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Sind sich über die Velorouten-Initiative uneinig: Simone Brander (SP) und Derek Richter (SVP). (Bild: SAG)

Streit um geplante Velorouten

Von: Christian Saggese

01. September 2020

Am 27. September stimmen die Zürcher über eine 50 Kilometer lange, grösstenteils autobefreite Veloroute ab. Für SP-Gemeinderätin Simone Brander eine Notwendigkeit, um die Sicherheit im Verkehr zu verbessern. Für SVP-Gemeinderat Derek Richter hingegen ist es eine weitere Schikane gegen Autofahrer. 

Die Stadt Zürich soll innerhalb der nächsten zehn Jahre eine durchgängige, 50 Kilometer lange Velo­strecke umsetzen. Dies, indem in erster Linie Neben- und Quartierstrassen vom motorisierten Individualverkehr befreit werden. So lautet das Ziel der Velorouten-Initiative, die am 27. September zur Abstimmung kommt. Lanciert wurde sie von SP, Grünen, GLP, AL, Pro Velo und umverkehR. Die dafür benötigten Unterschriften kamen innerhalb eines Tages zusammen. Auch der Zürcher Stadtrat empfiehlt die Annahme.

FDP und SVP hingegen lehnen die Initiative ab. Für so manchen Gegner ist die Vorlage nur eine weitere Schikane gegen die Autofahrer. SVP-Gemeinderat Derek Richter vergleicht sie mit dem Trojanischen Pferd: «Im Namen der Sicherheit geht es den Initianten einzig darum, ein autofreies Zürich voranzutreiben», ist er überzeugt. «Dabei wurde erst kürzlich die radikale Juso-Initiative mit genau diesem Ziel vom Bundesgericht gestoppt. Nun versucht man es ein weiteres Mal über die Hintertür.»

Schutz vor Unfällen?

Es ist Montagmorgen, 11 Uhr, als sich Derek Richter und die SP-Gemeinderätin Simone Brander beim Stauffacher zum Streitgespräch über die Initiative treffen. Angereist ist niemand mit dem Zweirad. Aber aus verschiedenen Gründen. Im Leben des SVP-Gemeinderats spiele das Velo generell keine Rolle: «Ich bin berufsbedingt auf ein Auto angewiesen und liefere innerhalb der Stadt Zürich auch Waren mit dem Lastwagen aus.» Brander hingegen war früher fast täglich mit dem Velo unterwegs. Doch das hat sich mit ihrem Umzug in die Stadt Zürich geändert: «Wegen der aktuellen Strassensituation ist es mir schlicht zu unsicher, längere Strecken mit dem Velo zu absolvieren. Das Unfallpotenzial ist zu hoch.»

Tatsächlich hat sich seit 2011 die Anzahl Velounfälle in der Stadt Zürich mehr als verdoppelt. «Werden durch die geplante Route die verschiedenen Verkehrsteilnehmenden voneinander getrennt, erhöht dies die Sicherheit signifikant», nennt Brander eines der Hauptanliegen der Initianten.  Nicht nur Radfahrer würden profitieren: «Beim aktuellen Mischverkehr kommt es auch immer wieder zu heiklen Situationen zwischen Velofahrern und Fussgängern oder mit dem Öffentlichen Verkehr. Für alle wäre es eine Entlastung, wenn die Velos, deren Nutzung in den letzten Jahren stets zugenommen hat, separat verkehren könnten.»

Derek Richter schüttelt den Kopf: «Die Initianten tun so, als bestünden alle Unfälle aus Kollisionen zwischen den verschiedenen Verkehrsparteien. In Wirklichkeit verhalten sich aber viele Velofahrer schlicht rücksichtslos, fahren betrunken, halten sich an keine Regeln und verursachen dadurch auch Selbstunfälle, die ebenfalls in dieser Statistik auftauchen. Da ändert auch eine autofreie Strasse nichts daran. Zudem steigen insbesondere die Unfälle mit den Elektrovelos. Und hier spielt vor allem das Tempo eine Rolle.»

«Mit ein Grund, dass die Veloroute auf Tempo 30 ausgelegt werden soll», kontert Brander die Kritik. Wo die Route durchführen soll, ist in der Initiative übrigens nicht festgehalten. Das müsste der Stadtrat entscheiden. «Konzentriert man sich dabei aber auf bereits verkehrsberuhigte Quartierstrassen, hat auch der Autofahrer einen Vorteil, da er auf der Hauptverkehrsachse zügiger vorankommt», so Brander.
«Und was ist mit den Anwohnern dieser Quartiere, die so ihre Parkplätze verlieren?», fragt sich Richter. «Und mit den Gewerbetreibenden, die nicht mehr beliefert werden können?» Brander antwortet: «Es ist im Initiativtext festgehalten, dass es Ausnahmen für die Anwohnenden, das Gewerbe, die Blaulichtorganisationen sowie für mobilitätsbehinderte Personen geben soll». In der Initiative sei nicht erwähnt, dass Parkplätze abgebaut werden müssen. «Studien zeigen aber, dass ein Grossteil der Autofahrer nur zu Freizeitzwecken unterwegs ist. Und diese braucht es auf Quartierstrassen wirklich nicht.»

Klima und Platzmangel

Bei der Aussage über «Freizeitfahrer» muss Richter schmunzeln: «Immer wieder schön, wie Rot-Grün alle Autofahrer in eine Ecke stellt. Fakt ist, dass viele Zürcher auf ihr Auto beruflich angewiesen sind, um möglichst schnell von A nach B zu kommen. Es hängen Existenzen daran. Und diese sollen gefährdet werden, um einseitig einem Fahrzeugtyp Vorrang zu geben, der sowieso in erster Linie im Sommer genutzt wird? Und dann noch 50 Kilometer in einer 12-mal-12-Kilometer-Stadt, die mit ihren engen Gassen sowieso nicht für ein solch hohes Mobilitätsaufgebot gebaut wurde? Der Platz ist nicht unendlich, deswegen wäre es solidarisch, diesen zu teilen. Und was ist eigentlich mit dem viel gepriesenen Klimaschutz? Müssen Autos ausweichen, sprich längere Strecken auf sich nehmen, ist diesem bei weitem nicht geholfen.»

Brander ist überzeugt: «Studien zeigen, dass, wer auf eine sichere Infrastruktur zurückgreifen kann, auch eher mal vom Auto zum Velo wechselt. Somit leistet die Veloroute durchaus einen wichtigen Beitrag zur Erreichung unserer Klimaziele». Zudem würden Vorbildstädte wie Kopenhagen und Amsterdam, wo ähnliche Velorouten-Konzepte bereits umgesetzt sind, zeigen, dass diese zu jeder Jahreszeit genutzt werden, obwohl die Kälteperioden in diesen nördlicheren Ortschaften länger sind: «Auch hier – ist eine sichere Veloroute vorhanden, wird diese auch genutzt.» Und zum Thema einseitig: «Ja, in dieser Initiative geht es um Fahrräder. Das heisst nicht, dass künftig nicht auch die Infrastruktur für Fussgänger und den Öffentlichen Verkehr gefördert werden soll, wie es die Verfassung der Stadt Zürich verlangt.»

Für Richter ist hingegen klar: «Die Topografie von Zürich ist nicht mit den erwähnten Städten vergleichbar. Wird diese einseitige, unseres Erachtens egoistische Initiative angenommen, verstärkt dies nur den Keil zwischen den Velo- und Autofahrern.»

Das letzte Wort hat die Bevölkerung am 27. September.


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