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Ein «MTV Unplugged» zu machen, ist für Stress wie ein Ritterschlag. (Bild: PD)

Stress für einmal ohne Strom

Von: Reinhold Hönle

04. April 2024

Hip-Hop-Star Stress, der seit über zehn Jahren in Zollikerberg lebt, über seinen Umgang mit Druck und Selbstzweifel, KI und seine MTV-Unplugged-Konzerte am 26. / 27. April im Theater 11. 

Der erfolgreiche Schweizer Rapper Stress tritt am 26. und 27. April mit seinem letzten Sommer im Schiffbau entstandenen MTV-Unplugged-Album im Theater 11 auf.

Wie ist Ihr MTV-Unplugged-Projekt entstanden?

Stress: Ein Freund sagte zu mir, es sei zwar mein zwanzigjähriges Plattenjubiläum als Solokünstler, aber es sei nicht so, dass die Leute mir aus diesem Grund etwas schenken müssten, sondern ich müsse den Fans etwas zurückgeben, und damit hatte er völlig Recht. Also liessen mein Manager und ich uns etwas Besonderes einfallen, sprachen dann mit MTV und der Agentur, die das Unplugged für Patent Ochsner organisiert hatten.

Welches waren die besonderen Herausforderungen?

Bei einem MTV Unplugged ist es nicht damit getan, dass man schnellschnell ein paar Songs auf der akustischen Gitarre begleitet. Es braucht ein interessantes Storytelling, prominente Gäste und zusätzliche Instrumentalisten. Das erhöht die Kosten für die Show. Gleichzeitig ist die Kapazität jedoch geringer, weil vorgeschrieben ist, dass es nur Sitzplätze gibt. So müssen wir bei der Tournee auf einige Bläser und Streicher verzichten.

Wie sieht es betreffend den Gaststars Stefanie Heinzmann, Noah Veraguth und Bastian Baker aus?

Einige wirken mit, aber es bleibt offen, wer wo Überraschungsgast ist.

Welches Verhältnis hatten Sie in jungen Jahren zu MTV Unplugged?

In meiner Generation war ein solches Album ein Ritterschlag, den nur herausragende Künstler erhielten. Als ihn 2001 mein Idol Jay-Z bekam, konnte ich es jedoch kaum fassen, da ich bis dahin dachte, Hip­hop-Acts würden nicht ins Unplugged-Konzept passen.

Gab es viele Vorschriften, die Sie einhalten mussten?

Tatsächlich gibt es sogar ein kleines Buch über das, was bei MTV Unplugged erlaubt ist und was nicht. Ich erinnere mich, wie ich nach dem coolen ersten Konzert backstage kam und der einzige Kommentar der MTV-Verantwortlichen lautete: «Alles super, aber könntest du beim nächsten Mal nicht ein bisschen mehr sitzen?» (Lacht) Jeder, der weiss, wie energiegeladen ich auf der Bühne bin, kann sich vorstellen, wie schwer mir das fiel.

Sie bedanken sich im MTV-Unplugged-Video bei Stefanie Heinzmann für ein Gespräch, das sie mit Ihnen geführt hat. Worum ging es da?

Das war beim Openair Gampel. Ich war im Tourneetrott, machte einfach, was ich tun musste. Dann kam da jemand, der etwas ausserhalb stand, und sagte: «Andres, was ist los? Du siehst kaputt aus.» Was den zwanzig Leuten um mich herum nicht aufgefallen ist, weil sie mich jeden Tag sahen, war Stefanie sofort ins Auge gestochen. Ich gab es zu und gestand ihr meine Selbstzweifel ein, worauf sie mich fragte: «Wie viele Menschen in deinem Umfeld tun das, was du machst, auf diesem Niveau und schon so lange? Nicht viele. Daher solltest du netter mit dir selbst sein. Du hast es verdient!»

Haben Sie inzwischen weniger Angst, nicht zu genügen?

