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Rechtsanwalt Pierre Heusser ist der neue Zürcher Ombudsmann. Bild: GH

Machtmissbrauch, Mobbing, sexuelle Belästigung

Von: Ginger Hebel

25. Mai 2021

Pierre Heusser, der neue Ombudsmann der Stadt Zürich, vermittelt zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Stadtverwaltung. Whistleblowing ist ein grosses Thema. Angestellte werden ermuntert, Meldung zu erstatten, wenn sie Missstände feststellen. Dafür steht eine neue Plattform zur Verfügung. 

Der Start war schwierig. Letzten August hat Pierre Heusser das Amt als Ombudsmann der Stadt Zürich übernommen – mitten in der Pandemie. Sie hatten zahlreiche Anliegen im Zusammenhang mit dem Coronavirus zu behandeln. Es habe zwar nur wenige Beschwerden wegen Nichteinhaltung der Hygienevorschriften am Arbeitsplatz gegeben. «Zu denken gaben jedoch Einzelfälle, in denen bei der obersten Führung der Umsetzungswille vermisst wurde», sagt Heusser.

Der 51-Jährige leitet die älteste Ombudsstelle der Schweiz und tritt in die Fussstapfen der pensionierten Juristin Claudia Kaufmann, die 15 Jahre zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Zürcher Stadtverwaltung vermittelte. Während der Homeoffice-Pflicht mussten sich auch Pierre Heusser und sein Team mehrheitlich von zu Hause um die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger kümmern. «Das war eine Herausforderung, weil der persönliche Kontakt in dieser Position sehr wichtig ist. Aber auch Telefongespräche können Nähe und Vertrauen schaffen», sagt Heusser. Die Türe der Ombudsstelle sei aber immer offen gestanden.

Machtmissbrauch, sexuelle Belästigung, Mobbing. Wenn Angestellte der Stadt Zürich von einem Missstand erfahren, dürfen sie diesen melden. Dafür wurde extra eine Plattform geschaffen, die gemeinsam von der Finanzkontrolle und der Ombudsstelle betreut wird. «Der grosse Vorteil ist, dass wir mit den Personen über ein anonymes Postfach kommunizieren können. Dadurch können wir bei Unklarheiten nachfragen und allfällige Falschmeldungen schneller erkennen», erklärt Heusser. Whistleblower galten lange als Verräter, «diese Zeiten sind jedoch vorbei.» Die Stadt Zürich bekennt sich zu Offenheit und Transparenz. Daher ist sie auch an der Aufklärung von fragwürdigem Verhalten interessiert.

Pierre Heusser bringt jahrelange Erfahrung als Anwalt mit Schwergewicht Sozialrecht und Arbeitsrecht mit. Er wohnt in der Stadt Zürich und schätzt hier besonders die hohe Dienstleistungsmentalität. «Der Zugang zur Stadtverwaltung wird immer einfacher, auch durch neue Online-Angebote wie <mein> oder die <züri>.» Er lege jedoch grössten Wert darauf, dass bei allem Fortschritt nicht vergessen gehe, dass es sehr viele Menschen gibt, die damit nicht vertraut sind. «In der Stadt leben mehr Leute, als man denkt, die weder eine E-Mail-Adresse noch ein Telefon besitzen.»

Hemmschwelle sinkt

1623 Personen, die sich in einem Konflikt mit den Zürcher Behörden befinden oder sich ungerecht behandelt fühlen, wandten sich letztes Jahr an die Ombudsstelle der Stadt Zürich. Das ist eine Zunahme von elf Prozent zum Vorjahr. Die meisten Anfragen betrafen das Sozial- und Sicherheitsdepartement. Heusser und sein Team haben für all jene ein offenes Ohr, die sich über die Stadtverwaltung beschweren, aber auch für städtische Angestellte, die Spannungen am Arbeitsplatz erleben.

Diese internen Fälle hätten über die Jahre deutlich zugenommen. Im ersten Berichtsjahr 1971 betrug der Anteil acht Prozent, im Jahr 2019 waren es rekordhohe 46 Prozent. Sorgen bereitet Heusser diese Tatsache nicht. Es zeige, dass die Ombudsstelle bekannt sei und die Hemmschwelle sinke. «Dennoch sollten interne Personalfälle die externen Beschwerden der Bevölkerung nicht verdrängen», findet Heusser. Es wird auch künftig seine Aufgabe sein, kritisch hinzuschauen, dabei aber immer fair und allparteilich zu bleiben.

Weitere Informationen: www.stadt-zuerich.ch/whistleblowing

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

Fallbeispiel aus der Ombudsstelle der Stadt Zürich 

<mein><züri>Einer Mieterin wird mitgeteilt, dass sie die Belegungsvorschriften für ihre städtische Wohnung nicht mehr erfülle. Sie müsse eine neue suchen und rückwirkend Subventionen zurückzahlen. Es stellte sich heraus, dass der Mietvertrag fehlerhaft und nicht mit dem kantonalen Subventionsrecht vereinbar war. Die Mieterin konnte am Schluss ein Jahr länger in der Wohnung bleiben. Zudem wird ihr eine Wohnung in der Siedlung angeboten, sobald eine frei wird. Auf eine rückwirkende Verrechnung der Subventionen wird verzichtet.

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