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Träume aus dem Osten
Von: Jan Strobel, Redaktor
Klartext
Neulich erinnerte ich mich wieder an das Jahr 1989. Es war ein Spätsommer in West-Berlin, und ich stand mit meinem Verwandten auf einem dieser Holztürme für Touristen. Wir blickten über die Mauer hinüber in den Osten, wo die anderen Familienangehörigen wohnten, die von einem Leben in Freiheit, Fortschritt, Liberalismus, Wachstum und Konsum träumten. Und als die Mauer dann fiel und der triste Volksknast DDR endgültig Vergangenheit wurde, besuchten meine Ost-Verwandten natürlich auch die Schweiz und Zürich – und konnten es kaum fassen, was sie hier sahen. Fortschritt und Innovationen allenthalben. Dazu West-Autos und modernste Fernsehgeräte, richtige Autobahnen statt Holperpisten, exotische Früchte in der Migros statt immer nur Äpfel oder Birnen vom Genossenschaftsbauern oder der Gartenparzelle. Wenn ich heute die Klimajugend über die Abschaffung des Kapitalismus diskutieren höre oder über politische Zwangsmassnahmen gegen «Umweltsünder» und eine radikale Verzichtskultur, dann kommen mir meine alten Ost-Verwandten und ihre damaligen Träume von Offenheit und Fortschritt in den Sinn, für die sie so hart kämpfen mussten. Aber vielleicht leidet die Jugend von heute ja unter dem, was die Philosophin Jeanne Hersch «die Unfähigkeit Freiheit zu ertragen» nannte.
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