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Wer die praktische Schiffsführerprüfung ablegen will, muss sich bis September gedulden. Jetzt erobern prüfungsfreie Elektro-Boote den Zürichsee. Das Modell Shortbreak (Bild) wird in der Zürcher Manufaktur Ganz Boats gebaut. ganzboats.ch

Run auf die Bootsprüfung

Von: Ginger Hebel

25. Mai 2021

Die Pandemie sorgt in Zürich für einen Boot-Boom. Wer die praktische Schiffsführerprüfung ablegen will, muss sich bis September gedulden. Jetzt erobern prüfungsfreie Elektro-Boote den Zürichsee. 

Regen, Wind, Kälte. Dieser Frühling ist der kühlste und nasseste seit acht Jahren. Doch das tut der Stimmung auf dem Zürichsee keinen Abbruch. Die Fahrschülerinnen und Fahrschüler von Beni Winiger sitzen in gedeckten und geheizten Booten. Ihr Ziel: der Bootsführerschein. «Wegen der Pandemie planen viele Ferien daheim, auf Schweizer Gewässern. Die Zürcher wollen den See nutzen, wo er doch direkt vor der Nase liegt», sagt Winiger. Seit über 30 Jahren betreibt er die Motorboot- und Segelschule wini.ch im Hafen Wollishofen.
65 Fahrschülerinnen und Fahrschüler kann er mit seinem Team pro Saison ausbilden, über 3500 Bootbegeisterte brachte er bereits durch die Prüfung.

Lange Wartefristen

Die Schifffahrtskontrolle des Kantons Zürich in Oberrieden kann sich vor Anfragen kaum retten. In normalen Jahren beträgt die Wartezeit vor einem Prüfungstermin rund sechs Wochen. Aktuell gibt es die nächsten freien Termine für praktische Schiffsführerprüfungen erst wieder im September und für Theorieprüfungen im Juli, obwohl die Schifffahrtskontrolle ihre Prüfkapazitäten wiederholt ausgebaut habe. Letztes Jahr meldeten sich in Zürich 1917 Personen zur Prüfung an – knapp 500 Personen mehr als im Vorjahr. 1098 Personen absolvierten die praktische Motorbootprüfung (2019 waren es 927), 367 machten den Segelschein, 53 mehr als im Vorjahr. «Auch den ganzen Winter hindurch haben wir viel mehr Prüfungen abgenommen als normal, um den Rückstand aus dem Lockdown aufzuholen und die viel höhere Nachfrage zu bewältigen», sagt Severin Toberer, Mediensprecher des Strassenverkehrsamts.

E-Boote für Geniesser

«Die allgemeine Unsicherheit, auch in Bezug aufs Reisen, treibt die Leute zu neuen Ideen», sagt der Zürcher Bootsbauer Mathias Ganz. Er betreibt die Manufaktur Ganz Boats im Seefeld. In der letzten Werft der Stadt Zürich werden Motorboote von Hand gebaut. «Am Ende muss jedes Boot in jeder Situation elegant im Wasser liegen», sagt Ganz. Ruderboote, Segelboote, Motorboote; er liebt sie alle. «Auf einem Boot ist man unter sich und geniesst die Ruhe, das ist es, wonach viele Menschen in diesen Zeiten suchen.» Er schätzt die Freiheit auf dem See. Standplatz ist Mangelware Ganz baut und verkauft Boote, auch ins Ausland. «Ein eigenes Boot ist natürlich eine Kostenfrage, das wirkliche Problem in der Stadt Zürich sind aber die Standplätze», erklärt Mathias Ganz. Sie seien begehrt und äusserst knapp.

Derzeit befinden sich 1400 Personen auf der Warteliste für einen Schiffsplatz im unteren Seebecken. Die Vergabe in Häfen, an Stegen oder an Bojen erfolgt streng nach Warteliste. In der Stadt Zürich warten Bootsbesitzer nicht selten 20 Jahre auf einen Bootsplatz, in den Zürichseegemeinden können es schon mal 35 Jahre sein. Wer keinen Standplatz hat, benötigt einen Trailer, damit er das Boot nach jeder Fahrt auswassern und auf einem Binnengrundstück abstellen kann. Aus diesem Grund hätten sich Haltergemeinschaften etabliert. Um die 4300 Franken kostet eine Sharing-Mitgliedschaft bei Ganz Boats.

Aber auch E-Boote erobern den Zürichsee. «Die Technologie macht grosse Fortschritte», sagt Mathias Ganz, der den Markt genau beobachtet. «Es gibt in Europa mittlerweile viele Gewässer, die nur noch für Elektroantriebe zugelassen sind, in Amsterdam beispielsweise, aber auch Hamburg ist dran.» Im Zürichsee sind Motorboote zwar weiterhin erlaubt, «E-Boote sind gefragt, weil man sie prüfungsfrei ab 18 Jahren fahren kann.» Die Boote sind mit Assistenzsystemen ausgerüstet. Zudem seien sie nahezu geräusch- und geruchlos.

Andreas Ingold, Pächter der Bootsvermietung Enge, gehört zu den Pionieren am Zürichsee, die prüfungsfreie E-Boote aus der Ganz-Manufaktur vermieten. Mit Unterstützung der Stadt Zürich wurde dazu auch eine Schnell-­Lade-Infrastruktur geschaffen. Aber auch leistungsstärkere Motorboote laden zur Spritzfahrt. Andreas Ingold spürt die Freude der Bevölkerung am Bootfahren und hat ein neues Angebot geschaffen: Seit zwei Wochen bildet Scott Braunschweig in der Bootsfahrschule Enge künftige Kapitäne aus.

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

 

 

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