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Porträt

Bezirzt noch heute mit seinem Schalk: Ernst Scheidegger. Bild: Monica Boirar

Der Mann, der einen Geldschein prägte

Von: Monica Boirar

12. November 2013

Der bedeutende Schweizer Autorenfotograf Ernst Scheidegger feiert am 30. November seinen 90. Geburtstag

Den wenigsten Menschen ist bewusst, dass sie mit einer Hunderternote im Portemonnaie Ernst Scheideggers geistiges Eigentum mit sich tragen. Das Porträt von Alberto Giacometti auf dem blauen Papier stammt vom weitgereisten Fotoreporter. Den materiellen Wert des Geldscheins begreift jedes Kind. Doch wie lässt sich das ideelle Gut eines ganzen Lebenswerks messen, wenn es sich um die Leistungen des Multitalents Ernst Scheidegger handelt? Es ist Gold wert, befand der Kanton Zürich im Jahr 2012 und zeichnete den Tausendsassa mit einer entsprechenden Ehrenmedaille aus.

Er habe zu viele Bücher gemacht, sagt der bald 90-jährige Weltenbummler, am Arbeitstisch seiner Wohnung im Zentrum von Zürich. Der Schalk schaut ihm aus den Augen, wenn er feststellt: «Mer wird älter.» Keines der Bücher war eines zu viel. Auch die vielen Berufe haben perfekt zu ihm gepasst: Fotograf der Agentur ­Magnum, Bild­redaktor der «Neuen Zürcher Zeitung», Ausstellungsmacher, Verleger, Galerist, Cineast und Maler. Der be­gnadete Vermittler besteht darauf, dass sein Leben eine Reihe von Zufällen gewesen sei. Zu seinen grossen Vorbildern zählt sein Freund Werner Bischof; das Wichtigste im Leben seien die Begegnungen mit anderen Menschen gewesen; einzigartig war diejenige mit Alberto Giacometti in seinen Ateliers von Stampa und Paris. Fotografien als «kulturelle Erinnerungen», wie Umberto Eco es auszudrücken wusste, zeigen eine Welt, die wir durch Scheidegger, mit seinem linken Auge durch die Optik seiner Kamera gesehen, zu kennen glauben. Wir betrachten die sichtbaren Erscheinungen, Tonbüsten, das viele Gips, die Hände beim Modellieren, die Zartheit der feingliedrigen Figuren. Sie sind aus der geheimen Königswelt des Künstlers, seinem tiefsten Innern entnommen, für uns ans Tageslicht gehievt, gerade so, dass die starken Emotionen, die sie hervorrufen, unseren Blick nach innen, zu den Tiefendimensionen unseres Seins lenken. Die ­Welten, mit dem Temperament des feinfühligen Fotografen gesehen, sind unaufdringliche, fast schüchterne, ­leise Momente von bleibendem Wert, kulturelle Rückblicke vom Feinsten.

Eine Präsentation von 15 Scheidegger- Fotografien wird von Ende November 2013 bis Mitte März 2014 neben Giacomettis Werken im Erdgeschoss des Kunsthauses gezeigt.

Buchtipp: Die Neuauflage (auch mit Farbfotos) von Scheideggers Klassiker «Spuren einer Freundschaft», Verlag Scheidegger und Spiess, ist im Handel erhältlich.

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