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Der Viertelstundenschlag der Kirche Guthirt in Wipkingen raubt so manchem Anwohner den Schlaf. Bild: SWE
Störfaktor Glocken
Von: Stine Wetzel
Die Kirche Guthirt in Wipkingen ist eine der Kirchen in Zürich, die nachts noch jede Viertelstunde die Glocke schlagen lässt. Während einige Nachbarn um ihre Nachtruhe kämpfen, verteidigen andere den Glockenschlag.
Familien seien schon weggezogen, weil sie von den Glocken geweckt worden seien. Manche Anwohner können nur mit Ohropax schlafen. Die Glocke der Römisch-Katholischen Kirche Guthirt in Wipkingen kostet mit ihren Viertelstunden- und Stundenschlägen einige im Quartier den Schlaf. Corinne Jeisy ist eine von ihnen. «Ich will im Sommer mit offenem Fenster schlafen können. An der Tradition festzuhalten, finde ich ignorant und stur.» Sie fordert eine Reduktion der Glockenschläge zwischen 22 und 7 Uhr, zumindest im Sommer. Viele Zürcher Kirchen setzen die Glockenschläge in der Nacht ganz aus, etwa die Reformierte Kirche Wipkingen.
«Nächtliche Glockenschläge sind weder erwünscht noch befohlen. Jede Kirchgemeinde ist autonom und kann die Handhabe selbst entscheiden», sagt Simon Spengler, Sprecher der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. «Der Viertelstunden- oder Stundenschlag hat aber nichts mit dem Glauben zu tun.» In vielen Gemeinden haben die nächtlichen Zeitschläge zu Streitereien geführt. Beispielsweise in Wädenswil. Letztes Jahr hat das Zürcher Verwaltungsgericht dort den Viertelstundenschlag in der Nacht wegen einer Lärmklage verboten. Die Kirchenpflege akzeptierte das Urteil nicht. Der Fall ist beim Bundesgericht noch immer hängig.
Jeder Schlag ein Frust
Die Kirchenpflege der Stadtpfarrei Guthirt liess sich auf die Diskussion um den Viertelstundenschlag ein. Am vergangenen Sonntag sollte die Kirchgemeindeversammlung eigentlich darüber abstimmen. Doch vorerst bleibt alles beim Alten, denn die Abstimmung musste wegen eines Formfehlers zurückgezogen werden.
Zur Diskussion wurde das Thema dennoch freigegeben: Der Zeitschlag möge zwar nicht nötig sein, spende aber Trost, wenn man eine schlaflose Nacht im Waidspital verbringe, hiess es. Man brauche den Schlag nachts, um zu wissen, wie spät es sei. Man liebe die Glocken als christliche Tradition. Aber auch: Man könne wegen der Glocken kaum schlafen. Jeder Schlag sei ein Frust, wenn man Schlafprobleme habe. Familienmitglieder blieben schon gar nicht mehr über Nacht wegen des Lärms, den die Glocke jede Viertelstunde mache.
Warten auf Kompromiss
Bei der Debatte geht es aber nicht um persönliche Befindlichkeiten. Im Kanton gibt es laut einer Schätzung 25 000 Menschen, die im 150-Meter-Umkreis von einer Kirche entfernt leben – und damit einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind. Eine ETH-Studie von 2011 untersuchte die Wirkung von Glockenlärm auf den Schlaf. Die Grenzwerte für Verkehrslärm liegen in der Nacht zwischen 50 bis 55 Dezibel. Zeitschläge von Kirchen verursachen zwischen 54 und 62 Dezibel. Guthirt-Nachbarin Corinne Jeisy hat auf eigene Faust die Lautstärke der Glocken gemessen. Beispielsweise kam sie bei einer Messung um 23 Uhr auf 71 Dezibel. Laut der Studie treten Schlafstörungen schon ab 40 Dezibel auf.
