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Nenad Mlinarevic führt mit seinem Team nicht nur verschiedene Betriebe in der Stadt. Er hat auch ein Koch-Atelier im Seefeld, eine Experimentier-Küche. Bilder: Lukas Lienhard

Starkoch Nenad: Wichtiger als Kreativität ist Konstanz

Von: Ginger Hebel

17. Januar 2023

Der Stadtzürcher Nenad Mlinarevic gehört zu den erfolgreichsten Schweizer Köchen. Er hat mit seinem Team das Traditionslokal Neumarkt in der Altstadt übernommen und führt bald vier Restaurants in Zürich. Im Herbst eröffnet das nächste Grossprojekt am Hauptbahnhof. Stillstand? Unvorstellbar! 

«Essen muss Spass machen und gut schmecken», sagt Nenad Mlinarevic und würzt die Saibling-Filets. Von fader Küche hält der Zürcher Topkoch wenig. Sein Credo: mutiger abschmecken. Er mag gut ausbalancierte Speisen, ein stimmiges Verhältnis von Schärfe und Säure. In praktisch all seinen Gerichten finden Kräuter Verwendung, Kräuteröle oder einheimische Wildkräuter von der Rigi – und Salz. «Salz gehört als Geschmacksträger einfach dazu», ist er überzeugt.

Nenad hat das geschafft, wovon viele Köche träumen. 2016 wurde er zum Koch des Jahres gekürt. Nach erfolgreichen Jahren im Restaurant «Focus» (18 Punkte, 2 Sterne) im FünfSterne-Parkhotel Vitznau am Vierwaldstättersee kehrte er in seine Heimatstadt Zürich zurück. Er arbeitete einige Zeit als Freelancer und eröffnete Pop-ups wie die «Stadthalle» oder später den «Leuehof» – szenige Restaurants, die kommen und gehen und sich in der Gastro-Stadt Zürich grosser Beliebtheit erfreuen. Sie brachten ihm Erfolg, Bekanntheit und neue berufliche Chancen.

Im November hat er zusammen mit seinem Geschäftspartner Valentin Diem (er hält den Kollegen an der Front den Rücken frei) den traditionsreichen Neumarkt im Niederdorf übernommen. Mit Herzblut widmen sie sich der gutbürgerlichen Schweizer Küche. Das ehemalige Team, das die Wirtschaft ein Vierteljahrhundert mit Leidenschaft und Tatendrang führte, gab Ende Dezember 2021 auf – wegen eines Lärmstreits mit Theater und Stadt. Die enttäuschten Stammgäste wollten es nicht wahrhaben, dass ein Stück Heimat verloren geht. Hinzu kam die Sorge, dass die Miteinander-Kultur, die das Altstadt-Quartier auszeichnet, bröckelt, wenn immer mehr Traditionslokale aus dem Stadtbild verschwinden. Nach der überraschenden Schliessung schrieb die Stadt Zürich den Betrieb zur Vermietung aus – der Zuschlag ging an Nenad Mlinarevic und sein Team. «Wir sind sehr gut gestartet und freuen uns, auch ehemalige Stammgäste bei uns begrüssen zu dürfen.» Der 42-Jährige kann es kaum erwarten, bis es wieder wärmer wird und sie den grossen Garten im Innenhof eröffnen, wo unter anderem Sonntags-Brunches stattfinden.

Nenad legt viel Wert auf Zusammenhalt. Er arbeitet eng mit Bauern, Produzenten und Lieferanten aus dem Kanton Zürich und der Umgebung zusammen. Wenn immer möglich, bevorzugt er regionale Produkte und auch solche, die der Handel zurückweist, wie unförmiges Gemüse. Er verwendet aber auch Zimt und Vanille und im Winter Jakobsmuscheln aus Norwegen. Hauptsache der Geschmack und die Qualität stimmen. Derzeit auf der Karte: Saibling-Filets mit Muskatkürbis. Hottinger Zunftwurst mit Lyoner Kartoffeln und grünen Bohnen. Gebratener Fleischkäse mit Spiegelei. Aber auch vegetarische Capuns mit Pilzen, Bergkäse und gerösteten Zwiebeln. «Wir servieren, was auch wir Köche daheim gerne essen.»

Dass er Koch wurde, war Zufall. Sein Vater – Einwanderer aus Serbien und Bahnführer der Dolderbahn – kannte den Küchenchef des Dolder Waldhaus und vermittelte seinem Sohn eine Schnupperlehre. Nenad war begeistert von der Atmosphäre in der Küche. Diese besondere Dynamik gefiel ihm. In den Schulferien absolvierte er Praktika in Spitzenlokalen in Europa, darunter im berühmten Noma in Kopenhagen, das mehrmals zum weltbesten Feinschmecker-Lokal erklärt wurde und nächstes Jahr schliessen soll – eine Entscheidung aus wirtschaftlichen Zwängen. Später verdiente sich Nenad in den renommiertesten Restaurants seine Sporen ab, kochte im Mesa in Zürich und stand mit Andreas Caminada hinterm Herd. Unvergessen bleibt ihm dessen freundschaftlicher Führungsstil und sein Perfektionismus, der ihn so weit gebracht hat. «Auch sein Wille, voranzugehen, hat mich immer sehr beeindruckt.»

