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Mittagstisch in einer Tagesschule in Zürich. Hier reichen oft 80 Minuten für die Mittagspause, geht das Kind aber nach Hause essen, ist die Zeit oft zu knapp. Bild: PD

Zwang durch Zeitdruck?

Von: Sacha Beuth

15. Juni 2021

Im Zuge der Umsetzung des Pilotprojekts «Tagesschule 2025» haben mehrere Zürcher Schulen die Mittagspause verkürzt. Zum Nachteil der Schüler, die im Kreis ihrer Familie essen wollen. Mit einer Einzelinitiative wollte Stéphanie von Walterskirchen diese Benachteiligung rückgängig machen – blitzte aber im Gemeinderat ab.

Als 2018 die Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher über die Einführung des «Pilotprojekts Tagesschule 2025» abstimmten (und mit 77,3 % zustimmten), war im Vorfeld immer wieder die Freiwilligkeit der Tagesschule und des damit verbundenen betreuten Mittagstisches herausgehoben worden. Diese Freiwilligkeit ist aber laut Stéphanie von Walterskirchen nicht mehr gegeben beziehungsweise in Gefahr, wenn ab dem Schuljahr 2023 / 24 alle Schulen in die Tagesschule überführt werden sollen. Als Grund führt die Hausfrau und Mutter die Verkürzung der Mittagspause von 110 auf 80 Minuten, die viele am Pilotprojekt teilnehmenden Schulen vorgenommen hätten. «Je nach Örtlichkeit gehen schnell mal 40 bis 60 Minuten für den Weg nach Hause und zurück zur Schule drauf. Dadurch ist es vielen Kindern nicht mehr möglich, in Ruhe über Mittag zu Hause zu essen, zu entspannen und ihre Batterien aufzuladen», erklärt von Walterskirchen und ergänzt: «Kinder haben aber ein Recht dazu. Durch den Zeitdruck wird man als Eltern aber geradezu gezwungen, sein Kind über Mittag in der Schule zu lassen. Das ist eine klare Benachteiligung und Bevormundung für jene Familien, die ihr Kind über Mittag selbst und zu Hause betreuen wollen».

Und Stéphanie von Walterskirchen ist mit dieser Meinung nicht allein. «Bereits vor der Volksabstimmung sprach ich mit Leuten, die über die Pilotversuche Erfahrungen sammelten und die dieser Umstand ebenfalls störte.» Von Walterskirchen besinnt sich der demokratischen Mittel und startet im Frühling 2021 eine Petition. Die nötigen Unterschriften sind schnell zusammen, so dass sie ihre Einzelinitiative «Verzicht auf eine Kürzung der Mittagspause im Rahmen der Pilotprojekte und der Umsetzung der Tagesschule 2025» im Gemeinderat einreichen konnte. Dort wurde am letzten Mittwoch über eine «vorläufige Unterstützung» zur weiteren Behandlung des Themas befunden. Doch statt dem nötigen Quorum von 42 Stimmen kamen nur 18 zusammen.

Für die Initiantin eine herbe Enttäuschung. «Immerhin unterstützte mich die EVP und die FDP, nahmen hernach mit mir Kontakt auf und sagten, dass ihnen das Anliegen insgesamt zu weit ginge, gewisse Anpassungen aber durchaus prüfenswert seien. Dagegen kam von linksgrüner Seite nichts.» Auf Anfrage begründen sowohl SP wie GLP ihre Ablehnung damit, dass 80 Minuten betreute Mittagspause in der Schule genug seien. «Dies wurde auch durch eine extern in Auftrag gegebene Befragung bestätigt, laut der 78 Prozent der Befragten die Mittagszeit als ausreichend erachten. Entsprechend sehen wir keinen Handlungsbedarf», schreibt die GLP. Von Walterskirchen antwortete darauf, dass dies nur für diejenigen Eltern gelte, die ihre Kinder in der Tagesschule hätten. Für die, deren Kinder nicht daran teilnähmen, hielten 43 Prozent die Pause für zu kurz.

Auch die SVP zweifelt, ob 80 Minuten Mittagspause für Schüler generell ausreichend sind. Und auch sie empfindet die um rund einen Drittel verkürzte Mittagspause als Eingriff in die Wahlfreiheit bei der Betreuungsform. Trotzdem sei man (wie die anderen befragten Parteien, die Red.) der Überzeugung, dass die Tagesschule ihre Berechtigung habe. Das sieht auch von Walterskirchen so. «Das Modell Tagesschule per se steht für mich nicht zur Diskussion. Ich wäre in der Vergangenheit selbst froh gewesen, wenn ich meine Kinder über Mittag betreut hätte in der Schule lassen können. Ich will einzig, dass man auch wirklich eine Wahl hat.»

Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

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