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Wo das Stadtleben sprudelt
Von: Isabella Seemann
1277 Brunnen – so viele wie in keiner anderen Stadt – gibt es in Zürich. Und jeder hat eine eigene Geschichte, besticht durch seine Machart und künstlerische Ausschmückung. Mit öffentlichen Brunnentouren lädt die Wasserversorgung zum Kennenlernen einiger Prachtstücke in der Altstadt ein.
Zürich liegt zwar nicht am Meer, doch als Wasserstadt sieht sie sich alleweil. Dieses Selbstverständnis nähren neben dem See, den Flüssen und Bachläufen auch die 1277Brunnen. Laut Eigenwerbung gehört Zürich damit zu den brunnenreichsten Städten der Welt.
Diesen Rekord führt Silvio Colazzo, der bei der Wasserversorgung Zürich seit bald zehn Jahren für alle städtischen Brunnen zuständig ist, auf die Choleraepidemie 1855 und die Typhusepidemie 1864 / 65 zurück, die durch den Mangel an sauberem Trinkwasser entstanden und schliesslich die Planung des Wasserverteilnetzes und der Kanalisation vorantrieben.
1868 gründete Stadtingenieur Arnold Bürkli hierfür die Wasserversorgung Zürich. Seinem Auftrag entsprechend wurden die Wasserleitungen verbessert und die Quellen rund um die Stadt sowie aus dem Sihl- und Lorzental erschlossen. «Man verteilte möglichst viele Trinkbrunnen rund um die Stadt, um der Philosophie der möglichst breiten Verfügbarkeit von Trinkwasser zu entsprechen», erklärt Silvio Colazzo. «Die Wasserversorgung Zürich ist bis heute verpflichtet, der Bevölkerung Trinkwasser in einwandfreier Qualität rund um die Uhr bereitzustellen.»
Brunnen ohne Pomp
Fliessend Wasser gibt es in Zürich aber seit dem 15. Jahrhundert. Damals waren Zieh- oder Sodbrunnen weit verbreitet. 1430 nahm der erste öffentliche Laufbrunnen seinen Betrieb auf: der Amazonenbrunnen am Rennweg. Auf dem Murer-Plan (1576) ist gar die Figur auf dem Brunnen erkennbar. Brunnenfiguren auf reich verzierten Säulen sind charakteristisch für die Brunnen aus dieser Zeit und prägen noch heute das Bild der Altstadt. So auch in der Stüssihofstatt der Stüssibrunnen, auf dem eine Figur mit wehendem Federbusch thront. Ungewöhnlich ist allerdings seine Mehrfarbigkeit. Mehrfarbige Brunnen haben in Zürich, im Gegensatz zu Bern, keine Tradition. Auch pompöse Wasserspiele, die heute in vielen vormals aristokratisch regierten Ländern eine Sehenswürdigkeit sind, findet man im bürgerlichen Zürich nicht. Typisch für Zürich sei die grosse Anzahl relativ kleiner Trinkbrunnen, die primär Nutzungsansprüche zu erfüllen hatten, sagt Silvio Colazzo.
Rund ein Viertel aller Brunnen werden über ein eigenes Quellwassernetz gespeist, das Zürichs 160 Quellen und 120 Quellen aus dem Sihl- und Lorzental einbezieht, rund 150 Kilometer lang ist und mit natürlichem Gefälle funktioniert und dadurch unabhängig von der Stromversorgung ist.
An das Netz sind neben Spitälern und Zivilschutzbauten auch die 85 Notwasserbrunnen angeschlossen. Diese Bronzeguss-Brunnen dienen der Versorgung der Bevölkerung im Falle eines Unterbruchs der normalen Wasserleitungen. Seit 1973 gehören die formschönen Trinkwasserspender zum Stadtbild. Die dreiteiligen Röhren, die teilweise auch über eine Abstellfläche und eine Hundetränke verfügen, werden seither nicht zuletzt auch von durstigen Hunden sehr geschätzt.
