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In Zürich führt der Seeuferweg praktisch durchgehend direkt am Wasser entlang. Beim Hafen Wollishofen jedoch endet der Weg auf Stadtgebiet. Er führt via Seestrasse an Villen zurück an den See. Bilder: GH

Kampf ums Zürcher Seeufer

Von: Ginger Hebel

08. Juni 2021

Streitzone: Rund um den Zürichsee soll ein durchgehender Spazierweg am Wasser gebaut werden. Die Ufer-Initiative fordert den Zugang zum See für alle. Die Seeanwohner wehren sich vehement gegen diese Pläne. 

Der Zürichsee ist ein Magnet. Überall, wo es einen Seezugang gibt, tummeln sich Menschen. «Viele Uferzonen sind übernutzt. Leider sind manche Uferbereiche gar nicht öffentlich zugänglich, sondern in Privatbesitz», bedauert Katharina Prelicz-Huber, Zürcher Nationalrätin der Grünen. In der Stadt wurde ein Fussweg rund ums Seebecken bereits umgesetzt. «Darauf sind wir sehr stolz.» Prelicz-Huber macht sich für einen durchgehenden, ökologisch aufgewerteten Seeuferweg stark. «Schweizer Gewässer sind öffentlich, der Zürichsee gehört allen. Somit sollen auch alle freien Zugang zum Wasser haben dürfen; nicht nur die Privilegierten, die direkt am See wohnen», ist Prelicz-Huber überzeugt.

Um das Projekt ist seit Jahren ein harter politischer Kampf im Gange. 2010 wurden zwei Volksinitiativen zurückgezogen. Im Gegenzug wurde der Kanton Zürich dazu verpflichtet, jedes Jahr einen Abschnitt des Uferwegs zu bauen. Das neuste Teilstück mit Holzstegen über dem Wasser führt von der Wädenswiler Halbinsel Giessen bis in die Richterswiler Mülenen. Bauvorhaben für weitere Wegstücke in den Seegemeinden wurden jedoch auf Eis gelegt, weil sich private und öffentliche Interessen gegenüberstehen. Jetzt bläst der parteipolitisch unabhängige Zürcher Verein «Ja zum Seeuferweg» erneut zu einem Angriff und startet eine Unterschriftensammlung. Mit der Ufer-Initiative, die im November gesammelt sein soll, würde der politische Druck erhöht werden, bis 2050 einen durchgehenden Uferweg zu realisieren.

«Nutzlose Zwängerei»

Der Zürcher Seeuferweg führt vom Hafen Riesbach bis zum Zürichhorn. Schon vor 100 Jahren flanierten die Menschen auf der Promenade Utoquai. 1986 wurde das Projekt «Seeuferweg Wollishofen» bewilligt. Das Tiefbauamt baute den ersten Abschnitt von der Werft bis zur Roten Fabrik. Der Entwurf für das letzte Wegstück bis zum Hafen Wollishofen wurde 1993 vom Regierungsrat abgelehnt, da sich der betroffene Abschnitt in einer schützenswerten Flachwasserzone befindet. Die Lösung bot sich in der Verlegung des Fussweges auf einen 284 Meter langen Steg in den See. Es gibt auf Stadtgebiet nur noch wenige Stellen, die nicht direkt am Wasser entlangführen. Zwischen dem Restaurant Seerose im Hafen Wollishofen und dem Camping Fischers Fritz befinden sich Liegenschaften am See; Fussgänger müssen einen Umweg über die Seestrasse in Kauf nehmen.

Der neue Vorstoss für einen durchgehenden Seeuferweg stösst beim Verein FaiR auf Unverständnis. «Das ist eine nutzlose Zwängerei», sagt Vorstandsmitglied und FDP-Kantonsrat Hans-Peter Brunner. Der Verein, dessen Vorstand sich aus bürgerlichen Politikern zusammensetzt, vertritt die Interessen der über 1000 Liegenschaftsbesitzer am See. Er bekämpft eine erzwungene Uferlinienführung des an sich akzeptierten Seeuferwegs, die zu übermässigen Eingriffen in die Natur und zu Enteignungen führen würde. «Eigentumsrechte und ungestörte Uferbereiche sind zu respektieren. Die Seeanwohner wehren sich mit allen rechtlichen Mitteln gegen solch überrissene Pläne», sagt Brunner.

Es sei weder nötig noch umweltschonend, dass der Weg überall direkt am Wasser verlaufe und somit quer durch die Privatgrundstücke. «Ein Weg um den Zürichsee ist an sich eine gute Sache, aber nicht um jeden Preis.» Von Richterswil über Zürich bis Stäfa grenzen sechzehn Zürcher Gemeinden ans Seeufer – rund 25 Prozent der Fläche ist Konzessionsland, erworben von Privaten. Der Staat hat grundsätzlich das Recht, für den Bau von Strassen, Wegen und anderen öffentlichen Anlagen als letztes Mittel Land zu enteignen. Bei einer allfälligen Enteignung ist jedoch mit aufwendigen Prozessen zu rechnen. Zudem kämen auf den Kanton happige Entschädigungsforderungen zu. «Dieses Geld sollte man lieber in die qualitative Aufwertung der zahlreich bestehenden öffentlichen Seezugänge investieren», findet Brunner.

Die Zürcher Politikerin Katharina Prelicz-Huber ist da anderer Meinung. «Landeigentümer am See vertreten einen absoluten Eigentumsbegriff, der gesellschaftliche Interessen komplett ausser Acht lässt.» Mit einer Neid-Debatte, die ihr oft vorgeworfen werde, hätte dies nichts zu tun.

Das Erscheinungsbild des Zürichsees hat sich in den letzten 200 Jahren stark verändert. Früher war die Stadt Zürich von einer Uferlandschaft mit Sümpfen und Auen umgeben. Der Zugang zum See war durch Schutzbauten abgetrennt, um die Stadt vor Angriffen zu schützen. «Die meisten Grundstücke am Zürichsee-Ufer liegen auf Land, welches dem See abgerungen wurde», erklärt der gebürtige Stadtzürcher Historiker Willy Rüegg, der sich seit Jahren für den Umweltschutz einsetzt.

Flachufer wurden zerstört

Im 19. und 20. Jahrhundert seien Tausende von Aufschüttungen des Seegrunds vorgenommen, Uferbefestigungen und Quais errichtet worden. Dies ermöglichte erstmals die Überbauung und Besiedelung des direkt am Wasser gelegenen Landes, das mit der neuen Seestrasse gut erschlossen war. Die Ufer wurden weitgehend privatisiert und der öffentliche Raum eingeschränkt. «Die natürlichen Flachufer wurden dadurch leider umfassend zerstört, die Regenerierfähigkeit des Sees vermindert und die Biodiversität reduziert», sagt Rüegg. Auch die Wasserqualität habe unter der regen Bautätigkeit gelitten. «In 100 Metern Tiefe ist der See tot.»

Die Idee eines Seeuferwegs begrüsst er, stellt aber klar: «Der Lebensraum von Pflanzen und Tieren muss erweitert, aufgewertet und geschützt werden.» Zwischen Wädenswil und Richterswil sei dies vorbildlich umgesetzt worden. «Es wurde Rücksicht auf die Natur genommen, Fischlaichgründe wurden geschützt und der ganze Abschnitt ökologisch aufgewertet.» Der Naturschutz steht auch für die Befürworter der Initiative im Vordergrund. «Der Seeuferweg soll kontrolliert durch die Natur führen, damit die sensiblen Uferzonen erhalten bleiben und aufgewertet werden», betont Katharina Prelicz-Huber.

Weitere Informationen: www.seeuferweg.ch

Buch-Neuerscheinung: «Seeuferweg – der Zürichsee im Brennpunkt gegensätzlicher Interessen», Willy A. Rüegg, Stutz Medien, ISBN: 978-3-85928-111-0

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

 

 

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