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Urs Wehrle und Sohn Louis führen das Braut- und Festmodegeschäft Liluca am Zürcher Werdmühleplatz. Jetzt sitzen sie auf ihren Hochzeitskleidern. Bild: PD

Traumhochzeit muss warten

Von: Ginger Hebel

02. März 2021

Hochzeitsfeste sind in der Krise kaum noch durchführbar. Die etablierte Zürcher Hochzeitsplanerin Evelyne Schärer hat keine einzige Anfrage für dieses Jahr, auch Brautausstatter sind verzweifelt.

Sie lässt Märchenhochzeiten wahr werden. Die Stadtzürcher Hochzeitsplanerin Evelyne Schärer organisiert Paaren ihren schönsten Tag im Leben. Als eine der Ersten der Branche veranstaltet sie hauptberuflich Hochzeiten. Doch jetzt hat es sich ausgefeiert. Die 52-Jährige kämpft um ihre Existenz. «Ich habe bis jetzt keine einzige Anfrage erhalten», sagt Evelyne Schärer. Normalerweise organisiert sie 20 bis 30 Hochzeiten jährlich. Im Krisenjahr 2020 veranstaltete sie gerade einmal zwei Hochzeiten. «Die meisten Paare wollen an ihrem grossen Tag keine Kompromisse eingehen, sondern Familie und Freunde um sich haben; aktuell ist das alles nicht möglich.» Auch die Distanzregelung ist für viele Paare schwierig. Umarmungen, Küsschen – nichts geht mehr. In der Kirche müssen Reihen frei bleiben, statt in Singbüchern lesen die Gäste Texte in Smartphones.

Keine Planungssicherheit

Viele Zürcher Paare haben ihre geplanten Hochzeiten auf dieses Jahr verschoben. Doch die Unsicherheit ist gross. «Viele verschieben erneut oder sagen die Feier gleich ganz ab», sagt Evelyne Schärer. Paare, die heiraten wollen, weil beispielsweise ein Kind unterwegs ist, tun dies standesamtlich – ohne Fest. Zurzeit können bei Trauungen im Zürcher Stadthaus lediglich das Brautpaar und die Trauzeugen dabei sein, bei Eintragungen der Partnerschaft nur das Paar. «Ich erinnere mich an emotionale Trauungen mit 50 Leuten, aktuell sind nur vier Personen erlaubt. Das ist natürlich nicht mehr dasselbe», sagt der Zivilstandsbeamte Roland Peterhans, der seit Jahrzehnten Paaren im Stadthaus die Frage aller Fragen stellt.

2019 liessen sich im Zürcher Zivilstandsamt 2413 Paare trauen. 2020 waren es ungefähr 50 Personen weniger, die bestätigten Zahlen liegen noch nicht vor. Letztes Jahr, beim ersten Lockdown, hätten sehr viele Hochzeitswillige den Termin storniert. «Diesen Frühling sind wir bereits sehr gut gebucht – trotz Auflagen», sagt Peterhans. Er trägt – genau wie das Paar und die Trauzeugen –eine Maske. «Wir geben immer unser Bestes. Mit der Stimme lässt sich vieles machen.»

Vor sechzehn Jahren machte sich Evelyne Schärer mit ihrer Firma «Your perfect day» selbständig. Sie las Paaren die Wünsche von den Lippen ab, kümmerte sich um Locations, Abläufe und Dekorationen, hielt ihnen den Rücken frei. Zürcher Paare laden im Schnitt zwischen 60 und 80 Personen zur Hochzeit ein und lassen es sich 40 000 bis 50 000 Franken kosten. Die meisten feierten in Zürcher Restaurants – oder in Italien.

Die gesamte Hochzeitsbranche leidet. Urs Wehrle ist Fachmann mit jahrzehntelanger Erfahrung. Er führt das Brautmodegeschäft Liluca mit Filialen am Zürcher Werdmühleplatz und in St. Gallen – sie gehören zu den grössten Anbietern für Braut- und Festmode in der Schweiz. «Wir haben schon viele Herausforderungen gemeistert. Doch so schwierig wie jetzt war es noch nie.» Im Geschäft lagern 400 Hochzeitskleider führender Designer. Doch die Bräute trauen sich nicht. Sechs Schneiderinnen warten im hauseigenen Atelier auf Arbeit. «Wir dürfen das Geschäft jetzt zwar wieder öffnen, doch die Planungssicherheit fehlt. Paare warten lieber ab, was wir natürlich verstehen. Für uns ist die Situation dramatisch», sagt Wehrle. Im Sommer 2019 hat mit Sohn Louis die vierte Generation im Unternehmen Fuss gefasst. Sie haben gemeinsam das Geschäft umgebaut – eine teure Investition. «Wir hatten viel Aufwand, aber der Ertrag fehlt», sagt Urs Wehrle.

Hinzu kamen letztes Jahr die Anrufe verzweifelter Paare und gefrusteter Lieferanten. Fast 50 Prozent des Jahresumsatzes macht Urs Wehrle normalerweise in den Monaten Januar bis April, denn die Lieferfristen für Hochzeitskleider belaufen sich auf drei bis sechs Monate. «Ich möchte kein Schwarzmaler sein. Aber die grosse Wirtschaftskrise kommt erst noch», befürchtet er. Die Härtefall-Regelungen würde er erfüllen. Doch aufgrund einer IT-Überlastung bei der Zürcher Finanzverwaltung konnte er die Dokumente nicht rechtzeitig übermitteln. Er ist nun gezwungen, zu prozessieren, weil die Verwaltung die Annahme der Unterlagen verweigert und somit auch der Anspruch auf die ihm zustehenden Gelder entfällt. «Es ist derzeit wirklich nur mühsam.»

Sabina Strebel führt das Geschäft Blumen-Fee in Zürich-Albisrieden. Seit dreizehn Jahren ist sie auf Hochzeitsfloristik spezialisiert. «Aufgrund der Pandemie ist dieser wichtige Geschäftszweig weggebrochen.» Sie bleibt zuversichtlich und betont, wie wichtig gerade jetzt Blumen und Geschenkartikel seien. Auch als Motivation im Homeoffice oder Büro. Hochzeitsplanerin Evelyne Schärer glaubt weiterhin an die Kraft der Liebe. Daran, dass sie irgendwann wieder Traumhochzeiten organisieren kann. «Es ist hart, wenn man plötzlich nicht mehr tun kann, was man liebt.» Sie verkauft jetzt Whirlpools, um ihre Fixkosten zu decken.

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

Weitere Informationen: www.yourperfectday.ch

www.liluca.ch

www.blumen-fee.ch

 

 

 

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