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Traumatherapeut Gregor Faust leitet das erste Männerhaus in der Stadt Zürich. Hier finden Opfer häuslicher Gewalt Sicherheit. «Gewalt ist nicht männlich. Gewalt ist menschlich», betont Gregor Faust.Bilder: PD

Wo Männer Schutz finden

Von: Ginger Hebel

22. März 2022

Gewalt betrifft alle – auch gestandene Männer. Vor wenigen Wochen hat in der Stadt Zürich das erste Männerhaus eröffnet. Opfer von häuslicher Gewalt finden hier Unterschlupf – die Nachfrage ist gross. 

Lange hat er seine Ängste und Sorgen verdrängt. Nichts gesagt, um seine Frau nicht zu provozieren. Nur gehofft, dass die Demütigungen und Vorwürfe aufhören. Bis der Streit eskalierte. In ihrer Wut ist sie mit dem Kochtopf auf ihn losgegangen und verletzte ihn. Dann zog er aus. Ins Männerhaus.

Traumatherapeut Gregor Faust leitet das erste Männerhaus in der Stadt Zürich. An geheimer Adresse. Hier finden männliche Opfer von häuslicher Gewalt Schutz und Begleitung. Der Verein «Zwüschehalt» wurde 2009 ins Leben gerufen und betreibt Häuser für gewaltbetroffene Männer in Bern, Luzern und neu auch in Zürich. Gregor Faust fand es bedenklich, dass in einer Stadt wie Zürich kein Männerhaus existierte, wohl aber Frauen- und Mädchenhäuser. «Gewalt ist nicht männlich. Gewalt ist menschlich.» Der Verein suchte intensiv nach einer geeigneten und finanzierbaren Immobilie in der Stadt. Vor wenigen Wochen konnte das erste Zürcher Männerhaus bezogen werden. Es bietet Platz für bis zu neun Personen, auch Väter mit Kindern finden hier Schutz.

Die Häuser werden von Fachpersonen mit persönlichem Engagement geleitet. «Wir nehmen uns Zeit. Und wir begleiten die Aufarbeitung des Konflikts», sagt Gregor Faust. Die Gesellschaft verändert sich und mit ihr die Rollenverteilung. Männer sehen sich heute nicht mehr nur in der Funktion des Ernährers und starken Beschützers. Sie engagieren sich verstärkt in der Kinderbetreuung und verdienen dadurch weniger. Einige plagen Job- und Geldprobleme. «Auf den Männern lastet auch viel Druck», sagt Faust. Ihm fällt auf: Männer, die häusliche Gewalt erfahren, reden vermehrt darüber. «Vielleicht nicht unbedingt am Arbeitsplatz. Aber sie suchen sich professionelle Hilfe, das ist eine sehr gute Entwicklung», betont Faust. Die vorherrschende Meinung, Männer seien unfähig, über Gefühle zu sprechen, lässt er nicht gelten. «Wenn man ihnen Raum lässt und wirklich zuhört, sprechen sie sehr wohl offen und differenziert darüber, was sie bewegt und was in ihnen vorgeht.»

Viele Formen von Gewalt

Für Gregor Faust ist klar: «Erst wenn wir anfangen, alle Opfer häuslicher Gewalt zu sehen, werden wir gute Lösungen finden können. Wir helfen, den Blick für die Gesamtsituation zu öffnen.» Der Verein wird weder von Bund noch Kantonen finanziell unterstützt und ist somit auf Spenden und Mitgliederbeiträge angewiesen. Derzeit sind zwei Männer im Männerhaus untergebracht. Gregor Faust ist als Torhüter vor Ort. Nicht alle Opfer wurden von ihren Frauen geschlagen. Oft steht psychische Gewalt im Vordergrund, die auf den ersten Blick nicht immer erkannt werde. Die Männer werden vor anderen blossgestellt, beleidigt oder tätlich angegangen, mit Messern und Eisenstangen. «Die meisten Männer sind den Frauen zwar körperlich überlegen. Es gibt aber auch die psychische Stärke», betont Faust.

Immer wieder bekommt er auch Telefonanrufe von Männern, deren Partnerin die Scheidung will. «Sie sind verzweifelt und wissen nicht, wie sie reagieren sollen.» Andere leiden unter dem Kontrollzwang der Frau oder übermässiger Eifersucht. Im Männerhaus kommen sie zur Ruhe. Im Zimmer stehen Bett, Schrank und Schreibtisch. Im gemeinsamen Aufenthaltsraum wird gegessen, es herrscht WG-Stimmung. «Plötzlich höre ich die Männer wieder lachen», sagt Faust. Er fühlt mit. «Aber ich bin kein Retter und auch kein Helfer, sondern Begleiter und Berater.» Die Männer bleiben so kurz wie möglich und so lange wie nötig. Die Kosten tragen sie selber, im Minimum 50 Franken pro Nacht, je nach Dauer. Der Aufwand für Betreuung, Beratung und Begleitung richtet sich nach dem individuellen Bedürfnis.

Es sind junge Männer ab 18, oft Väter mit Kindern, aber auch Personen über 60, die es zuhause nicht mehr aushalten. «Es ist die richtige Entscheidung, die gemeinsame Wohnung vorübergehend zu verlassen, wenn man merkt, dass ein Streit aus dem Ruder gerät und eine Situation gefährlich wird.» Viele Menschen leben in toxischen Beziehungen und in gegenseitiger Abhängigkeit. Männer, die das Männerhaus verlassen, kehren oft zu ihren Frauen zurück, in der Hoffnung, dass wieder gut kommt, was einmal gut war. Andere wagen einen Neuanfang.

Ist Gewalt verzeihbar? Gregor Faust: «Das muss jede Person für sich selber beantworten. Vergebung ist etwas Schönes, wenn man dazu bereit ist. Es ist aber auch legitim, wenn eine Person nicht verzeihen kann.» Denn es gibt keine Garantie, dass sich Gewalt nicht wiederholt.

Weitere Informationen: Männer- und Väterhaus Zwüschehalt Tel. 056 552 08 70 zuerich@zwueschehalt.ch

www.zwueschehalt.ch

 

 

 

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