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In der Weihnachtszeit kommt es oft zu Spannungen. «Es ist wichtig, Bedürfnisse auszusprechen», sagt Paul Hoff (Bild im Text.) Chefarzt/stv. Klinikdirektor der PUK (Burghölzli). Bilder: PD/Clipdealer

Weihnachtskoller: Mit den eigenen Kräften haushalten

Von: Ginger Hebel

11. Dezember 2018

Das bevorstehende Weihnachtsfest freut nicht alle, viele sind allein, andere haben schwierige Beziehungskonstellationen. Paul Hoff, Chefarzt und stv. Klinikdirektor der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK), äussert sich zu Depressionen und ihrer möglichen Verbindung zur Weihnachtszeit.

Warum schlägt die besinnliche Weihnachtszeit vielen Menschen aufs Gemüt?

Paul Hoff: Weil Weihnachten mit Wünschen, Träumen und Idealvorstellungen verknüpft ist. Es ist eine emotionale Zeit, die sehr symbol­behaftet ist. In Zürich gibt es immer mehr Einzelhaushalte. Viele Menschen sind allein und haben niemanden, mit dem sie feiern können, dadurch fühlen sie sich ausgegrenzt. Hinzu kommen komplexe Patchwork-Familien und schon länger bestehende schwierige Beziehungskonstellationen. Das kann natürlich zu Spannungen führen. Es ist aber wichtig, seine Bedürfnisse auszusprechen, auch wenn dies nicht einfach sein mag.

Weshalb fällt das oft so schwer?

Nein sagen hat auch etwas mit dem Selbstwertgefühl zu tun. Es geht darum, für sich selber einzustehen und Verantwortung für sein Tun zu übernehmen. Eine gelingende Anpassung, die es ja auch braucht, besteht sicher nicht darin, immer Ja zu sagen, das wird auf Dauer zur Belastung.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) prognostiziert, dass in absehbarer Zeit Depressionen die Liste aller Krankheiten anführen.

Das liegt sicher zum Teil am Leistungsdruck unserer Gesellschaft. Die steigenden Anforderungen an jeden Einzelnen, mehr Arbeit bei weniger Ressourcen, das führt nicht unerwartet bei manchen zu einer Überforderung und Überlastung. Wenn dann noch die Anerkennung des Chefs oder des Partners fehlt, kann es das Fass zum Überlaufen bringen. Hinzu kommt, dass sich die psychiatrische Diagnostik laufend entwickelt, dass wir gleichsam genauer hinschauen. Auch dadurch erhöht sich die Zahl der in Behandlung befindlichen Personen, was ja in den meisten Fällen eine gute Entwicklung ist.

Jeder fühlt sich mal überfordert. Wann wird es gefährlich?

Den Montagsblues kennen wir alle. Das ist aber noch lange kein Burn-out, auch wenn dieser Begriff heute häufig verwendet wird. Wer traurig ist, ist auch nicht automatisch depressiv. Trauer und Freude sind normale Gemütszustände, die zum Leben dazugehören. Wenn dadurch aber die Alltagsabläufe zunehmend eingeschränkt werden und die Lebensqualität markant sinkt, braucht es fachlichen Rat.

Lässt sich einer Depression vorbeugen?

Ja, aber es gibt kein Patentrezept, weil Menschen mit diesen Themen individuell umgehen. Wichtig ist eine gute Balance im Leben, sodass man mit den eigenen Kräften haushalten kann und sie richtig einsetzt. Es macht Sinn, sich regelmässig mit sich selbst auseinanderzusetzen und sich zu fragen: Was will ich eigentlich? Wie ist die Qualität meiner Beziehungen zu anderen? Unter Umständen merkt man dann, dass man auf dem falschen Weg ist und etwas ändern sollte.

Die Stadtpolizei unterstützt immer häufiger die Sanitäter, wenn psychisch auffällige Personen in Kliniken gebracht werden müssen.

Auch bei uns in der PUK kommt es – allerdings selten – vor, dass schwer kranke Patienten derart angespannt werden, dass wir die Polizei zur Unterstützung rufen müssen. Ausserdem wurden letztes Jahr 878 Personen gegen ihren Willen in unsere Klinik eingeliefert, was eine hohe Zahl ist. Kliniken sind verpflichtet, Patienten mit einer solchen Fürsorgerischen Unterbringung (FU) aufzunehmen. Deren Maximaldauer liegt im Kanton Zürich bei sechs Wochen, doch prüfen wir selbstverständlich täglich, ob die Behandlung auf freiwilliger Basis weitergeführt oder der Patient nach Hause entlassen werden kann.

Weihnachtsstress, Pendlerstress. Wie reduziert man Stress?

Indem man lernt, bewusst abzuschalten. Von meiner Terrasse zu Hause sehe ich auf die Klinik, dennoch gelingt es mir meist, in der Freizeit nicht an die Arbeit zu denken. Positive Abgrenzung ist wichtig.

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

Gut zu wissen: Im Jahr 2017 wurden in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (KPPP) der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK), landläufig Burghölzli genannt, 4187 Personen stationär behandelt. Pro Tag sind das im Schnitt etwa 12 Eintritte.

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