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Homosexuelle Flüchtlinge finden nur schwer Schutz vor Verfolgung. Bild: Keystone/Bradley Secker

Kein sicherer Hafen in Sicht

Von: Jan Strobel

30. Mai 2017

Homosexualität: Vom 2. bis zum 11. Juni findet in Zürich wieder das Zurich Pride Festival statt. Dieses Jahr fokussiert der Anlass auf die Situation homo- und transsexueller Flüchtlinge.

Muhammad Salih al-Munajjid, salafistischer Prediger aus Saudiarabien, machte seiner Menschenverachtung unlängst auf der Website Islamqa.info Luft: «Homosexualität ist eines der schlimmsten Verbrechen, sie stellt die grösste der Sünden und die verabscheuungswürdigste Tat überhaupt dar. Homosexuelle sollten hingerichtet werden.» Im Libanon ist es Pater Abou Abo Kassm, Sprecher der katholischen Kirche in Beirut, der als einer der prononciertesten Gegner der Homosexuellen auftritt. Der Kirchenmann nannte in einem Interview mit BBC «homosexuelles Leben» als «ein Leben wider die Natur». Solange es Moral im Libanon gebe, sei Homosexualität nicht zu akzeptieren. Überdies könne die Medizin Homosexuelle heilen.

Die beiden Aussagen widerspiegeln die gesellschaftlichen Realitäten, mit denen sich Homosexuelle in vielen Ländern konfrontiert sehen. Ihre Identität auszuleben, bedeutet für diese Männer, Frauen und Transsexuellen ein alltägliches Martyrium, gefangen in der Kriminalisierung, sind sie der Frage von Leben und Tod ausgesetzt. Aktuell ist Homosexualität in 74 Ländern strafbar, in 13 Staaten steht darauf offiziell die Todesstrafe, darunter in Saudiarabien, Katar, im Iran, in Afghanistan, Pakistan – oder in den Regionen Syriens, die vom IS und von islamistischen Rebellen kontrolliert sind.

Diffuse Situation
Mit den derzeitigen Fluchtbewegungen hat dieses Thema auch für den Westen an Brisanz gewonnen. Doch dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität in Europa Zuflucht suchen, diese Tatsache fällt nicht nur in der öffentlichen Diskussion, sondern auch in der Asylpolitik allzu häufig unter den Tisch. Dass sich die hiesige LGBT-Community ebenfalls stärker dieser Problematik annimmt, war eigentlich längst überfällig. Jetzt machen die Organisatoren der diesjährigen Zurich Pride einen Schritt in diese Richtung. Der Anlass (siehe Box) legt den Fokus auf homo- und transsexuelle Flüchtlinge. Unter dem Motto «No Fear to Be You» – «Keine Angst, du selbst zu sein» – findet am 10. Juni auch die Demonstration durchs Zürcher Stadtzentrum statt.

Auch in der Schweiz, so der Vorstand der Pride, gebe es viele Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung aus ihrem Heimatland flüchteten. Sie seien hier mit vielfältigen Problemen konfrontiert, insbesondere im Asylverfahren. Tatsächlich kennt das Schweizer Asylgesetz keinen expliziten Fluchtgrund aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. Entsprechend schwierig sei es für homo- oder transsexuelle Asylsuchende, in der Schweiz Schutz zu erhalten, machen die Organisatoren deutlich.

Artikel 3 des Asylgesetzes definiert Flüchtlinge als «Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden». Entscheidend ist hier die Formulierung «soziale Gruppe». Bereits 2013 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Homosexuelle eine bestimmte soziale Gruppe im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention bilden können.

Bisher ist das Bundesamt für Migration diesem Urteil nicht gefolgt, zumal es oft relativ einfach sei, sich im Asylverfahren als Homosexueller auszugeben, die Situation sich mithin als äusserst diffus darstelle. Diese Unklarheit macht ein aktueller Fall aus Grossbritannien deutlich: Ein homosexueller Flüchtling aus Uganda, wo Homosexualität mit einer lebenslänglichen Strafe belegt werden kann, soll ausgeschafft werden. Der Ugander habe keine glaubhaften Beweise für seine sexuelle Orientierung erbringen können.

Geschultes Personal
Einen Durchbruch allerdings gab es vergangenen Januar in der Schweiz. Der homosexuelle Flüchtling O. aus Nigeria wurde vom Staatssekretariat für Migration als Flüchtling anerkannt, dies nach einem abgelehnten Asylgesuch, einem Wiedererwägungsgesuch und einem erfolglosen Rekurs vor dem Bundesverwaltungsgericht. Eine Beurteilung des Falls durch einen Vertrauensanwalt der Schweizer Botschaft in Nigeria hatte die Kehrtwende zugunsten von O. herbeigeführt.

Angesichts solcher Fälle fordern die Organisatoren der Zurich Pride nicht nur die Anerkennung homo- und transsexueller Flüchtlinge, sondern auch Befragungen der Asylsuchenden durch geschultes Personal, «welches die nötige Sensibilität» mitbringe. Homosexuelle Asylsuchende sollten überdies in für sie sicheren Unterkünften ausserhalb der Asylzentren untergebracht werden, um vor Anfeindungen oder Übergriffen geschützt zu sein.

Gay Pride Festival

Das Zurich Pride Festival ist der grösste Anlass für Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle (LGBT) in der Schweiz. Zum ersten Mal fand er in Zürich 1994, damals noch als Christopher Street Day (CSD), statt. Kern des Anlasses ist neben dem Fest auf dem Kasernenareal jeweils die Demonstration durch die Innenstadt. Dieses Jahr findet sie am Samstag, 10. Juni, statt. Besammlung ist um 13 Uhr auf dem Helvetiaplatz. Das Fest mit verschiedenen Musik-Acts steigt am 9. und 10. Juni. Die offizielle Eröffnungsparty findet bereits am 4. Juni, ab 22 Uhr, im Klub Plaza statt. Zusätzlich bietet das Programm diverse Rahmenanlässe und Diskussionsforen.

Weitere Informationen zum gesamten Programm:

www.zurichpridefestival.ch

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