«Darüber hinaus waren und sind die Brunnen Begegnungspunkte, womit die Umgebung und deren Plätze aufgewertet werden», sagt Silvio Colazzo. Jährlich kommen drei bis vier neue Brunnen dazu. Insgesamt sieben Brunnenwärter, eine Brunnenwärterin und ein Stein- und Bildhauer kümmern sich in den ihnen zugeteilten acht Bezirken wöchentlich um die Sauberkeit und den Unterhalt der städtischen Brunnen.
«Leider gibt es auch des Öftern willkürliche Verschmutzungen und Beschädigungen an einigen Objekten – was vermeidbar und leider unverständlich ist. Man sollte nicht ausser Acht lassen, dass viele dieser Brunnenobjekte Bestandteil unserer kulturellen Errungenschaft sind und unseren Lebensstandard täglich mitprägen.» Die meisten Personen, welche in der Stadt unterwegs sind, würden jedoch das Privileg wahrnehmen, hochwertiges Trinkwasser aus den vielen Trinkbrunnen der Stadt und der umliegenden angrenzenden Wäldern zu konsumieren und die Tatsache schätzen, diesen Luxus zur Verfügung zu haben.
Natürlich werden die Brunnen vorwiegend im Sommer zur Erfrischung geschätzt. Doch einer der meist fotografierten Zürcher Brunnen ist der gusseiserne, mehrstöckige Zentralhof-Brunnen im prächtigen Winterkleid. Bei Kälte erstarrt das von geflügelten Löwen, Putti und Delfinen ausgespiene Wasser zu Eis und formt eine poetische und vergängliche Skulptur.
Wo steht Zürichs einziger farbiger Brunnen? Was hat es mit den Notwasserbrunnen auf sich? Und weshalb thront auf dem Brunnen am Züghusplatz die Göttin Juno? Diese und viele andere Fragen klärt die Wasserversorgung Zürich bei ihren öffentlichen Brunnentouren durch die Altstadt. Die Rundgänge finden an folgenden Daten statt, jeweils mittwochs: 1. Juli (ausgebucht), 5. August, 2. September und 7. Oktober. Treffpunkt: Am Manessebrunnen (Ecke Untere und Obere Zäune / Hirschengraben) um 18 Uhr. Eine Anmeldung ist erforderlich. Weitere Informationen: stadt-zuerich.ch/dib/de/index/wasserversorgung/brunnen/Brunnenfuehrungen.html |
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Leserkommentare
Til Arboleda - «Darüber hinaus waren und sind die Brunnen Begegnungspunkte, womit die Umgebung und deren Plätze aufgewertet werden», bemerkt der WVZ-Mann richtig. Es müssen aber nicht immer Beschädigungen sein, welche die kulturelle Errungenschaft der Trinkbrunnen trüben.
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Vor 10 Jahren wurden Stadt (als Betreiberin) und Kanton (als Eigentümer), auf das Ärgernis angesprochen, dass der Zeughaushof (der grösste zuglängliche Hof der Stadt) seit 35 Jahren ohne Wasser ist, damals nämlich wurden die zwei Brunnen abgestellt. Was darauf folgte, war amtliche Totenstille. Der Kanton hat 2013 eine neue Wasserleitung 2 Meter an den Brunnen vorbeigezogen!
An vier öffentlichen "Beteiligungs"-Veranstaltungen“ zur Zukunft des Kasernenareals (2013/14) wurde vom anwesenden Baudirektor und Vertretern der Stadt nachdrücklich gefordert, die Brunnen unverzüglich wieder in Stand zu stellen und in Betrieb zu nehmen. Es war abzusehen, dass die Brunnen seither als Mahnmale behördlicher Geringschätzung, als Sinnbilder für vertrocknete Bürokratie, unverändert leer stehen. Inzwischen stellt eine andere Partei den Baudirektor, Es wäre naiv zu glauben, das mache einen Unterschied, es wäre auch naiv zu glauben, die Wasserversorgung Zürich würde den Zeughaushof in seine Brunnentour einbeziehen. geschweige denn sich beim Kanton für die Wiederbelebung dieser Brunnen einsetzen.