mobile Navigation

News

Pfarrer Sieber mit Gästen im Pfuusbus im Winter 2002. Seit 20 Jahren dürfen Menschen in einer Notlage hier übernachten.Bilder: PD

Wärme, Nähe, Zuversicht

Von: Ginger Hebel

22. November 2022

Notunterkunf:  Vor 20 Jahren rief Pfarrer Sieber den Pfuusbus ins Leben. Letzte Saison übernachteten 230 Obdachlose insgesamt 4093 Mal in der Notbleibe. Hier fühlen sie sich aufgehoben statt ausgegrenzt. 

Die erste Novembernacht im Pfuu­s­- bus. «Etwa die Hälfte der 22 Gäste waren solche, die schon letzte Saison bei uns waren. Es war, als hätten wir nie geschlossen. Sofort stellte sich eine familiäre Stimmung ein. Dieses Familiäre ist für mich die wichtigste Stärke des Pfuusbusses», sagt Betriebsleiter Valentin Uberi. Vor wenigen Tagen startete der Pfuusbus mit einem Geburtstagsfest zum 20-Jahr-Jubiläum in die neue Saison. Der Pfuusbus ist eine Institution. Seit seiner Gründung haben tausende Obdachlose hier die Nächte verbracht. Statt draussen in der Kälte, drinnen im Warmen. Hauptsächlich umsorgt von freiwilligen Helferinnen und Helfern, die sie nicht alleine lassen, die zuhören, Trost spenden, Zuversicht schenken.

Der Pfuusbus ist ein Angebot des Sozialwerks Pfarrer Sieber. Sieber, der im Jahr 2018 verstarb, gründete die Stiftung 1988 und rief den Pfuusbus ins Leben. Vor 20 Jahren bestand dieser noch aus dem ehemaligen Wohnmobil der Schweizer Seitenwagen-Rennfahrer Paul und Charly Güdel. Bis zu zwölf Obdachlose fanden pro Nacht auf dem Kiesplatz beim Zürcher Strassenverkehrsamt Unterschlupf. In der Eröffnungssaison von Mitte November bis Mitte April zählten die Betreuerinnen und Betreuer 1334 Übernachtungen. Vier Jahre später wurde der Pfuusbus um ein Vorzelt erweitert und bot 28 Plätze, daraufhin stiegen auch die Übernachtungszahlen rasant an. Seit dem Corona-Frühling 2020 verfügt die Notunterkunft neben dem Sattelschlepper mit Schlafkojen, Küche und Stauraum auch über ein Aufenthaltszelt sowie ein grosses Schlafzelt mit total 36 Plätzen. Damit niemand frieren muss, wird der Bus ökologisch mit Holzpellets beheizt. Es gibt warme Mahlzeiten und Duschmöglichkeit. Letzte Saison übernachteten 230 Gäste total 4093 Mal – das sind 403 Übernachtungen mehr als im Vorjahr. Aus Dankbarkeit helfen sie manchmal bei Aufbau, Unterhalt oder der Essensausgabe mit.

Winter zerrt an Substanz

Die Weihnachtszeit ist für Obdachlose eine schwierige Zeit. Es fehlen Freunde und Familie. «Die Einsamkeit und Ausgrenzung ist jetzt besonders spürbar», sagt Walter von Arburg vom Sozialwerk Pfarrer Sieber. Darum ist auch an Heiligabend und Silvester der Pfuusbus ab 17 Uhr geöffnet. Im Januar, wenn alle weihnachtlichen Hilfsangebote vorbei sind, fallen viele Betroffene in ein Loch. «Wir sind da und fangen sie auf», betont von Arburg. Ohne freiwillige Helferinnen und Helfer wäre ein Angebot wie der Pfuusbus gar nicht realisierbar. Besonders gegen den Frühling, wenn sich die Saison dem Ende zuneigt, sei es zunehmend schwierig, Personal zu finden. «Die Wintermonate zerren an der Substanz.» Auch die Stadt Zürich bietet eine Notschlafstelle an für Menschen, die hier gemeldet sind und ihre Wohnung verloren haben.

Der Pfuusbus ist ein ergänzendes Angebot für alle, die durch die Maschen gefallen sind. «Psychische Erkrankungen haben zugenommen. Auch für unsere Mitarbeitenden ist diese Situation belastend», sagt von Arburg. Er sieht die Gründe in der medizinischen Versorgung. Früher wurden Erkrankte in Psychiatrischen Kliniken stationär behandelt, heute gibt es vermehrt ambulante Angebote. Wegen der fehlenden sozialen Anbindung und Kontrolle falle es Obdachlosen schwer, die Medikation zu befolgen. Oft spielen Sucht- und Drogenprobleme eine Rolle. Die Nachtpatrouille sucht Obdachlose auf der Strasse und weist ihnen den Weg in die Notunterkunft. Getreu dem Wahlspruch «Du bisch nöd älei».

Weitere Informationen: www.swsieber.ch

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

zurück zu News

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare