mobile Navigation

News

Die neue Kirchgemeinde Zürich nimmt immer konkretere Formen an. Bild: PD

Mit Zwingli an die Urnen

Von: Jan Strobel

05. November 2019

Zum ersten Mal seit ihrer Gründung wählt am 17. November die neue Kirchgemeinde Zürich ihre Kirchenpflege und das Kirchgemeindeparlament. Zur Wahl aufgerufen sind 80 000 Reformierte.

Die Ausgangslage
Als sich am 1. Januar 32 Kirchgemeinden auf dem Gebiet der Stadt Zürich und der Gemeinde Oberengstringen zu einer reformierten Kirchgemeinde Zürich zusammenschlossen, war das ein historischer Schritt, die Rede war gar von einer «zweiten Reformation». Mit der Fusion entstand immerhin die grösste Kirchgemeinde Europas mit 80 000 Mitgliedern. Lediglich die Kirchgemeinden Witikon und Hirzenbach sprachen sich gegen den Zusammenschluss aus. Der Schritt kam in einem für die reformierte Kirche in der Stadt Zürich schwierigen Umfeld. Wie in der römisch-katholischen Kirche ist auch bei den Reformierten die Mitgliederzahl weiter sinkend. Heute zählt die Stadt Zürich rund 86 000 Evangelisch-Reformierte. Vor zehn Jahren waren es noch rund 119 000 gewesen. Die Mehrheit der Stadtzürcher bezeichnet sich heute als konfessionslos.

Die neue Struktur
Die neue reformierte Kirchgemeinde Zürich ist in zehn Kirchenkreise gegliedert, die wiederum sechs Wahlkreise bilden. Als Exekutive fungiert die Kirchenpflege, vergleichbar etwa mit dem Zürcher Stadtrat. Das Gremium besteht aus sieben Mitgliedern, die ihren jeweiligen Ressorts vorstehen. Die Kirchenpflege befasst sich unter anderem mit der strategischen Planung, den Zielsetzungen und ihrer Umsetzung oder mit dem Kirchgemeindehaushalt. Das Präsidium führt die Geschäftsleitung der Geschäftsstelle der Kirchgemeinde.

Beaufsichtigt wird die Exekutive vom Kirchgemeindeparlament mit seinen 45 Mitgliedern. Zu vergleichen ist es mit der Funktion des Zürcher Gemeinderats: Die Mitglieder des Kirchgemeindeparlaments bringen Postulate und Motionen ein, beraten Anträge aus der Kirchenpflege oder verabschieden die Budgets und Kredite.

Während der Konsolidierungsphase der neuen Kirchgemeinde amtete seit Beginn der Amtsdauer 2018 ein Übergangskirchenparlament, ebenso eine Übergangskirchenpflege, als deren Präsident sich aktuell noch der 58-jährige Bauingenieur Andreas Hurter engagiert, der  bei den Wahlen vom 17. November allerdings nicht mehr antritt.

Die Kandidierenden
Für die Kirchenpflege stellen sich 9 Kandidierende zur Wahl, davon 3 zusätzlich fürs Präsidium (s. Box). Für das neue Kirchgemeindeparlament sind es 49 Kandidierende, verteilt auf die sechs Wahlkreise, die sich in ihren Wahlkreisversammlungen auf je eine Liste mit empfohlenen Kandidierenden einigten. «Ausreisser» allerdings gibt es im Wahlkreis III (Aussersihl und Industrie) sowie im Wahlkreis IV (Höngg, Oberengstringen, Wipkingen, Unterstrass und Oberstrass). Hier stellen sich auch Kandidierende zur Wahl, die nicht von ihren Versammlungen portiert wurden. Die neu gewählten Gremien werden ihre Arbeit Anfang 2020 aufnehmen. Die Amtsperiode dauert bis 2022.

Die Durchmischung
Von den 49 Kandidierenden für das Kirchgemeindeparlament sind 25 Frauen. Vier Frauen wiederum kandidieren für einen Einsitz in die Kirchenpflege. Das Durchschnittsalter aller Kandidierenden liegt bei rund 52 Jahren. Zu den Jungspunden zählen die 22-jährige Studentin Sarah Oberholzer und der 24-jährige Konzertsigrist Duncan Guggenbühl, der ebenfalls einen Sitz in der Kirchenpflege anstrebt.

Diese Positionen vertreten die Kandidierenden für das Präsidium der Kirchenpflege

Michael Braunschweig
Jahrgang:
1983
Beruf:
Dr. des., Oberassistent im Ethik-Zentrum
Funktionen:
Präsident der Kirchenkreiskommission vier fünf, Mitglied des Übergangskirchgemeindeparlaments

Positionen:
Michael Braunschweig möchte einen «neuen Geist und frischen Wind» in die Kirchgemeinde Zürich bringen mit einer neuen Kultur und einem Generationenwechsel in der Kirche. Ihm schwebt eine «Mit-Mach-Kirche» vor, in der Menschen Lust bekommen, mit ihren Gaben und Talenten am Aufbau der Gemeinde mitzuarbeiten. Daneben brauche die Kirche eine Digitalisierungsstrategie, «um auch in den neuen Kommunikationswelten die frohe Botschaft des Evangeliums verkünden zu können». Die Kirchenkreise sollen möglichst die Freiheit und Möglichkeit haben, ihre Organisation und die Prozesse ihren jeweiligen Aufgaben entsprechend zu gestalten.
www.michaelbraunschweig.ch

Annelies Hegnauer
Jahrgang: 1954
Beruf: Marketingleiterin
Funktionen: Mitglied der Übergangskirchenpflege

Positionen: Seit Januar ist Annelies Hegnauer in der Übergangskirchenpflege für die Ressorts Personelles und Kommunikation verantwortlich. Die Erfahrungen der ersten Monate sollen für die Weiterentwicklung genutzt werden können. Annelies Hegnauer setzt sich für «eine selbstbewusste, mutige, profilierte, offene und solidarische Kirche» ein, welche sich  dem Evangelium der Nächstenliebe verpflichtet und nahe bei den Menschen ist. Kirchliche Heimat muss für Annelies Hegnauer in den Quartieren bleiben. Die Gemeinde soll sich zusammen mit allen Beteiligten weiterentwickeln, um für eine breitere Bevölkerungsschicht und im öffentlichen Diskurs relevant zu sein.
www.kirchenpflege.ch/praesidentin

Res Peter
Jahrgang: 1964
Beruf: Pfarrer, zuvor Lehrer und Ethiker
Funktionen: Vizedekan des Pfarreikapitels Zürich

Positionen: Res Peter, Pfarrer in Fluntern, Hottingen, Balgrist und Neumünster, hat sich drei zentralen Werten verschrieben: liberal, sozial und nachhaltig. Freiheit, Toleranz und Gemeinwohl sollen von der Kirche geteilt und gelebt werden. Die Kirche dürfe sich nicht mehr aus der Gesellschaft zurückziehen. «Es muss darum gehen, die christliche Botschaft verständlich und modern zu verbreiten, damit sie die Menschen in Zürich erreicht», sagt er. «Die Kirchgemeinde sorgt sich um diejenigen, die sonst vergessen gingen.» Sie sei auch ein Ort der Tradition, der Musik, der Kultur, der Bildung, des Gesprächs, der Debatte, des Quartiers und der Nachbarschaft. JS
www.res-peter.ch

zurück zu News

Artikel bewerten

Gefällt mir 1 ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare