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Von Handy bis Plastikkarte: Für die E-ID sind verschiedene Datenträger möglich. Bild: PD

Staat oder Private? – die grosse Vertrauensfrage um die E-ID

Von: Sacha Beuth

02. März 2021

URNENGANG Am 7. März entscheidet das Stimmvolk auch über die Einführung eines Bundesgesetzes über elektronische Identifizierungsdienste (E-ID-Gesetz). Im Vorfeld dazu hat das «Tagblatt» SP-Nationalrätin Min Li Marti (46) und FDP-Kantonsrätin Sonja Rueff-Frenkel (48) zu einem Rededuell geladen. Erstere wirbt für ein Nein, weil die Umsetzung einer E-ID nur dem Staat und nicht auch Privaten obliege. Letztere sieht in einem Ja eine austarierte, faire Lösung, von der alle profitieren.

Bislang konnte man gut ohne eine E-ID auskommen. Logins und Passwörter reichten. Warum braucht es plötzlich einen staatlich geregelten elektronischen Identitätsnachweis?

Min Li Marti: Die E-ID liefert den Identitätsnachweis im virtuellen Raum. Sie übernimmt dabei die Funktion, die heute ein Ausweis hat. Wer einen Beitreibungsregisterauszug braucht, muss entweder an den Schalter und sich ausweisen, oder einen Tag warten, bis die Identität überprüft wird. Das könnte durch eine E-ID vereinfacht werden. Weil die E-ID Ausweisfunktionen hat, ist auch logisch, dass diese durch den Staat herausgegeben werden müsste und nicht gewinnorientierte Private. Ich bin darum gegen diese privatisierte E-ID.
Sonja Rueff-Frenkel: Es stimmt, dass wir lange ohne E-ID auskommen konnten. Doch gerade in den letzten zehn Jahren hat die Digitalisierung einen enormen Schub gemacht. Wir bewegen uns immer häufiger online. Jetzt ist es allerhöchste Zeit für eine Regelung, auch aus Datenschutzgründen. Und es ist auch eine praktische Lösung. Man braucht nicht Dutzende Logins und Passwörter, um sich digital auszuweisen, sondern nur die E-ID.

Ein Login und ein Passwort statt mehreren Dutzenden klingt verlockend, bringt aber laut Experten auch Sicherheitsnachteile mit sich. Was, wenn der E-ID-Datenträger geklaut wird, verloren geht oder die Daten gehackt werden?

Rueff-Frenkel: Einerseits kann dies ja schon heute passieren. Andererseits schreibt das Gesetz vor, dass gerade wegen der Sicherheitsbedenken Nutzer- und Identitätsdaten getrennt werden. Das heisst Name, Geburtsdatum oder Geburtsort verbleiben beim Staat und der E-ID-Anbieter erhält lediglich eine Bestätigung, dass die gemachten Angaben korrekt sind. Natürlich garantiert auch diese Vorgehensweise keinen absoluten Schutz. Wer Sicherheitsbedenken oder andere Zweifel hat, kann immer noch den analogen Weg wählen. Eine E-ID erstellen zu lassen, ist ja freiwillig. Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass die Sicherheit an anderer Stelle erhöht wird. Anders als jetzt hat das virtuelle Gegenüber die staatliche Garantie, dass ich auch ich bin, wenn ich mich über die E-ID einlogge.
Marti: Wir müssen aufpassen, dass es hier kein Durcheinander gibt. Die E-ID dient der Identifizierung – wie ein Ausweis. Ein Login dient der Authentifizierung mit Benutzername und Passwort. Die E-ID kann mit einem Login kombiniert werden. Aber die E-ID ersetzt nicht alle anderen Logins. Ausländische Anbieter wie Facebook oder Zalando oder Amazon werden kaum eine Schweizer E-ID fürs Login einsetzen, ebensowenig kleinere Anbieter in der Schweiz. Die Gefahr des Identitätsdiebstahls ist durchaus real, vor allem, die vorgeschlagene Lösung eine zentrale Datenbank zulässt. Besser wäre eine dezentrale Lösung, die Daten also beim jeweiligen E-ID-Nutzer bleiben. Ein weiteres Problem ist, dass das Gesetz dem Nutzer oder der Nutzerin die Sorgfaltspflicht aufbürdet.

Die Nutzung der E-ID soll zumindest anfangs freiwillig sein. Gegner befürchten aber, dass diejenigen ohne E-ID etwa bei Anträgen nach amtlichen Dokumenten benachteiligt werden und so in dieser Beziehung eine Gefahr einer Zweiklassengesellschaft besteht. Zu Recht?

Marti: Die sogenannte Freiwilligkeit wird ist eine Pseudofreiwilligkeit. Wenn die einzige Alternative zur E-ID ein Gang an den Schalter ist und gleichzeitig die Öffnungszeiten von Ämtern, Banken oder der Post immer kürzer und unattraktiver werden, dann wird man defacto gezwungen eine E-ID zu verwenden. So hat der Kanton Bern bereits angekündigt, dass er viele Amtsschalter schliessen will, wenn die E-ID eingeführt wird.
Rueff-Frenkel: Einer Minderheit, die nie gelernt hat, sich digital zu bewegen, wird dies zu schaffen machen. In 20 Jahren ist das aber kein Thema mehr. Abgesehen davon wird dieses Szenario unabhängig davon eintreten, ob es nun eine rein staatliche oder eine privatwirtschaftliche Lösung für die E-ID geben wird.

