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Trauer um tierische Gefährten

Von: Isabella Seemann

16. November 2021

Abschied: Der Witikoner Pfarrer Christoph Ammann hält am kommenden Sonntag einen Gottesdienst für Menschen, die um ihr Haustier trauern. 

Christoph Ammann, haben Sie selber Erfahrung mit dem Verlust eines Haustieres?

Als ich zehn Jahre alt war, wurde unser Kater im Toggenburg erschossen, weil sie angeblich einen Buben «gekräbelt» habe. Das war für mich ein Schock, und dazu fand ich es eine Riesenungerechtigkeit. Aber von da bis zum Gedanken an einen Gottesdienst für trauernde Tierhalter war es noch ein sehr weiter Weg. Entscheidend war, dass ich immer mehr realisiert habe, wie einschneidend der Verlust eines tierischen Gefährten sein kann. Das habe ich bei meinen Kindern gemerkt, aber auch in Gesprächen und aus literarischen Zeugnissen.

Weshalb kümmert sich die Kirche um die Trauer von Tierhaltern?

Sie kümmert sich eben viel zu wenig darum. Das Begleiten von Trauernden und die würdige Bestattung von Toten ist ein Kerngeschäft und auch eine Kernkompetenz von Pfarrerinnen und Pfarrern. Aber die Diskrepanz zwischen Mensch und Tier ist riesig. Es herrscht immer noch die Meinung vor, das Christentum interessiere sich nur für Menschen. Die Tiere kämen unter ferner liefen. Leider tun wir Christen selber viel dafür, um diesen Eindruck zu verstärken.

Was genau geschieht an einer Tiertrauerfeier?

Die Menschen finden einen Raum vor, in dem sie sich ihrer Trauer nicht schämen müssen, sondern sie im Gegenteil ausdrücken können, zum Beispiel durch das Anzünden einer Kerze. Trauer braucht Raum, das ist meine tiefe Überzeugung, und diesen Raum – vor anderen Menschen und vor Gott – eröffnen wir in diesem Gottesdienst. Es wird Rituale, aber auch tröstliche Texte und vor allem auch wunderbare Orgelmusik geben. Es freut mich sehr, dass der bekannte Organist Bruno Reich «Hunde- und Katzenmusik» spielen wird.

Welche Reaktionen erfahren Sie auf die Gottesdienste für Menschen, die um ein Haustier trauern?

In erster Linie nehme ich viel Interesse wahr, auch eine echte Neugierde. Und viele Menschen fühlen sich ernst genommen in ihrer Trauer. Natürlich wird es auch Leute geben, die das belächeln, aber diese Reaktionen dringen nicht zu mir. Sie kümmern mich auch nicht gross, weil ich davon überzeugt bin, dass die Trauer um ein geliebtes Tier nichts ist, wofür man sich schämen müsste.

Warum ist Trauer um Haustiere eigentlich ein gesellschaftlich kontroverses Thema?

Das hat sicher mit dem enormen Bedürfnis von uns Menschen zu tun, uns von den Tieren abzugrenzen. Wenn ein Tier stirbt, ist das dann «nur ein Tier», und es zu betrauern, ist sentimental. Ich glaube, diese Widerstände sind weniger argumentativ begründet als «Bauchgefühle». Wir vermenschlichen ein Tier nicht, wenn wir um es trauern.

Was haben Sie im Laufe Ihrer Arbeit als Pfarrer gelernt über die Verbindung von Menschen und Haustieren?

Haustiere sind nicht nur Ersatz für fehlende menschliche Beziehungen. Das ist vielleicht das Wichtigste. Die Beziehung zum Beispiel zu einem Hund ist wirklich ein Geben und Nehmen, eine echte Beziehung, von der beide Seiten etwas haben. Darum ist die Trauer so intensiv, wenn ein Hund oder eine Katze stirbt.

Weitere Informationen: Die Tiertrauerfeier findet am Sonntag, 21. November 2021, um 17.00 Uhr in der Kapelle des Friedhofs Nordheim statt.

www.arbeitskreis-kirche-und-tiere.ch

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

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