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Eine verletzte Katze in Behandlung. (Symbolbild: Kaninstudio / AdobeStock)

Wer bezahlt die Spitalkosten?

Von: Christian Saggese

14. April 2020

Kater Mirko ist von einem Auto angefahren und lebensgefährlich verletzt worden. Der Unfallverursacher ist ohne Hilfeleistung davongefahren. Ohne Wissen des Besitzers wurde die Katze ins Tierspital eingeliefert und dort operiert. Der Tierhalter ist nun verpflichtet, die hohe Spitalrechnung zu bezahlen. 

Wird eine Katze angefahren und ins Tierspital gebracht, kann dies einen Tierbesitzer in finanzielle Bedrängnis bringen, weiss G.K.*: «Ich muss eine Rechnung von 2700 Franken bezahlen, obwohl ich nie einen Auftrag zur Rettung der Katze gegeben hatte und generell anders entschieden hätte, als das Tierspital. Sie nutzen die Not der Tierhalter aus, um daran finanziell zu verdienen», lautet sein Vorwurf. Doch was ist geschehen?

Auf G.K.s Katze Mirko* war immer Verlass. Der Freigänger trieb sich zwar gerne auch längere Zeit in der Nachbarschaft herum, liess sich aber immer wieder zuhause blicken. Bis zu jenem verhängnisvollen Samstag. Mirko wurde angefahren, der Unfallverursacher ergriff die Flucht. Dank eines aufmerksamen Anwohners konnte die Katze schliesslich durch den Tierrettungsdienst ins Tierspital gebracht werden. G.K. erfuhr durch eine Meldung auf der Homepage der «Schweizerischen Tiermeldezentrale» von dem Vorfall. «Dort hiess es, der Kater sei nur leicht verletzt und der Besitzer solle doch im Tierspital vorbeikommen.»

Noch nicht über den Berg

Das tat G.K. schliesslich auch. Doch was der Besitzer dort vorgefunden habe, sei kein leicht verletztes Tier gewesen. «Die Ärzte hatten die lebensnotwendigen Massnahmen eingeleitet. Doch aus Mirko hingen mehrere Schläuche, er war noch lange nicht über den Berg, sein Gesundheitszustand war kritisch.»

Ab jenem Moment stieg in G.K. die Wut hoch. «Einerseits, weil man mich unter falschen Tatsachen ins Spital lockte. Hierfür entschuldigte  sich jemand vom Personal, es sei falsch kommuniziert worden», sagt er. «Aber vor allem ärgert mich, dass die Katze operiert wurde, obwohl die Ärzte aus meiner Sicht annehmen konnten, dass sie die folgenden Tage nicht überleben oder schwere Folgeschäden haben würde.» G.K. selbst hätte Mirko von Beginn weg einschläfern lassen, «auch, weil ich als Familienvater auf mein Geld achten muss».

G.K. sei angeboten worden, entweder die noch nicht bekannten Folgekosten für die notwendigen Operationen zu bezahlen oder für 200 Franken eine Verzichtserklärung zu unterschreiben und somit die Besitzansprüche auf seine Katze abzugeben. «Ich entschied mich für die zweite Variante. Ein Arzt meinte, damit sei die Sache für mich erledigt, ein Fond übernehme alle anderen Kosten.»

Nachdem er die Verzichtserklärung unterschrieben hatte, «hiess es aber plötzlich von einem anderen Arzt, dass ich doch die ersten Rettungsmassnahmen zahlen müsse.» Insgesamt müsse er, mit den Verzichtskosten, 2700 Franken bezahlen, einen Teil sofort. «Ich fühlte mich dermassen unter Druck gesetzt, dass ich 400 Franken vor Ort in bar zahlte.» Somit steht aktuell noch ein Betrag von 2300 Franken offen. Diesen will G.K. aber nicht zahlen. «Die Auflistung der erbrachten Leistungen auf der Rechnung ergibt für mich nämlich nicht wirklich Sinn», so G.K. «Ich habe keinen Überblick, was die Ärzte genau getan haben, um die Katze zu retten. So sah ich beispielsweise einen Verband um Mirkos Schwanz, vermutlich, um diesen zu stabilisieren. Zudem wurden zwei Tage nach dem Unfall noch Katheter gesetzt. War das alles wirklich lebensnotwendig?» Eine diesbezügliche Anfrage an das Tierspital sei bis heute unbeantwortet geblieben.