Warum soll die Herstellung und Verwaltung eines derart sensiblen Datensets Privaten anvertraut und nicht einzig dem Staat vorbehalten werden? Schliesslich wird die Verwaltung der Steuerunterlagen auch nicht McKinsey übertragen.

Rueff-Frenkel: Wir haben bereits jetzt schon Bereiche, in denen Private vermeintlich staatliche Aufgaben ausführen – und das gut machen. Ich erinnere etwa an das Notariatswesen, das in vielen Kantonen privat organisiert ist. Wenn wir die Entwicklung und Verwaltung einer E-ID komplett dem Staat überlassen, heisst das nicht, dass es dann sicherer wird. Zumal der Staat im Moment gar nicht in der Lage ist, die nötige Technologie dazu zu entwickeln. Er müsste alles von Grund auf aufbauen, während die nötige Infrastruktur und das Knowhow in der Privatwirtschaft bereits vorhanden ist.
Marti: Es ist eine der grossen Mythen, dass der Staat grundsätzlich keine IT kann. Dessen Flops machen einfach mehr Schlagzeilen als die der Privaten. Ich bin auch nicht der Meinung, dass der Staat alles selber machen muss. Er steht aber dort in der Pflicht, wo es sich um eine öffentliche Aufgabe handelt und wo es keinen Wettbewerb gibt. Ersteres ist unbestritten und Letzteres fehlt, da der Swiss Sign Group (der Firma gehören u. a. SBB, Post, Swisscom, Banken, Versicherungen und Krankenkassen an, die Red.) mit ihren 1,7 Millionen Kunden schon jetzt eine marktdominierende Stellung in diesem Bereich zukommt, so dass die Konkurrenz bei einer Vergabe gar nicht mithalten kann.

Wenn Private ihre Dienste anbieten oder etwas produzieren, steht der Profit im Vordergrund. Besteht somit nicht die Gefahr, dass eine E-ID für den Nutzer / Kunden viel teurer wird, als wenn sie der Staat herstellen und verwalten würde?

Rueff-Frenkel: In Bern fällt das Geld auch nicht einfach vom Himmel. Wäre der Staat hier alleine in der Verantwortung, würde das Projekt über Steuern finanziert. Das heisst, es bezahlt auch der, der gar keine E-ID will. Und da die Löhne in der IT bei Privaten wahrscheinlich tiefer sind als beim Staat, glaube ich auch nicht, dass eine private Lösung teurer ausfallen wird.
Marti: Jeder wird die Kosten für die E-ID zahlen müssen, entweder direkt als Gebühr oder indirekt via Gemeinde oder Kanton, der die Dienstleistung nutzt. Der Unterschied ist aber, dass ein privates Unternehmen gewinnorientiert arbeiten muss, während die öffentliche Hand keinen Gewinn machen darf.

Als mögliche E-ID-Anbieter kommen auch ausländische Firmen in Frage. Der Gedanke, dass ein chinesisches, russisches oder amerikanisches Unternehmen private Daten von Schweizern verwaltet, dürfte für viele wenig erfreulich sein.

Marti: Der Witz ist ja, dass die Befürworter des Gesetzes immer mit Google und Facebook kommen, dabei ist im Gesetz nicht ausgeschlossen, dass sich auch ausländische Firmen als E-ID-Anbieter bewerben können.
Rueff-Frenkel: Genau darum ist ein Ja zur Vorlage so wichtig. So können wir wenigstens bei einem Teil unserer Daten mitbestimmen, wer sie wie verwaltet. So bleiben die Nutzerdaten einer E-ID nur sechs Monate erhalten und werden nachher vernichtet. Bei einem Nein bleibt dagegen alles beim Alten, sprich: Wildwuchs.

Sind die Warnungen andererseits nicht einfach übertrieben? Schliesslich stellt die Mehrzahl der Bevölkerung bereits jetzt ihre Daten Privaten freiwillig zur Verfügung.

Rueff-Frenkel: Dass viele trotz Angst vor Missbrauch ihre Daten überall preisgeben – ob bei Migros oder Apple – erscheint schon schizophren. Trotzdem ist Vorsicht angebracht. Allerdings nicht nur gegenüber Privaten, sondern auch gegenüber dem Staat. Auch er soll nicht alles über mich wissen, etwa wo ich was einkaufe oder wie viel ich mich im Internet bewege.
Marti: Vielleicht ist der zuvor eher sorglose Umgang mit den Daten der Grund, warum man nun zur Vorsicht mahnt. Diese Gefahr besteht auch hier. Etwa indem der private Anbieter dem E-ID-Kunden einen Rabatt anbietet, wenn er doch dessen Daten nutzen darf.
Rueff-Frenkel: Das läge in der Entscheidungsfreiheit eines mündigen Bürgers. Die grössere Gefahr sehe ich bei einer rein staatlichen Lösung darin, dass der Staat plötzlich die Nutzung der E-ID nicht mehr als freiwillig, sondern als Pflicht taxieren könnte.