In meinen Augen ist am Spruch «Pressure is a privilege» etwas Wahres dran. Ich habe diesen Druck, weil ich die Möglichkeit besitze, etwas Aussergewöhnliches zu leisten. Dafür bin ich dankbar und versuche mein Bestes zu geben. Das war zwar immer der Fall, doch fühlte ich mich früher oft terrorisiert von den Erwartungen. Nun weiss ich, wo ich gut bin und wo nicht, akzeptiere es und kämpfe nicht mehr mit mir selber.

Wie empfinden Sie die Situation als Künstler, der einerseits eine feste Grösse ist, sich aber anderseits einer Konkurrenz erwehren muss, die mehrheitlich eine Generation jünger ist?

Ich habe kein Problem damit, liebe die Musik und bin sehr offen, wenn mich jemand um Rat fragt und mit mir zusammenarbeiten möchte. Alles andere wäre traurig. Das erinnert mich gerade an ein grosses Shooting mit einem berühmten Fotografen der älteren Generation und zahlreichen Talenten. Viele haben ihn bewundert, aber er hat sie als Bedrohung betrachtet. Das hat alles kaputtgemacht. Statt uns immer an anderen zu messen, wäre es besser, uns mit ihnen auszutauschen. Jedenfalls finde ich die Gespräche mit Noah (Veraguth) und Bastian (Baker) immer sehr bereichernd.

Sie haben sich bereits 2006 mit «On n’a qu’une terre» für den Umweltschutz engagiert. Was finden Sie schlimmer: Wie schnell der Klimawandel fortgeschritten ist oder wie langsam er bekämpft wird?

Ein Fehler ist, wenn wir denken, wir müssten den Planeten retten. Das ist nicht der Fall. Wir müssen unseren Platz auf dem Planeten retten und das geht nur, wenn wir uns entsprechend verhalten. Die Geschichte hat ja gezeigt, dass jede Zivilisation irgendwann untergeht. Wir können nur beeinflussen, wann und wie.

Wo liegt das Problem?

Ich finde es einfach traurig zu sehen, wo die Prioritäten liegen. Ich glaube, wir sind so sehr damit beschäftigt, mit der Entwicklung der digitalen Technologien Schritt zu halten, dass wir nicht mehr über unsere Nasenspitzen hinaussehen können. Die Meinung, dass wir alles optimieren müssen, ist wie ein Krebsgeschwür. Die Leute denken, dass sie frei sind, wenn sie viele Optionen haben, dabei sind sie von ihnen gefangen, weil sie nicht wissen, für welche sie sich entscheiden sollen.

Wird KI uns helfen, intelligente Lösungen zu finden?

Ich habe zu diesem Thema verschiedene Bücher gelesen, darunter «Unsere letzte Erfindung», und glaube nicht, dass die künstliche Intelligenz für uns gut ist, weil wir sie nicht managen können. Es gibt jedoch keine Umkehr, da wir schon in zu vieler Hinsicht von ihr abhängig sind. Trotzdem: Es entspricht mir nicht aufzugeben, nur weil ich in zwanzig, dreissig Jahren sowieso tot bin.

Was heisst das konkret?

Ich strebe nicht nach immer mehr Besitz, sondern kaufe vor allem, was ich wirklich brauche, und ich werfe weniger weg. Wenn das alle tun, geht es uns und der Natur besser.

Weshalb leben Sie eigentlich seit über zehn Jahren in Zürich statt in Lausanne?

Ich bin mit Melanie (Winiger) hierhergezogen. Plattenfirma, Management und Booking sind alle hier. Mir ist es hier wohl. Einmal fuhr ich um 19 Uhr vom Studio übers Bellevue nach Hause und sah am Strassenrand keinen einzigen Menschen, den ich kannte. Diese Anonymität schätze ich.

 

Stress mit «MTV Unplugged» am
26. und 27. April im Theater 11
Tickets: www.ticketcorner.ch

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