Geradlinige, unkomplizierte Küche

Sein Weg, sagt Nenad, sei nicht geplant gewesen. Während seiner Zeit als Küchenchef im Parkhotel Vitznau habe er nicht darauf spekuliert, eines Tages eine kleine Gastro-Gruppe zu erschaffen. Der Titel «Koch des Jahres» habe ihm jedoch neue Möglichkeiten eröffnet, dafür sei er dankbar. Er hat ein funktionierendes Netzwerk aufgebaut, von dem er heute mehr denn je profitiert. Doch so gerne er am Vierwaldstättersee gearbeitet hatte, mit der Zeit sei ihm bewusst geworden, dass er nicht für immer im gehobenen Rahmen eines Luxusrestaurants tätig sein möchte. «Ich ging durch eine Sinnkrise und musste mir Gedanken darüber machen, was ich wirklich möchte und was mir guttut.» Er wollte einen Ort schaffen, der zugänglich ist. Gerichte kochen, die sich ein breiteres Publikum leisten kann. Eine unkomplizierte, geradlinige Küche. Weg von weissen Tischtüchern und steifem Service. Er ist überzeugt: «Wichtiger als Kreativität ist Konstanz. Auch ich bin mal müde, aber dann fokussiere ich mich und motiviere mich selber, das gelingt mir meistens gut.»

Qualität in allen Lebensbereichen

In der Küche im Restaurant Neumarkt läuft laute Musik. Die Atmosphäre ist unverkrampft. Die Jungs brutzeln am Herd, reden, lachen. «Wir haben es gut zusammen. Die Arbeit ist natürlich auch streng, aber es ist ein positiver Stress», sagt Nenad Mlinarevic. Er trägt schwarze Jeans und schwarze Shirts. Kompromisslos. Tattoos zieren seine Haut. Er gehört zu den Köchen einer modernen Generation. Mit seiner lässigen, offenen Art inspiriert er den Nachwuchs. Immer wieder erhält er Bewerbungen von jungen Köchen, die in ihm ein Vorbild sehen. «Sie sagen: Ich will so werden wie du! Das schmeichelt mir natürlich.» Viele hätten heute nicht mehr nur den Anspruch, das grosse Geld zu verdienen und Punkte zu sammeln, «sie wollen Erfahrungen machen und dabei Spass haben». Obwohl Nenad ein verlässliches Team aufgebaut hat, steht er immer noch selber am Herd und kocht, weil er das gerne tut. Derzeit arbeitet er von früh bis spät in der Küche des Neumarkts. So lange, bis alles eingespielt ist, er ein neues Projekt in Angriff nimmt und weiterzieht.

Mit seinem Team führt er bereits das über 100 Jahre alte Traditionslokal Bauernschänke (15 Gault-Millau-Punkte) sowie das innovative Gemüserestaurant Neue Taverne (16 Punkte, ein Stern). Alle Lokale befinden sich mitten in der Stadt. «Wir fühlen uns wohl im Kreis 1.» Das Ambiente einer Quartierbeiz haben sich die Restaurants bewahrt. Wenn er nicht gerade in seinen Restaurants arbeitet, ist Nenad Juror in der Kochsendung Masterchef Schweiz und immer mal wieder für Dreharbeiten unterwegs. Im Seefeld führt er das Koch-Atelier, eine Experimentier-Küche mit dem Fokus auf Fine-Dining-Events im exklusiven Rahmen. Auch Caterings für Kundenanlässe, Firmenfeiern und Geschäftseröffnungen stehen auf dem Programm.

Aufgewachsen in Zürich-Hottingen, lebt er heute mit seiner Frau in Zollikon. Berufsbedingt sehen sie sich manchmal eher selten, denn beide sind engagiert, dafür geniessen sie die gemeinsame Zeit umso mehr. Sie teilen die Liebe fürs Rennvelo und verreisen gerne. «Ich mag Qualität in allen Bereichen und lege Wert auf schönes Wohnen und gute Hotels», sagt der 42-Jährige. Dabei hat er nicht das Gefühl, alles, was er erlebt, mit anderen teilen und kommentieren zu müssen. Auf sozialen Netzwerken tummelt er sich dementsprechend eher selten. «Vielleicht müsste ich manchmal noch mehr posten, aber ich geniesse schöne Momente lieber für mich.»

Bald vier Restaurants in der Stadt

Er sagt von sich selbst, dass er ein dynamischer, unruhiger Typ sei. Jahrelang am selben Ort arbeiten, das würde ihn auf Dauer nicht glücklich machen. Seine innere Stimme treibt ihn weiter und animiert ihn dazu, Vollgas zu geben. Ideen hat er viele. So könnte er es sich gut vorstellen, eines Tages weitere Lokale zu eröffnen, ein Fischlokal oder eine italienische Beiz. Bald wird er in der Stadt Zürich vier Lokale führen. Im November eröffnet er das nächste Grossprojekt: die Brasserie Süd im Zürcher Hauptbahnhof. Der 1871 errichtete Südtrakt ist der Dreh- und Angelpunkt zwischen Bahnhofstrasse und Hauptbahnhof. Seit 2018 läuft die Generalsanierung. An der früheren Lage des Da Capo entsteht auf 370 Quadratmetern und mit Blick auf den Bahnhofplatz die Brasserie Süd mit klassischen Bistro-Gerichten. Im April beginnt der Innenausbau. «Ich bin sehr dankbar dafür, wie gut alles läuft. Es ist schön, dass mein Team und ich die Möglichkeit haben, in der Stadt Zürich gastronomisch etwas zu bewegen.»

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