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40 Kinder von Spitalmitarbeitenden hatten die Gelegenheit, sich einen Tag in die Arbeitswelt eines Spitals hineinzuversetzen. Bilder: Isabella Seemann/PD

Mädchen an die Computer, Jungs ans Spitalbett

Von: Isabella Seemann

15. November 2016

Einmal mit den Eltern mit zur Arbeit gehen, mehr über den Beruf des Vaters oder der Mutter erfahren: Dazu gab der Nationale Zukunftstag den Kindern die Gelegenheit, untypische Berufe zu schnuppern.

«Arzt» kommt es wie aus der Pistole geschossen. Ermond aus Winterthur-Wülflingen weiss ganz genau, was er mal werden will. Den Zukunftstag vom letzten Donnerstag nutzte der 11-Jährige, um sich seinen Wunscharbeitsplatz schon mal anzusehen. Er durfte seine Tante, eine Krankenpflegerin, in die Schulthess-Klinik beim Balgrist begleiten. Und war begeistert. «Wie im Fernsehen!» Am meisten beeindruckte ihn die Freude der Patienten, wenn ihnen der Arzt gute Nachrichten überbrachte. Dass die Operation gut verlief, dass die Medikamente wirken, dass sie bald nach Hause können. Das Wort «Freude» benutzt Ermond viel und gern. «Man sieht auch den Ärzten ihre Freude an, wenn sie einem Menschen helfen konnten.».

Ärztin oder Polizistin?

Die 11-jährige Andrea aus Winterthur, deren Grosi die Spitalapotheke leitet, ist sich noch unsicher, ob sie Ärztin werden möchte. «Die grosse Verantwortung bei Operationen und dabei ins Innere einer Person reinzuschauen, schrecken mich ein wenig ab», sagt sie. «Vielleicht werde ich doch besser Polizistin.»

Ermond und Andrea sind zwei von Tausenden Fünft- bis Siebtklässlern, die am Nationalen Zukunftstag in der ganzen Schweiz ihre Mütter oder Väter, Tanten und Onkel, Göttis und Gottis in 2300 Betrieben zur Arbeit begleitet haben. Vor 16 Jahren initiierte die Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten den Tochtertag, um Mädchen die Berufe näherzubringen, in denen Frauen untervertreten sind. Der Tag entwickelte sich zum Zukunftstag für Mädchen und Buben. Er gibt nicht nur Einblicke ins Berufsleben, sondern motiviert die jungen Leute zu eigenständigen Lebensentwürfen und soll auch Buben ermöglichen, in typisch weibliche, also soziale, pflegerische und erzieherische Berufe hineinzuschnuppern.

Andrea Rytz, die seit Januar 2016 als CEO der Schulthess-Klinik amtet und ihre Karriere als Fachfrau für medizinisch-technische Radiologie anfing, begrüsste am Zukunftstag rund 40 Kinder von ihren Mitarbeitern persönlich. «Ehrensache!», sagt die 44-jährige Spitaldirektorin. «Wenn man sich nicht für die Zukunft engagiert, wofür dann?» Sie liess es sich nicht nehmen, mit den Schülerinnen und Schülern Gipsverbände am Arm anzulegen. «Die Kinder sind äusserst interessiert, hängen den Pflegefachmännern- und -frauen an den Lippen und sind einfach nur begeistert.»

Die Krankenschwester gibt es nicht mehr. Mit dem Ausbildungsberuf Fachfrauen und Fachmänner Gesundheit (Fage) interessieren sich nun auch viel mehr Buben für Pflegeberufe. Und erstmals arbeiten mit dem jetzigen Jahrgang mehr Assistenzärztinnen als -ärzte in der Schulthess-Klinik. Das Direktorium der Klinik besteht sogar aus vier Frauen und drei Männern. Die tradierten Rollenmodelle seien sich in den Gesundheitsberufen langsam am Auflösen. «Der Veränderungsprozess läuft», ist Andrea Rytz überzeugt.

Rund 3100 Mädchen nahmen am Zukunftstag auch die Gelegenheit wahr, in typisch männliche Berufsfelder hineinzuschnuppern. So besuchten 18 Mädchen die Zürcher Softwarefirma Ergon Informatik beim Kreuzplatz und machten beim Projekt «Mädchen–Informatik–los!» mit – anfangs schüchtern, später immer kecker.

Die 11-jährige Leona aus Stäfa weiss noch nicht, was sie mal werden möchte, und Computer interessieren sie auch nicht so sehr, aber den Schnuppertag findet sie schon mal sehr vielseitig. «Es ist nie langweilig!» Dafür sorgt Andrea Zimmermann, die sowohl in der Softwareentwicklung tätig ist wie auch in der Nachwuchsförderung und der Lehrlingsausbildung und quasi als Vorbild für die Mädchen dient. Auch sie war während ihres Informatikstudiums an der ETH eine der wenigen Frauen in der Männerdomäne. «Aber davon darf man sich nicht einschüchtern lassen.» Mit praktischen Beispielen, Bildern und Spielen versucht sie den Schülerinnen ihr Berufsfeld näherzubringen und beispielsweise aufzuzeigen, wie Netzwerke funktionieren oder Automaten programmiert werden können: «Viele Mädchen mögen Mathematik, aber sie wissen nicht so recht, was man damit beruflich anfangen kann.» Und schliesslich soll ja bei der Berufswahl auch das Zwischenmenschliche nicht zu kurz kommen.

Katze weckt das Interesse

So zeigt sie denn auf, dass die Tätigkeit am Computer nur einen Teil der Arbeit ausmacht. «Softwareentwickler lösen Probleme», erklärt sie. «Und dafür muss man viel mit den Kunden und im Team kommunizieren.» Bei einigen Mädchen weckt der Workshop die Neugier. Zu verdanken ist dies unter anderem einem Kätzchen. Auf Mac-Computern lernen die Schülerinnen, mithilfe der Scratch-Programmiersprache und dem Maskottchen Scratch-Katze ein eigenes Spiel zu programmieren. «Das hat mir richtig viel Spass gemacht», sagte Annabelle. Doch nicht nur wegen des Kätzchens kann sich die 11-Jährige vorstellen, später als Informatikerin zu arbeiten: «Wenn ich Informatikerin werde, dürften meine Eltern nicht mehr reklamieren, wenn ich zu lange am Computer sitze.» 

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