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Im Fischer’s Fritz sagten 70 Prozent der Gäste bis vor zwei Jahren nicht ab. Nun müssen sie 50 Franken Busse pro Person bezahlen. (Bild: CLA)

Wenn Gäste nicht auftauchen

Von: Clarissa Rohrbach

20. April 2022

Immer mehr Kunden reservieren Tische und tauchen dann nicht auf. Die Gastro-Szene leidet sehr unter diesem negativen Trend. Erste Betriebe verlangen jetzt Schadenersatz von den Gästen.

Der Tisch ist reserviert, doch die Gäste kommen nicht. Sogenannte No-Shows beschäftigen die Zürcher Restaurants immer häufiger. «Es ist eine Saumode», sagt Florian Weber, Geschäftsführer der Pumpstation Gastro von Michel Péclard. Im Seerestaurant Fischer’s Fritz in Wollishofen sagten bis vor zwei Jahren 70 Prozent der Gäste, die reserviert hatten, bei schlechtem Wetter nicht ab. Laut Weber verliert man so Zehntausende von Franken. Péclard hat deswegen 2020 in fast allen seiner 15 Betriebe eine Gebühr eingeführt. Wer sich innert 24 Stunden nicht abmeldet, zahlt 50 Franken pro Person, im kleinen «Coco» am Paradeplatz sind es gar 100 Franken. Informiert wird der Gast mit jener E-Mail, welche die Reservation bestätigt. Die Gebühr dient laut Weber vor allem der Abschreckung von unzuverlässigen Gästen. Diese Massnahme wirke: Die Rate der No-Shows habe stark abgenommen.
Laut Weber handelt es sich um ein gesellschaftliches Problem. Die Leute wollen heutzutage flexibel und «easy» bleiben. Die Grüppchen reservieren in zwei, drei Restaurants und entscheiden dann nach Lust und Laune erst 30 Minuten vorher, wo sie letztlich hingehen. «Man will sich alle Optionen offenlassen, denn es ist cooler, unverbindlich zu bleiben», sagt Weber. Nicht selten erstellen diese Gäste E-Mails unter falschem Namen für die Reservation. Rufen die Gastronomen an, ist niemand erreichbar. «Das ist kein Versehen, das ist Absicht», sagt Weber.

Wo bleibt der Respekt?

Urs Pfäffli, Präsident von Gastro Zürich, hofft, dass immer mehr Restaurants solch eine Gebühr einführen. «Das Problem ist brennend und nimmt zu», sagt er. In der Branche diskutiere man schon seit Jahren darüber, doch es sei schwierig, die Gebühr als Regel einzuführen. Einige Betriebe würden befürchten, so Gäste zu verlieren. «Doch für faire Gäste ist die Verbindlichkeit selbstverständlich», ist Pfäffli überzeugt. Betroffen von den No-Shows seien vor allem kleinere Gourmetlokale ohne Passantenlage. Diese könnten nicht auf Walk-in-Gäste zählen. Und es seien vor allem jüngere Gäste, die reservieren und dann nicht auftauchen, die älteren würden mehr Anstand zeigen. «Es hat mit Respekt zu tun.»

Restaurants orientieren sich an den Reservationen. Sie kaufen dementsprechend Essen und planen das Personal ein. In gehobenen Restaurants ist laut Pfäffli der Aufwand gross, der Einkauf pro Person beträgt bis zu 80 Franken. Kann man einen reservierten Tisch nicht weiterverkaufen, ist die aufgewendete Arbeit für nichts und der Food Waste kann enorm sein. Deswegen spricht Pfäffli nicht von Busse, sondern von Umtriebsentschädigung. Das Weisse Rössli in der Enge verlangt für eine Reservation ohne Abmeldung 55 Franken. Das sei nur fair, sagt die Geschäftsleitung, denn pro Tisch und Person rechne man mit einem Umsatz von 120 Franken. Man wolle die Gäste nicht bestrafen, doch bei 36 Plätzen sei der Verlust frappant, wenn man auf zwei, drei leeren Tischen sitzen bleibt. Die meisten Gäste würden das letztlich verstehen.

Kulanter zeigen sich die grösseren Gastro-Ketten in Zürich. Für die Firma Bindella, die in der Stadt 23 italienische Restaurants betreibt, darunter das Santa Lucia, sind die No-Shows kein Problem. Auch bei der Kramer Gastronomie, die jährlich rund 30 Millionen Franken Umsatz macht und unter anderem das Thai-Restaurant Blue Monkey führt, ist man grosszügig. «Wir wollen nicht kleinlich sein», sagt CEO Maximilian Schiedt, «wir freuen uns um jeden Gast».

Grosse leiden weniger

Laut dem Co-Geschäftsführer der Wiesner Gastronomie, Daniel Wiesner, sind No-Shows für grosse Restaurants nicht so dramatisch. Seine Firma führt die asiatischen Restaurant-Ketten Nooch und Negishi.

Auch die Gastro-Firma Two Spice, welche die Sushi-Lokale Yooji’s betreibt, verzichtet auf eine Gebühr. Für den operativen Leiter Martin Weibel ist die Situation mit den No- Shows knifflig. Er verstehe zwar, dass das für Restaurants «nicht cool» sei. «Doch Gastfreundschaft ist unser Metier. Die Leute zu bestrafen, ist unserer Meinung nach der falsche Weg.» Das Problem hänge auch mit der Digitalisierung zusammen. Online-Reservationen seien unverbindlicher. «Bei der telefonischen Reservation hat man einen persönlichen Kontakt, da ist die Hürde grösser.»

Rechtliche Grauzone

Doch ist die Erhebung einer Gebühr überhaupt rechtens? Laut Katharina Siegrist vom «Beobachter»-Beratungszentrum dürfen Restaurantbetreiber Schadenersatz verlangen, wenn Gäste einfach nicht auftauchen. Denn eine Reservation sei verbindlich. Doch müsse eine Stornogebühr bereits bei Vertragsabschluss, also beim Reservieren, vereinbart werden. Das sei meistens nicht der Fall, denn die Restaurants würden die Bedingungen erst mit der Bestätigungsmail mitteilen.

Es gibt auch Restaurants, die nach anderen Methoden greifen, um die No-Shows zu verhindern. Das Grandhotel Dolder bucht seit zwei Jahren 100 Franken Depot pro Person von der Kreditkarte ab. Das entspricht rund einem Drittel des Menüpreises. Auch in der Rôtisserie des Hotels Storchen müssen Gäste die Kreditkarte angeben. Bei einem No-Show wird diese mit 90 Franken pro Person belastet. Das italienische Restaurant Bar Basso blockiert Gäste, die zwei Mal online reserviert haben und nicht auftauchen. Man führe eine Blacklist.

Florian Weber findet es gut, dass die Restaurants beginnen, Massnahmen zu ergreifen. Die Branche getraue sich noch zu wenig, die Gebühr durchzusetzen. «Das wird ausgenützt», sagt Weber. Bei jedem Arzt werde ein Termin, der nicht 24 Stunden abgesagt wurde, verrechnet. Das müsse in der Gastro auch so sein.

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