Kurz zusammengefasst: Warum muss das neue E-ID-Gesetz unbedingt angenommen beziehungsweise unbedingt abgelehnt werden?

Rueff-Frenkel: Man muss es annehmen, weil es eine austarierte und faire Lösung bietet, mit der Identitäts- und Nutzerdaten klar getrennt werden. Und weil bei einem Nein die Problematik weiter bestehen bleibt.
Marti: Man muss das Gesetz ablehnen, denn nur ein Nein ermöglicht eine bessere Lösung mit einer E-ID, die staatlich, sicher und datensparsam ist. Und mit der gewinnorientierte Firmen nicht Geld auf Kosten der Bürger verdienen.

Die wichtigsten Infos zum E-ID-Gesetz

Ausgangslage:
Um online Artikel zu erwerben oder Dienstleistungen (Bankkonto eröffnen, amtliches Dokument anfordern) beziehen zu können, ist es immer öfter erforderlich, sich zu identifizieren. Auch Behörden setzen immer mehr auf Online-Angebote (zum Beispiel elektronische Wahlen / Abstimmungen). Meist geschieht die Identifizierung durch Logins und Passwörter. Allerdings gab es in der Schweiz dazu bislang kein einheitliches und gesetzlich geregeltes Verfahren. Deshalb haben Bundesrat und Parlament ein Gesetz ausgearbeitet als Grundlage für eine vom Bund anerkannte elektronische Identität, die E-ID. Diese besteht aus einem geeigneten Datenträger (Handy, Kundenkarte mit Chip, USB-Stick et cetera) und enthält ein Set von Personalien (Name, Vorname, Geburtsdatum, gegebenenfalls weitere Daten), die der Staat geprüft und verifiziert hat. Gegen dieses Gesetz wurde das Referendum ergriffen, weshalb es darüber am 7. März zu einer eidgenössischen Volksabstimmung kommt.

Die Vorlage zusammengefasst / so funktionierts:
Das neue Gesetz regelt, wie Personen im Internet mittels der E-ID eindeutig identifiziert werden, damit sie Waren oder Dienstleistungen einfach und sicher online bestellen können. Sie dient jedoch nicht als Reisepass. Die E-ID ist freiwillig. Die technische Umsetzung der E-ID überlässt der Bund anerkannten Anbieterinnen. Das können Unternehmen, Kantone und Gemeinden sein. Diese kontrolliert der Bund regelmässig auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, namentlich des Datenschutzes. Wer eine E-ID will, stellt zuerst bei einer vom Bund anerkannten E-ID-Anbieterin einen Antrag. Die Anbieterin übermittelt den Antrag an den Bund, der die Identität der antragstellenden Person prüft und der Anbieterin grünes Licht für die Ausstellung der E-ID gibt. Bei der Ausstellung und der Nutzung der E-ID fallen wie bei jedem Identifizierungsverfahren persönliche Daten an. Diese Daten dürfen bis zu sechs Monate gespeichert, jedoch von der Anbieterin weder an Dritte weitergegeben noch für einen anderen Zweck genutzt werden. Nutzerinnen und Nutzer einer E-ID haben online Zugang zu ihren Daten und können so selber bestimmen, wer ihre Daten erhält.
Bundesrat, National- und Ständerat befürworten mit deutlicher Mehrheit die Einführung des Gesetzes. Auch viele Wirtschafts- und Hightechverbände sowie bürgerliche Politiker werben für ein Ja. Für ein Nein setzen sich die Digitale Gesellschaft (Schweiz), mehrere weitere gemeinnützige Institutionen, mehrere Gewerkschaften sowie eine Mehrheit von Linksgrün ein.

Das sagen die Befürworter des Gesetzes:
Vieles wird heute über das Internet abgewickelt. Darum sei es wichtig, dass man sich auch online sicher ausweisen könne. Das von Bundesrat und Parlament verabschiedete Gesetz schaffe die Grundlage dafür. Die Übertragung der Herstellung und Verwaltung (auch) an Private ermögliche es, schneller und flexibler auf die sich verändernden technischen Möglichkeiten und auf die Bedürfnisse der Konsumentinnen und Konsumenten zu reagieren.

Das sagen die Gegner des Gesetzes / das sagt das Referendumskomitee:
Laut dem Komitee würde mit dem neuen Gesetz ein amtlicher Ausweis kommerzialisiert. Und wenn private Anbieter die sensiblen Daten herausgeben und verwalten, sei die Gefahr von Datenmissbrauch und Monopol hoch. Zudem hätte man dann keinerlei Kontrolle, was die Preise für die Nutzer beträfe. Die Herausgabe von Identitätsausweisen müsse darum in staatlicher Verantwortung bleiben.

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