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Beliebter Expat-Treffpunkt: Paddy Reilly’s Pub an der Talstrasse. Bild: PD

Raus aus der Komfortzone

Von: Sacha Beuth

25. September 2018

Schweizer sind unfreundlich, und es ist schwer, mit ihnen in Kontakt zu kommen. So lautet das Fazit der neusten Internations-Umfrage unter Expats. Zudem sei die Lebensqualität gesunken, was der Schweiz im Ranking Platz 44 von 68 Ländern einbrachte. Um die Situation zu verbessern, müssen Einheimische wie Expats mehr aufeinander zugehen.

Verschlossen sollen wir sein, gar unfreundlich. Und es sei schwer, mit uns in Kontakt zu kommen. So jedenfalls äusserten sich die hiesigen Expats über ihre Lebensumstände in der Schweiz in einer kürzlich erschienenen Umfrage der Plattform Internations. Selbst die Lebensqualität habe nachgelassen. Somit reicht es für unser Land 2018 nur noch für Platz 44 von 68 Nationen. 2014 war es noch Rang 4 gewesen. Das Fazit schmerzt, keine Frage. Doch wie genau äussert sich die angebliche Unfreundlichkeit? Und tragen nicht auch die Expats ihren Teil zum Resultat bei? Bemühen sie sich überhaupt um Integration, indem sie beispielsweise unsere Sprache lernen?

Nur ein Missverständnis?

Für die gebürtige Britin Christina Fryer, die über die Onlineplattform «NewinZurich» Integrations-Talks anbietet, sind Schweizer nicht per se unfreundlich. «Aber sie sind reservierter und nicht so locker drauf wie etwa Amerikaner und Engländer, was von einigen Expats meiner Meinung nach missinterpretiert wird.» Hinzu kämen kulturelle Unterschiede: «In der Schweiz ist es beispielsweise üblich, dass man sich als neuer Nachbar im Block oder Quartier den anderen Nachbarn vorstellt. In Grossbritannien oder den USA ist es genau umgekehrt.» Rose Haechler Galle, US-Expat mit Geburtsort Schweiz, ist da ein wenig kritischer: «Ich würde schon sagen, dass die Schweizer nach meiner Erfahrung und auch der einiger meiner Expat-Bekannten in dieser Beziehung Verbesserungspotenzial haben. Der Schweizer ist nicht der, der auf andere zugeht. Selbst ein banales Anlächeln wird meist befremdend zur Kenntnis genommen. Ausserdem ärgere ich mich immer wieder über diese Ellbogenmentalität. Schweizer drängeln und sind offenbar nicht in der Lage, an einem Buffet, Bankschalter oder Skilift eine anständige Schlange zu bilden.» Dimitri Burkhard vom Onlinemagazin «Newly Swissed» hält die generelle Unfreundlichkeit dagegen eher für überbewertet. «Ich habe das Gefühl, dass sich dieses Thema in der Umfrage stark niederschlug, weil es zuletzt medial sehr präsent war und darum die befragten Expats darauf besonders sensibilisiert waren.»

Bezüglich Integrationsbemühungen ergibt sich wiederum ein relativ klares Bild. «Viele Expats bleiben nur ein bis drei Jahre hier. Für die meisten macht es darum keinen Sinn, Deutsch zu lernen oder ihre Kinder in eine öffentliche Schule zu schicken. Dies gilt insbesondere für anglophone Personen, da gerade in Zürich fast jeder Englisch versteht», erklärt Fryer. Eine Aussage, die sich mit den Erfahrungen von Burkhard und Haechler decken. Letztere weist den Einheimischen eine Mitschuld am Umstand zu: «Selbst wenn Expats einen Deutschkurs besuchen, laufen sie ins Leere. Die Schweizer merken im Gespräch schnell am Akzent, dass sie es mit einem Engländer oder Amerikaner zu tun haben, und wechseln auf Englisch.» Der Engländer Ben Green, IT-Manager eines Medienunternehmens, hat dies ebenfalls bemerkt. Und noch ein weiteres Problem festgestellt. «Expats sind heute im Gegensatz zu früher dank Social Media immer besser vernetzt und nicht auf Schweizer Kontakte angewiesen. Sie können es sich in ihrer Blase bequem machen.» Für Burkhard wiederum kein Grund, sich als Zeichen des Respekts nicht mindestens Basiskenntnisse in Deutsch anzueignen.

«Merkwürdiges Ranking»

Auf generelles Unverständnis stösst die Aussage, dass die Schweiz auch an Lebensqualität verloren haben soll. «Meiner Meinung nach ist eher das Gegenteil der Fall», findet Fryer. «So haben die Geschäfte beispielsweise länger geöffnet als früher.» Auch Green kann keinen diesbezüglichen Einbruch feststellen und rät, die Umfrage nicht allzu ernst zu nehmen. Haechler hält das Ranking nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass Bahrain mit seinen Schariah-Gesetzen, Taiwan mit seiner enormen Umweltverschmutzung und Ecuador mit seiner hohen Kriminalität und Korruption auf die ersten drei Plätze gesetzt wurden, für «merkwürdig». Was man aber aus dem Resultat lernen könne sei (und auch hier sind sich alle Befragten einig), dass sowohl Expats wie Einheimische ihre Komfortzone verlassen und wieder mehr aufeinander zugehen sollten.

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