Gesetzlich verpflichtet

Da G.K. anonym bleiben möchte, kann das Tierspital keine Stellungnahme zu diesem spezifischen Fall abgeben, gibt demnach Auskunft über ihr generelles Vorgehen. Und da werden jegliche Anschuldigungen, dass das Tierspital zu viel medizinisch betreue, um mehr Geld einzunehmen, mit grosser Deutlichkeit zurückgewiesen: «Das ärztliche Personal ist gemäss Tierschutzgesetz dazu verpflichtet, das Leiden jedes Tieres zu verringern und lebensrettende Massnahmen vorzunehmen», so Kurt Bodenmüller, Medienbeauftragter der Universität Zürich, der das Tierspital angeschlossen ist. Und die Beurteilung, ob sich der Patient in einem lebensbedrohlichen Zustand befinde und was getan werden müsse, liege beim ärztlichen Personal. «Je nach Zustand des Patienten werden Schmerzmittel, Sauerstoff und Beruhigungsmittel sowie krampflösende Medikamente verabreicht. Patienten im Schockzustand oder mit unstabilem Kreis erhalten Infusionen. Haben Patienten verschmutzte Wunden, werden diese gereinigt und sie erhalten Verbände und Antibiotika. Patienten mit Agonie und unerträglichen Schmerzen ohne andere Möglichkeiten zur Linderung werden euthanasiert.» Jeder Fall, so Bodenmüller, werde aus medizinischer Sicht individuell betrachtet. Bei guter Prognose würden auch weitere Leistungen erbracht, bevor der Besitzer gefunden werde.

Besitzer ist verantwortlich

Wer sich ein Tier anschaffe, müsse laut Bodenmüller mit den finanziellen Folgen rechnen. «Derjenige, der Tiere hält oder betreut, ist gesetzlich für deren Wohlergehen verantwortlich.» Dazu gehöre auch, dass die Besitzerin oder der Besitzer für die notwendige medizinische Betreuung zu sorgen habe. «Bis zum Verzicht oder der Weitergabe des Tieres bleiben die Halter in der Verantwortung.» Und nur weil für erste Massnahmen an einem Findeltier kein Behandlungsvertrag geschlossen worden sei, «heisst das nicht, dass die bisherigen Halter nicht für die Behandlungskosten aufkommen müssen». Das Tierspital handle stets im Interesse der Tierhalter, «dies im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag gemäss dem Schweizerischen Obligationenrecht», und habe Anspruch auf den Ersatz aller notwendigen oder nützlichen Aufwendungen, egal ob personell oder materiell. Gerät ein Tierbesitzer aufgrund dessen in finanzielle Not, «gibt es in der Schweiz verschiedenste Stiftungen, die um Unterstützung angefragt werden können».

Haben Halter die Möglichkeit, beim Tierspital Zürich festzuhalten, dass sie sich noch nicht einmal Erstmassnahmen wünschen, sollte ihr Tier eingeliefert werden?  «Die Frage dreht sich wohl um etwas Ähnliches wie eine Patientenverfügung in der Humanmedizin», so Bodenmüller. «Solche Dokumente kann das Tierspital sicher nicht aufbewahren nur für den Fall, dass einmal ein Tier ohne Wissen der Besitzer eingeliefert werden könnte.» Zudem habe man in brenzligen Situationen keine Zeit, sich noch um die Identifikation des Tiers zu kümmern.

Und G.K.? Der wünscht sich, dass er sich nie beim Tierspital gemeldet hätte. Da die Katze nicht gechippt war, hätte man ihn nie eruieren können und er müsste heute nicht für die Kosten aufkommen. Wie hätte das Tierspital dann reagiert? «Wir suchen den Besitzer während zweier Monate  über die Schweizerische Tiermeldezentrale», so Bodenmüller. Meldet sich niemand, werden die Rettungsmassnahmen «gemäss Tierschutzgesetz durch das Tierspital und Spenden finanziert». Danach suche man nach einem neuen Besitzer für das Tier.

G.K. will nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Er hat sich nun rechtlichen Rat eingeholt.

*Namen geändert

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Leserkommentare

Helena Rupp - Ich bin entsetzt über die Kaltherzigkeit dieses (jetzt ehemaligen) Katzenbesitzers. Für sich, die Kinder und natürlich für sein Auto hat er sicher Versicherungen abgeschlossen – längst gibt es diese auch für Katzen und Hunde. Oder man legt sich monatlich
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Vor 4 Jahren 1 Woche  · 
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