? Die Meinungen im Zürcher Gemeinderat sind gespalten. 

Trotz noch immer geltender Covid-Verordnung fanden letztes Wochenende wieder mehrere Gross-Demonstrationen in Zürich statt. Mit weit über 10 000 Teilnehmenden gab es am Samstag die bisher grösste Kundgebung im Rahmen der «Black Lives Matter»-Bewegung. Am Sonntag fanden mehrere Aktionen mit hunderten Personen anlässlich des Frauenstreiktags statt. Die Stadtpolizei Zürich hielt sich an die Empfehlungen der Kantonalen Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren und löste aus Gründen der Verhältnismässigkeit die Demos nicht auf. So war es auch bereits bei der ersten «Black Lives Matter»-Demo am Pfingstmontag («Tagblatt» vom 10. Juni).

Die SVP der Stadt Zürich reichte daher bereits letzte Woche eine Beschwerde ein: Der Zürcher Stadtrat müsse sich an das übergeordnete Bundesrecht halten und dementsprechend bei Versammlungen von über 300 Personen rigoros durchgreifen. Gerade auch, weil jeder Beizer und jeder Ladenbesitzer, welcher die bundesrätliche Covid-Verordnung nicht einhält, in Zürich gebüsst oder gar verzeigt wird, so die SVP weiter.

Unterstützung gibt es von der EVP. Präsident Ernst Danner: «Grossdemos sind vorläufig noch klipp und klar verboten, und das muss von der Polizei durchgesetzt werden, unabhängig vom Thema einer Demo. Die gezeigte Toleranz geht zu weit. Die Polizei darf nicht vor der Masse kapitulieren. Sonst trägt sie Mitschuld, wenn das zur nächsten Coronawelle führt.»

Der FDP fehlt beim Sicherheitsdepartement eine klare Linie. Dominique Zygmont, Gemeinderat und Mitglied der Kommission Sicherheit: «Die Sicherheitsvorsteherin hätte bereits zu Beginn der Krise deutlich kommunizieren müssen, was erlaubt ist und was nicht. Und dies im Rahmen der klar definierten Covid-Verordnung. Aktuell wissen aber weder die Stadtpolizistinnen und Stadtpolizisten noch die Demonstrierenden, was gilt.»

Demokratie: höchstes Gut

Für GLP-Gemeinderat Sven Sobernheim darf die freie Meinungsäusserung auch in Krisenzeiten nicht ausgeschaltet werden. «Sie ist unser höchstes Gut der Demokratie.» Trotzdem seien die aktuellen Kundgebungen gemäss bundesrätlicher Verordnung verboten. «Damit aber letztlich nicht Städte wie Zürich und Basel die alleinige Verantwortung tragen, muss das Thema bei einer möglichen weiteren Pandemie von Beginn weg bundesweit besser organisiert und koordiniert werden.»

Die SP distanziert sich klar von der Beschwerde der SVP und stellt sich hinter die Arbeit der Sicherheitsvorsteherin.  Für Co-Präsidentin Liv Mahrer ist es wichtig, solche Kundgebungen auch in der aktuellen Zeit zuzulassen. Wird diese freie Meinungsäusserung unterdrückt, möglicherweise sogar mit Gewalt, würde der Protest nur stärker werden. «Die Polizei könnte hier aber eine vermittelnde und vorbildliche Rolle übernehmen, in dem beispielsweise Masken verteilt und an die Anstandsregeln erinnert werden oder vorgeschlagen wird, über die Stadt verteilt in kleineren Gruppen Manifeste zu halten - so wie dies bei der letzten Demonstration der Fall war.» Die SP ist überzeugt, dass die Polizei mit dieser Arbeitsweise auf dem richtigen Weg ist, «unnötige Strassenschlachten zu verhindern.»

Für AL-Gemeinderat Andreas Kirstein ist klar: «Die 300-Regel des Bundesrates ist bei Demonstrationen nicht umsetzbar.» Komplett verbieten sei auch keine Option, da für die AL Demonstrationen per se nicht illegal sind. «Natürlich ist die aktuelle Situation schwierig. Aber es gibt kein allgemeines Rezept, wie mit den Kundgebungen umgegangen werden soll, da jede Demo anders ist, auch ihre eigene Dynamik aufweist.»

Die Grünen stehen hinter dem Vorgehen ihrer Stadträtin. Gemeinderat Luca Maggi: «Es ist richtig, dass Demos in der aktuellen Situation der Lockerung wieder möglich sind. Richtig ist auch, dass die Polizei trotz noch geltender Personenbeschränkung verhältnismässig agiert. Dies war beispielsweise am 1. Mai nicht der Fall. Jetzt, wo überall massiv gelockert wird, ist es zwingend, die öffentliche Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit wieder herzustellen.»

Ihre Meinung zum Thema?
echo@tagblattzuerich.ch

zurück zu News

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare