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Immer weniger Zürcher Eltern lassen ihre kleinen Kinder kirchlich taufen.Unsplash

Mehr Austritte, weniger Taufen

12. März 2024

Viele Menschen kehren der Kirche den Rücken. In Städten wie Zürich finden auch immer weniger kirchliche Trauungen und Taufen statt. Die Anzahl Taufen hat sich in den letzten Jahren halbiert. 

Die Kirche verliert Mitglieder. Die katholische Kirche meldet eine Verdoppelung der Austrittszahlen. Vergangenen Herbst hatten sich die Abgänge noch auf Vorjahresniveau gehalten (5074 bis 12. September). Danach musste die Kirche weitere 8826 Austritte registrieren. Damit haben sich im Kanton Zürich 13 900 Personen von der katholischen Kirche abgewandt. Bei der reformierten Kirche waren es knapp 3000, 50 Prozent mehr als 2022. Am meisten Austritte gab es bei den 30- bis 39-Jährigen.

Auch die Zahl der Taufen nimmt ab. «Die Abnahme ist sicher auf die tiefere Mitgliederzahl zurückzuführen. Die Zahl der Firmungen bleibt stabil, was auch bedeutet, dass Kinder vor der Erstkommunion getauft werden. Das nimmt zu», sagt Thomas Boutellier, Informationsbeauftragter Generalvikariat der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Wie Zahlen des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI) belegen, nahmen in den vergangenen 25 Jahren reformierte Taufen um die Hälfte ab, katholische um 40 Prozent. Letztes Jahr wurden in der Stadt Zürich noch 483 katholische Kinder getauft. Im ganzen Kanton wurden 1441 Taufen vollzogen. In der Stadt Zürich wurden mindestens 223 reformierte Kinder getauft. Findet keine Taufe mehr statt, verschwindet ein Ritual, welches jahrhundertelang als selbstverständlich galt und eine christliche Pflicht darstellte.

Taufwunsch nicht ablehnen

Doch auch Eltern, die selbst keine Konfessionszugehörigkeit haben, möchten manchmal ihre Kinder taufen lassen. Ein Widerspruch? «Nicht unbedingt», sagt Thomas Boutellier. «Es heisst ja nicht, dass Leute, die sich von der Kirche abwenden, nicht an Gott glauben.» Die Gründe des Austritts seien vielfältig und individuell. Die Kirchensteuer ist einer. Aber auch negative Erfahrungen mit Personen, welche die Kirche repräsentieren, der Missbrauchsskandal oder eine schwache Kirchenbindung. Grundsätzlich können Kinder getauft werden, obwohl die Eltern nicht Mitglied der Kirche sind. «Ich empfehle, das Gespräch mit dem Pfarramt am Wohnort zu suchen und zu begründen, warum man sein Kind taufen lassen möchte, obwohl man sonst keine kirchlichen Dienstleistungen mehr in Anspruch nehmen will. Dieses Gespräch ist wichtig», findet Boutellier. Ihm sei kein Fall bekannt, wo der Taufwunsch der Eltern verwehrt wurde. «Die Taufe symbolisiert die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft. Es geht darum, das Kind unter den Schutz Gottes zu stellen, ihm mit dem Segen etwas Gutes zu tun. Man wird dem Kind diesen Segen nicht verweigern», sagt Boutellier. Die Auseinandersetzung der Eltern mit der Taufe sei vielleicht auch wieder ein Anknüpfungspunkt zur Konfession.

Wie Matthias Reuter, Vorsitzender des Pfarrkonvents der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Zürich, mitteilt, haben Kirchenmitglieder einen Anspruch und ein Anrecht auf kirchliche Handlungen wie Taufen, Trauungen und Abdankungen – ohne Kostenfolge. «Wer austritt, schneidet sich zuerst selbst ab von allen Informationen und Angeboten. Man entwickelt Hemmungen und Unsicherheiten, die Kirche mit ihren Diensten noch in Anspruch zu nehmen.» Das umfasse gerade die Angebote für Kinder, Familien, den religionspädagogischen Unterricht, die Konfirmation, die Jugendarbeit und ganz wesentlich die sozialen Dienste, die Seelsorge und Beratung und nicht zuletzt auch die Gottesdienste mit ihren Ritualen. Dennoch können auch Eltern ohne Mitgliedschaft auf expliziten Wunsch ein Kind taufen lassen. «Allerdings werden die Eltern nach ‹guten Gründen› für diesen Wunsch gefragt, zumal Eltern mit der Taufe versprechen, ihr Kind im reformierten Glauben zu erziehen», erklärt Reuter. In welchen Fällen kann ein Taufwunsch abgelehnt werden? «Wenn Eltern nicht wollen, dass ihr Kind reformiertes Mitglied wird und die Taufe für sie inhaltlich nicht mehr als eine Show ist.» Bei der Taufzeremonie in der Kirche ist es in der Regel erwünscht, dass Taufpatin und Taufpate der gleichen Konfession angehören wie das zu taufende Kind.

Dass immer weniger Personen getauft werden, liegt gemäss dem Pastoralsoziologischen Institut an der Überalterung der Kirchen und in der starken Veränderung der Religionslandschaft in den letzten Jahrzehnten. Bis Anfang der Siebzigerjahre überwogen die Taufen. Seither sterben deutlich mehr Reformierte, als neue Kirchenmitglieder durch Taufen hinzukommen. Während bei den Zürcher Reformierten bereits seit 1971 ein Sterbeüberschuss existiert, wurden im Kanton Zürich bis 2001 noch mehr Katholiken getauft als bestattet. Seither gibt es auch hier einen leichten Sterbeüberschuss.

Aufgrund dieser Entwicklung werden immer häufiger Willkommensrituale und freie Taufen angeboten. Auch die Zürcherin Barbara Reich von Limmatcoaching hat sich auf konfessionsunabhängige, stimmige Willkommensrituale und freie Abschiedsfeiern spezialisiert: «Es ist mein Ziel, die passenden Worte zu finden, um das Leben und die Persönlichkeit zu würdigen. Durch die freie Taufe mit den Eltern und Paten geben wir dem kleinen Erdenbürger einen Namen, erklären dessen Bedeutung und heissen ihn mit guten Wünschen auf unserer Erde willkommen.»

 

 

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