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Jacqueline Badran wird häufig um Interviews gebeten, eine Gelegenheit, die sie selten ungenutzt lässt.

Unbequem und unbeirrbar

Von: Isabella Seemann

15. November 2022

Im helvetischen Politbetrieb im Allgemeinen und unter Schweizer Linken im Besonderen ist sie in vielerlei Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung. Jacqueline Badran fasziniert, polarisiert, begeistert und regt auf. In einem neuen Buch erklärt sie ihre politische Mission. 

Bereits vier Mal hätte das Leben von Jacqueline Badran ein frühes Ende finden können, wäre da nicht «eine Art schützende Hand gewesen», wie sie glaubt. Im letzten Moment wurde sie als Dreijährige vor dem Ertrinken in einem Swimmingpool gerettet, mit sieben balancierte sie auf dem Balkongeländer auf rund 20 Metern Höhe und fiel herunter, doch konnte sie sich an einem Vorsprung festhalten und auf unerklärliche Weise wieder hinaufziehen. Ebenso aus eigener Kraft befreite sie sich als 29-Jährige aus einer Lawine und rettete ihren verschütteten Skikollegen. Und am 24. November 2001, zwölf Tage nach ihrem vierzigsten Geburtstag, überlebte sie den Absturz eines Crossair-Jumbolinos bei Bas­sersdorf, bei dem 24 Passagiere starben. «Ich habe wohl noch eine Mission zu erfüllen», sagt sie dazu am Ende des letzten Kapitels «Überleben ist ein Privileg, das verpflichtet».

Frage der Gerechtigkeit

Ihre politische Mission erklärt sie im kürzlich erschienenen Buch «Bodenständig und beharrlich – Jacqueline Badrans Weg ins Bundeshaus» der Zürcher Journalistin Nathalie Zeindler. Als Biografie will die Zürcher Politikerin das Buch dezidiert nicht verstanden wissen. Es beleuchte lediglich vertieft einige Aspekte ihres politischen Werdegangs und ihrer Arbeit. «Die Menschen sehen bei Politikerinnen immer nur, was medial vermittelt wird: Eine Quote in einer Zeitung etwa oder einen Arena-Auftritt. Das ist immer derart oberflächlich und macht nicht einmal fünf Prozent der politischen Arbeit aus.» Es stecke so viel mehr dahinter. Um eine Meinung klar auszudrücken, brauche es oft teilweise jahrzehntelange Denkarbeit. «Das hat mich motiviert mitzumachen, um dies aufzuzeigen und einen Einblick hinter die Kulissen zu geben», begründet Jacqueline Badran auf Anfrage ihr Mitwirken an dem Buch. Logischerweise lassen sich aber bei einem «Animal Politique» wie Badran die politischen Positionen nicht von der persönlichen Biografie entflechten. Geboren wurde sie 1961 in Sydney, in eine Familie mit grossem Reichtum, ihr Vater Fred Badran war ein libanesischer Textilfabrikant, ihre Mutter Helga war deutsch-schweizerischer Herkunft.

1966 zogen die Eltern mit den Töchtern «Jay» und Karin nach Zürich, an den noblen Zürichberg, wobei der Vater später in den Libanon zurückkehrte. Als Jacqueline vierzehn war, lernte ihre Mutter einen neuen Mann kennen, Conte Gian Franco Fabbricotti, ein Florentiner Adliger, der seiner Stieftochter das Bridgespielen beibrachte und ihr die Türen in die Welt der Reichen und Schönen öffnete. Die Frage der Gerechtigkeit umtrieb sie schon früh und stellt sie bis heute immer wieder. 1991 trat sie der Sozialdemokratischen Partei bei, hängte nach dem Studium der Biologie noch ein Wirtschaftsstudium in St. Gallen an, gründete die im Kreis 4 ansässige Web- und Software-Design-Firma Zeix AG mit und wurde vor genau 20 Jahren, kurz nach ihrem Flugzeugabsturz, in das Zürcher Stadtparlament gewählt. Neun Jahre später schaffte sie den Sprung ins Bundeshaus und wurde mit ihren Kernthemen, die Boden- und Immobilienpolitik, zum Aushängeschild der Schweizer Sozialdemokratie.

Vertrauen spüren

Unter den 246 Parlamentariern gehört Jacqueline Badran zweifellos zu den Unverwechselbaren. Sie fasziniert und polarisiert. Die politischen Gegner sehen sie naturgemäss nüchterner mit ihren Widersprüchen, ihrer Emotionalität und ihrem Rumgepolter. Manche ihrer Fans huldigen ihr hingegen fernab jeglicher Kritik, vor einiger Zeit tauchten in der Stadt wilde Plakate über Badran auf mit Slogans wie «Hope – Jacky 4 President».

Entgegen schweizerischer Gepflogenheiten ist um sie ein regelrechter Personenkult entstanden – den sie selber allerdings als sehr zwiespältig sieht. «Personenkult lehne ich grundsätzlich ab, weil er gefährlich ist – besonders in der Politik hat er nie zu etwas Gutem geführt. Schon als Kind hatte ich nie Poster von irgendwelchen Idolen. Zum Glück haben wir das in der Schweiz nur ganz wenig, und wenn, sehr zurückhaltend, wie früher bei General Guisan oder heute bei Christoph Blocher. Aber natürlich finde ich es angenehmer, wenn die Leute sagen, wir finden dich toll und nicht doof. Es ist schön, wenn man spürt, dass viele Menschen einem vertrauen.»

Weitere Informationen: Nathalie Zeindler: «Bodenständig und beharrlich – Jacqueline Badrans Weg ins Bundeshaus», Xanthippe Verlag, Okt. 2022, ISBN 978-3-905795-72-1

Termine in Zürich: Lesung und Diskussion mit Jacqueline Badran und Nathalie Zeindler am 23. November 2022, 19.30 Uhr in der Buchhandlung Hirslanden sowie am 19. Dezember 2022, 20.00 Uhr im Kaufleuten

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