In der ETH-Studie wird empfohlen, die Schläge nachts entweder aufzuheben oder zumindest die Lautstärke zu dämpfen – wie in der Kirche St. Peter und dem Fraumünster. In der Kirche Guthirt könne man momentan aus technischen Gründen weder das eine noch das andere, erklärte Kirchenpflegepräsident Lukas Tschopp am Sonntag. Nächstes Jahr wird die Kirche aber für 10 Millionen Franken saniert. Dann soll das Schlagwerk so ausgebaut werden, dass die Reduktion und das Aussetzen des Glockenschlags technisch möglich sind. Die Kirchenpflege habe den Handlungsbedarf erkannt und werde die Reduktion der Glockenschläge nun diskutieren, so Tschopp.
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Leserkommentare
Lukas Tschopp - Gerne möchte ich darauf hinweisen, dass wir von der Kirchenpflege Frau Jeisy explizit einluden, damit Sie Ihr Anliegen uns und der Kirchgemeinde persönlich vortragen konnte. Wir suchten den Dialog proaktiv, damit wir im offenen Gespräch die Meinungen aller
mehr anzeigen ... Betroffenen persönlich erfahren konnten. Und das war der Fall. Für den offenen und authentischen Austausch in einem sehr entspannten und konstruktiven Rahmen möchte ich mich bei allen Anwesenden von Herzen bedanken. In einer Zeit wo Polemik überschwappt, ist es höchst erfreulich erleben zu dürfen, dass Menschen mit verschiedensten Meinungen einander zuhören wollen; dies mit Respekt und Empathie – bei einem hochemotionalen Thema. Sie waren alle „sau-cool“! Chapeau. Wir haben auch deutlich gespürt, dass Handlungsbedarf besteht und das ist gut so. Ich habe auch erfahren, dass unser Entgegenkommen allseits geschätzt wurde. So hoffe ich nun, dass nicht-Anwesende und "Unwissende" versuchen, mit ihren Voten, unnötig "Staub aufzuwirbeln", wo es keinen gibt. Wir sind dran und werden den Weg nun gemeinsam mit dem "Kern der Anwesenden", also denen, die sich die Zeit nahmen an einem Sonntagmorgen das Gespräch zu suchen, weiterzugehen.
Herzlich Lukas Tschopp, Kirchenpflegepräsident Guthirt
Barbara Dahortsang - Es gibt im Quartier andere Geräuschemissionen als die Kirchenglocken, die ich viel störender finde.
Die Guthirtglocken haben einen sehr schönen, reinen Klang. Glocken sind kein gewöhnlicher "Lärm". Andere Nachbarn die sogar näher dran wohnen,
mehr anzeigen ... stören sich weniger.
Ich finde, man müsste auch bei sich selbst schauen, was es ist, wenn etwas einen so sehr stört, anstatt in so eine Gesundheitspolitik und einen Quartieraktionismus zu verfallen.
Die Glocken nachts ganz abschalten finde ich nicht wünschenswert. Wenn man den Schall nachts etwas dämpfen könnte, fände ich dies als Rücksichtnahme auf eine einzelne Person schon sehr gut. Ich kann aus vielen Gründen nicht einfach umziehen, wie mir jeweils geraten wird, wenn ich an Lärm aus Nachbarschaft und Quartier leide. Frau Jeisy hingegen scheint mir voll im Leben zu stehen und könnte sehr wohl an einen Wohnungswechsel denken, finde ich, wenn die Kirche sie so sehr stört. Vielleicht könnte auch die Kirchgemeinde ihr helfen, eine geeignete Wohnung zu finden.
Die Glocken nachts etwas zu dämpfen finde ich dennoch eine sehr gute Idee. Dann gibt es keine Diskussionen mehr wegen Dezibel. Was für Dezibel der Quartierverein jeweils produziert, so dass ich im Sommer jeweils tagelang mit den Nerven fertig bin, das erwähnt man wohl besser nicht. Absurd, dass er jetzt ausgerechnet für Frau Jeisy eintritt. (Sorry, ich hoffe, das wirbelt jetzt nicht zuviel Staub auf.)