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Porträt

Nach zwei Burn-outs geht es Olivier Moos wieder gut. Psychisch gesund fühlt er sich heute, wenn Körper und Geist im Einklang sind.

Wenn der Druck zu gross wird

Von: Ginger Hebel

25. Oktober 2016

Olivier Moos musste seine Karriere an den Nagel hängen, weil der Leistungsdruck ihn krank machte. Nach zwei Burn-outs weiss er, was er anders machen muss, um gesund und glücklich zu sein.

In einer Leistungsgesellschaft wie der unseren sind gestresste Manager gute Manager. Sie tragen Verantwortung, sind erfolgreich – und immer erreichbar. Auch Olivier Moos (38) kletterte die Karriereleiter hoch, reiste als Unternehmensberater um die Welt, arbeitete die Wochenenden durch, ohne diesen unermüdlichen Einsatz je infrage zu stellen. Dass ihn dieser Weg ins Leere führen wird, musste er am eigenen Körper erfahren. Mit 32 Jahren erlitt er eine Erschöpfungsdepression. Seine hart erkämpfte Karriere musste er der Gesundheit zuliebe aufgeben. Heute ist er froh darüber, «ich war früher nicht glücklich.»

Burn-out ist in aller Munde, doch wenn die Krankheit ausbricht, ist sie noch immer ein Tabu. «Ein Burn-out, das haben doch die anderen, aber ich? Ich wollte das nicht wahrhaben», sagt Olivier Moos. Schlechte Fehlerkultur Schon als Kind wurde er auf Leistung getrimmt. Hinterfragt hat er das alles nie, «ich war sehr gut in Mathematik. Heute weiss ich, dass man das, was man gut kann, nicht zwingend auch gern macht.» Der 38-Jährige studierte Wirtschaft und wurde SAP-Berater bei einer IT-Firma, wo er die Bedürfnisse des Unternehmens analysierte und die Software anpasste. Er bildete die Schnittstelle zwischen Buchhaltung, IT und Controlling. Er trug Verantwortung, oft mehr, als im lieb war. «Wir hatten in der Firma eine schlechte Fehlerkultur», erinnert er sich. Dabei sei die Angst vor einem Fehler auch ein Fehler. Mit jeder Kritik wurden seine Selbstzweifel grösser und sein Immunsystem schwächer. Er war ständig erkältet, hatte Rückenschmerzen. Heute weiss er, dass alles mit der Psyche ­zusammenhängt. «Ich konnte nicht mehr schlafen, das war das Schlimmste.» Apathisch sass er nächtelang im dunklen Wohnzimmer.

Anspannung und Entspannung: Es braucht beides, um leistungsfähig zu sein. Doch nicht einmal Ferien auf dem Liegestuhl hätten ihm damals die nötige Erholung gebracht, «ich hatte diese Schwelle überschritten. Ich konnte nicht mehr abschalten.» Als er sich beim Hausarzt Schlafmedikamente besorgen wollte, diagnostizierte dieser eine mittelschwere Depression als Folge von Stress. Erst ein vierwöchiger Klinikaufenthalt brachte Besserung. Auch am neuen Arbeitsort wurde er nicht glücklich. «Ich sah in dieser Arbeit keinen Sinn mehr.» Er fiel ­erneut in ein Loch, doch diesmal schaffte er den Weg aus der Krise ­selber, «ich habe gemerkt, dass ich auf meinen Körper hören muss und mich darauf konzentrieren sollte, was mir Freude macht.» Derzeit arbeitet Olivier Moos an seinem Videoprojekt «Burnoutvoices», wo er Betroffene erzählen lässt, wie sie aus ihrem Burn-out herausgefunden haben. «Persönliche Geschichten können anderen Betroffenen helfen», ist er überzeugt. Zudem unterstützt er Unternehmen in präventiven Massnahmen rund um die psychische ­Gesundheit der Mitarbeiter.

Psychisch gesund fühlt er sich, wenn Körper und Geist im Einklang sind. «Mir geht es gut, wenn ich am Morgen aufstehe und denke, wenn jetzt ein Problem auf mich zukommt, dann kann ich damit umgehen.»

www.burnoutvoices.org

Morgen Donnerstag, 27. Oktober, von 14 bis 16 Uhr findet im Rahmen des Tages der psychischen Gesundheit eine öffentliche Veranstaltung im Doktorhaus, Gemeindesaal Wallisellen, Alte Winterthurerstrasse 31, statt. Diverse Institutionen, darunter das Selbsthilfecenter Zürich, informieren über ihr Angebot.

 

"Psychische Störungen zählen zu den häufigsten Krankheiten"

Im Selbsthilfecenter Zürich sind 40 Gruppen im Bereich psychische Erkrankungen wie Depressionen, Zwänge, Angst und Schlafstörungen registriert. Wie erklären Sie sich diese hohe Zahl?

Nadia Maurer*: Psychische Störungen zählen zu den häufigsten und einschränkendsten Krankheiten. Sie wirken sich nicht selten auf alle Lebensbereiche aus und belasten auch die Angehörigen. 42 Prozent der Kontaktaufnahmen mit dem Selbsthilfecenter betrafen im Jahr 2015 psychische Erkrankungen.

Wer nutzt das Angebot?

Unsere Beratung und Vermittlung nutzen sowohl direkt Betroffene wie auch Angehörige, die eine Selbsthilfegruppe suchen. Auch Fachpersonen schätzen, dass bei uns das Wissen über rund 400 Gruppen in der Region Zürich konzentriert ist.

Was bringt Selbsthilfe?

Selbsthilfegruppen haben sich bei psychischen Krankheiten als Ergänzung zur Therapie als hilfreich erwiesen, weil sie entlastende und gesundheitsfördernde Effekte haben. In den Gruppen finden die Teilnehmenden gemeinsam Lösungen für die Bewältigung des Alltags. Selbsthilfegruppen für Angehörige können dazu beitragen, das Wissen und das Verständnis über Krankheiten und Verhaltensweisen zu vertiefen, aber auch Distanz zu gewinnen und eigene Bedürfnisse wahrzunehmen.

* Nadia Maurer ist stellvertretende Geschäftsleiterin des Selbsthilfe­centers an der Jupiterstrasse 42. www.selbsthilfecenter.ch

Was ist Burn-out?

Der Begriff Burn-out kommt aus dem Englischen «to burn out» = ausbrennen und steht für einen emotionalen, geistigen und körperlichen Erschöpfungszustand, der durch eine Antriebs- und Leistungsschwäche gekennzeichnet ist. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert psychische Gesundheit wie folgt: Ein gesunder Mensch kann seine Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen und ist imstande, etwas zu seiner Gemeinschaft beizutragen. Wenn Belastungen zu gross werden, kann es zu einer Erkrankung kommen. Aktuell läuft eine Kampagne zum Thema: www.wie-gehts-dir.ch

 

 

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