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2016 hatte der Stadtrat die nächtliche Schliessung von Friedhöfen aufgehoben. Noch bis Frühling 2021 befanden sich an den Eingängen zum Friedhof Sihlfeld Öffnungszeiten, danach wurden sie entfernt. (Bild: QV Wiedikon)

Stillstand ohne Stille

Von: Jan Strobel

21. Juli 2022

Der Entscheid über eine nächtliche Schliessung des Friedhofs Sihlfeld liegt seit Februar beim Verwaltungsgericht. Ein freisinniger Gemeinderat übt Kritik. 

Wenn Flurin Capaul, Gemeinderat der FDP Kreis 3, an die aktuelle Stadtpolitik denkt, dann umschreibt er sie mit einem Adjektiv: «inkonsequent». Im Blick hat Capaul mit seinem Verdikt dabei Entwicklungen im eigenen Quartier, konkret rund um die seit Jahren schwelende und ungelöste Debatte um die Nutzung des Friedhofs Sihlfeld. Im vergangenen Januar hatte der Bezirksrat Zürich eine nächtliche Schliessung des Friedhofs ab spätestens 20 Uhr verfügt. Für einen Privatkläger, aber auch für den Quartierverein Wiedikon und Anwohner war das ein Etappensieg. Sie hatten sich vehement gegen die durchgängigen Öffnungszeiten des Friedhofs gewehrt. Die ausgedehnten Grünanlagen, so ihr Vorwurf, verkämen immer mehr zu einem Treffpunkt für Sex, Drogenhandel und Partys. Der Stadtrat hingegen wollte den Entscheid des Bezirksrats nicht hinnehmen und reichte im Februar Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein.

Eine zu grosse Freiheit?

Seither herrscht in der Causa Friedhof Sihlfeld Stillstand. Zum laufenden Verfahren nimmt die Stadt derzeit keine Stellung. Dass der Stadtrat den Entscheid des Bezirksrats nicht umsetzen will und ein weiteres Vorgehen nun beim Verwaltungsgericht verzögert wird, findet Gemeinderat Flurin Capaul stossend. «Generell störe ich mich, dass sich der Bürger an zwingende Fristen halten muss bei juristischen Auseinandersetzungen, die Gerichte aber grosse Freiheit in der Bearbeitungsdauer geniessen», sagt er. «Ich bin schon geschädigt von den Rekursen rund um das Stadion Hardturm. Da wurde ein demokratischer Entscheid knapp zwei Jahre verzögert für nichts.» Als «inkonsequent» empfindet Flurin Capaul das Vorgehen der Stadt in einem ganz spezifischen Kontext. Forderungen einer Gruppierung, als störend empfundene «Mohr»-Inschriften in der Altstadt zu entfernen, sollen möglichst sofort umgesetzt werden; «die Forderung der Gruppierung von Grabbesuchenden, die sich am teilweise pietät- und würdelosen Verhalten auf dem Friedhof Sihlfeld stört, nimmt man hingegen nicht ernst. Man ficht sogar die vom Bezirksrat geforderte nächtliche Schliessung an», moniert Capaul.
Der Stadtrat hingegen möchte einerseits die Kernnutzung des Friedhofs für eine pietätvolle Nutzung schützen, gleichzeitig aber eine dem Ort angemessene Erholungsnutzung gewährleisten. Eine nächtliche Schliessung sei nicht zielführend und nicht angebracht, um vorhandenen Problemen entgegenzuwirken. Die Stadt habe bereits seit Herbst 2020 Massnahmen ergriffen, um den Friedhof als einen Ort der Einkehr und Trauer zu schützen.

Der FDP-Gemeinderat hat die Hoffnung, dass die juristische Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine sein wird, die dem Friedhof Sihlfeld diene. Sollte das Verwaltungsgericht die Beschwerde der Stadt gutheissen, liege es am Privatkläger, ob er das Urteil akzeptiere oder den Fall weiterziehen wolle.
Kürzlich kam bei Flurin Capaul während eines Spaziergangs durch den Friedhof Sihlfeld erneut Ärger auf: «Eine Dame trauerte an einem frischen Grab mit Holzkreuz im südwestlichen Teil des Friedhofs. Auf der Wiese nebenan, keine 50 Meter entfernt, liess ein junger Mann einen Modellflieger steigen. Als ich ihn bitten wollte, das zu unterlassen, verliess er blitzartig den Ort. Solches Verhalten ist für mich einfach pietätlos und hat auf einem Friedhof nichts verloren.»

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