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Freiwillige des Sozialwerks Pfarrer Sieber: Jessica Bohring (o. l.) und Monique Weber verteilen im "Pfuusbus" Essen an Zürcher Oberdachlose. Masken sind auch hier obligatorisch. Bilder: PD

"Pfuuszelt" und Adventfeuer

Von: Ginger Hebel

15. Dezember 2020

Die Stadt Zürich erlebt die erste Weihnachtszeit während Corona. Besonders schwierig wird es für Menschen, die einsam sind oder die Festtage in Quarantäne verbringen müssen. Kirchen und Institutionen wie das Sozialwerk Pfarrer Sieber haben innovative Konzepte erarbeitet, um das Fest zu ermöglichen.

Vor der Notschlafstelle Pfuusbus beim Strassenverkehrsamt leuchtet ein mit bunten Kugeln geschmückter Weihnachtsbaum. Er soll Freude und Zuversicht schenken in dieser dunklen, kalten Zeit. Die Obdachlosen, die hier für ein paar Stunden oder eine ganze Nacht Wärme und Zuflucht finden, freuen sich über die festliche Dekoration. Che bello! – wie schön!, ruft ein älterer Herr. Der Tessiner lebt schon lange auf Zürichs Strassen und ist dankbar, dass es eine Institution wie den Pfuusbus gibt. Er nennt ihn sein Zuhause.

Das Sozialwerk Pfarrer Sieber und seine über 300 Freiwilligen unterstützen Notleidende in der Stadt Zürich, die Nachtpatrouille sucht Obdachlose und weist ihnen den Weg in die Notschlafstelle. «Im Pfuusbus empfangen wir gegenwärtig mehr Drogenkranke als in anderen Jahren», sagt Walter von Arburg vom Sozialwerk Pfarrer Sieber. Im 17 Meter langen Sattelschlepper kann dieses Jahr wegen Corona niemand übernachten, es ist zu eng. Stattdessen haben sie ein grosses, beheiztes «Pfuuszelt» mit 35 Schlafplätzen aufgestellt. Mit Doppelstock-Betten, Einweg-Matratzen und Plexiglas-Trennwänden.

Heiligabend für Obdachlose

«Auf Händewaschen legen wir grossen Wert. Auch müssen wir unsere Gäste immer wieder darauf aufmerksam machen, dass sie die Schutzmaske ganz hochziehen, wenn sie sprechen», sagt Walter von Arburg. Personen mit Corona-Symptomen werden in einem separaten Raum isoliert und vom medizinischen Personal des stiftungseigenen Fachspitals Sune-Egge betreut. Die Weihnachtsvorbereitungen laufen auf Hochtouren. An Heiligabend wird es ein besonderes Essen geben für alle, die Hunger haben – und Geschenke. Wollsocken, Schals, Hygieneartikel. «Einige kommen, essen und gehen dann wieder», erzählt von Arburg. Viele von ihnen hätten psychische Probleme und Ängste. Trotz Kälte sind sie lieber im Freien, alleine, in ihrer eigenen Welt. Walter von Arburg: «Sie wissen aber, dass sie zurück in den Pfuusbus kommen können, wenn sie ein Dach über dem Kopf brauchen.»

Schlichte Messe

Auch die Zürcher Kirchen sind wegen Corona gefordert. Neue Ideen und Konzepte sind gefragt. Simon Brechbühler, Leiter Kirche urban bei «Katholisch Stadt Zürich», hat «Brot & Liebi» lanciert. Seit dem 1. Advent laufen die digitalen Feierlichkeiten via Zoom. «Das neue Angebot kommt sehr gut an. Wir hatten bereits bis zu 140 Online-Teilnehmende pro Sonntag», freut sich Simon Brechbühler. Das Team von Kirche urban streamt an den Adventssonntagen und an Heiligabend live aus Zürich, ein anderes Team streamt aus Berlin. «Wir bilden eine Gemeinschaft trotz örtlicher Distanz.» Es gehe darum, Gedanken auszutauschen. «Die Situation ist für uns alle schwierig, da sich kaum etwas planen lässt», sagt Marcel von Holzen, Pfarrer der Kirche Heilig Geist Höngg und Dekan für die Stadt Zürich. Aktuell sitzt er in Quarantäne – und bereitet sich daheim auf die bevorstehenden Gottesdienste vor. Sie sind aktuell auf 50 Personen begrenzt, es gelten Schutzmassnahmen wie Maskenpflicht und Abstandhalten. «Wir bieten erstmals mehrere Gottesdienste an, damit sich die Menschen über die Weihnachtsfeiertage besser verteilen», sagt von Holzen.

In Höngg beispielsweise findet eine Saalübertragung statt, damit noch mehr Leute teilnehmen können. «Die diesjährige Mitternachtsmesse wird wegen Corona schlicht gestaltet sein. Aber Weihnachten muss kein prunkvolles Fest sein. Die spirituelle Verbundenheit zählt», sagt Dekan Marcel von Holzen. Der Kirchenchor darf wegen der Viren-Verbreitung nicht singen. Doch Weihnachten ohne Stille Nacht ist für viele kein richtiges Weihnachten. In den grossen Kirchen wird deshalb eine Solistin auf der Empore singen, in kleineren Kirchen werden Weihnachtslieder instrumental gespielt und die Texte dazu vorgelesen. Auch die reformierte Kirche organisiert Videoübertragungen der Gottesdienste, darunter die Christnachtfeier an Heiligabend aus dem Grossmünster. Es finden Kurzgottesdienste in mehrfacher Wiederholung statt, für die Altersheime gibt es Lesepredigten. Vielfach ist die Anmeldung per Telefon möglich, aber auch per Mail oder ein Online-Formular.

«Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, kann unsre Nacht nicht traurig sein!», würden wir aus dem Gesangbuch (Nr. 421) singen. So summen wir es laut und halten uns daran fest, dass wir miteinander, in gegenseitiger Fürsorge und Rücksicht, die dunklen Corona-Nächte überstehen», sagt Matthias Reuter, Pfarrer und Vorsitzender des Zürcher Pfarrkonvents. Auf der Limmat brennt bis am 27. Dezember rund um die Uhr ein Hoffnungsfeuer.

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

Weitere Informationen:

Pfuusbus: www.swsieber.ch

Advent per Zoom: www.brot-liebi.ch

Online-Gottesdienste der Reformierten Kirche: www.altstadtkirchen-live.ch

Katholisch-stadtzueri.ch Webcam Hoffnungsfeuer: www.zuerich.com

 

 

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