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Zwar sind Hunde Rudeltiere, doch der Tag in der Tagesstätte und mit anderen Tieren kann für sie ein Stress sein. (Symbolbild: AdobeStock)

Hundehorte am Anschlag

Von: Clarissa Rohrbach

02. August 2022

Während der Pandemie haben sich viele Zürcher einen Hund angeschafft. Weil sie nun zurück ins Büro müssen, geben sie ihre Tiere an Tagesstätten ab. Für Tierschützer ist das ein No-Go.

Wieso sich nicht einen Hund zulegen? Auf diese Idee sind viele Zürcher während der Pandemie gekommen. Doch nun ist die Normalität zurückgekehrt, die Homeoffice-Pflicht aufgehoben. Die Konsequenz: Viele Besitzer müssen ihren Hund tagsüber abgeben. Dass immer mehr Zürcher einen Hund halten, ohne Zeit dafür haben, zeigt ein Augenschein bei den Hundetagesstätten der Stadt.
«Ich kann mich kaum retten vor Anfragen», sagt David Horn, Geschäftsführer der Hundetagi in Albisrieden.  Oft müssten die Hundebesitzer bis zu einem Monat warten, bis sie endlich einen Probetag absolvieren können. Horn hat nach dem Ende des zweiten Lockdowns einen deutlichen Anstieg der Nachfrage festgestellt. Dass es viel mehr sogenannte «Corona-Hunde» gibt, ist für ihn eine erwiesene Sache.

Laut Horn wirkt sich die Gesellschaft anderer Hunde auf die Tiere positiv aus, denn sie lieben es, im Rudel zu sein. Bei seiner Tagesstätte sind die Hunde von 7 bis 18.30 Uhr betreut. Angesagt ist spazieren, spielen, fressen, Mittagsschläfchen, dann wieder spazieren und spielen. «Meist sind die Tiere sehr müde, wenn sie nach Hause kommen», sagt der Hundetrainer. Seine Kunden arbeiten alle und geben ihr Tier jeden Tag ab. Ein Tag kostet in der Hundetagi nur 50 Franken, denn Horn will auch sozial benachteiligten Personen eine Hundebetreuung anbieten. Meistens kostet ein Tag im Hundehort um die 70 bis 80 Franken.

Schnell überfordert

Doch nicht für alle Hunde ist eine Tagesstätte geeignet. «Ändert die Gruppe ständig, kann das für das Tier sehr stressig sein», sagt Rommy Los, Geschäftsführer des Zürcher Tierschutzes. Hunde seien stark auf die Bezugspersonen fixiert, je nach Charakter kann es sein, dass sie mit der Trennung vom Herrchen schlecht umgehen. Auch der Wechsel der Umgebung könne gewisse Hunde überfordern, sagt Los.

Ob ein Hundehort passt, ist Charaktersache, das findet auch der Schweizer Tierschutz (STS). «Je nach Wesen des Hundes kann die Fremdbetreuung zur spannenden Abwechslung oder zu einer nicht akzeptablen Belastung werden», sagt Biologin Lucia Oeschger. Wichtig sei, dass, neben genug Auslauf, auch eine Rückzugsmöglichkeit bestehe, wo sich die Hunde von ihren Artgenossen abgrenzen können, wenn sie Erholung brauchen. Auch eine Konstanz der Abläufe sei empfehlenswert damit sich die Tiere besser an die neue Situation gewöhnen.

Nichts überlegt

Auch beim Hort Hundeabenteuerland ist die Nachfrage grösser als das Angebot. Die Geschäftsleitung bekommt pro Tag zehn Emails mit Anfragen. Die Kunden sind vor allem gut ausgebildete Leute, die 100 Prozent arbeiten und sich die rund 300 Franken Betreuung pro Woche leisten können. Die Aufhebung der Homeoffice-Pflicht habe sie überrumpelt. Viele Besitzer hätte sich bei der Anschaffung des Hundes nichts überlegt.

Überrannt wurde auch Astrid Coley, Geschäftsführerin von Bouncy Buddies. Seit Monaten ist die Hundetagesstätte ausgebucht. Coley hat wegen des Einbruchs der Nachfrage während der Pandemie das Team reduziert. Nun fehlt ihr Personal, um all die Hunde zu betreuen die zu ihr kommen sollten. «Ich könnte gleich einen zweiten Hort eröffnen», sagt die Tierpflegerin. Vor allem jetzt im Sommer, da viele verreisen wollen, herrscht bei ihr Hochbetrieb. Die Hunde kämen gerne zu ihr, die Tagesstätte sei eine Art Ersatzfamilie. Coley weiss aber auch von «Corona-Hunden», die ans Tierheim abgegeben wurden. «Das ist sehr unfair gegenüber den Tieren.»

Aufwand unterschätzt

Auch der STS verurteilt unüberlegte Anschaffungen von Hunden während der Pandemie. «Das ist für uns ein absolutes No-Go», sagt Lucia Oeschger, «diese Entscheidung muss sorgfältig überlegt sein.» Man übernehme die Verantwortung für ein Lebewesen während 15 bis 20 Jahren, das dürfe nicht spontan entschieden werden. Ein Hund zu halten, sei ein zeitlicher und finanzieller Aufwand und erfordere kontinuierliches Engagement, oft werde das unterschätzt. Die Biologin findet, dass Besitzer, die ihren Hund jeden Tag in die Fremdbetreuung geben müssen, keinen halten sollten.

Tierschützerin Susy Utzinger hat schon während der Pandemie auf dieses Problem hingewiesen. «Doch die Einsamkeit vieler Menschen im Lockdown scheint wohl stärker gewesen zu sein», sagt sie. Ob sie ihren Hund in den Hort geben, sei die Entscheidung der Halter. Solange die Tiere nicht alleine sein müssen, spreche aus tierschützerischer Sicht nichts gegen eine Fremdbetreuung.

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echo@tagblattzuerich.ch

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