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Reportage

So fing alles an: die Gründerväter der Zunft zu Wiedikon mit Anhang im Jahr 1898. Bild: Zunft zu Wiedikon

125 Jahre Zunft zu Wiedikon – eine Erfolgsgeschichte

Von: Sacha Beuth

23. August 2022

Im Jahr 1897 gegründet, ist die Zunft zu Wiedikon längst ein wichtiger Bestandteil des Quartiers geworden. Zusammen mit der lokalen Bevölkerung feiert sie nun ihr 125-Jahr-Jubiläum und zeigt dabei, dass sich die Ziele von einst gut mit den Zielen der heutigen Zunft vereinbaren lassen. 

Mit einem Hinweis – oder vielmehr einem versteckten Vorschlag – fing es am 13. Februar 1897 bei der Generalversammlung des Quartiervereins Wiedikon an. Damals bemerkte der Aktuar und spätere erste Zunftpräsident (=Zunftmeister) Carl Gattiker, dass gemäss Vorschriften des Sechseläuten-Zentralkomitees jedes Quartier eine Zunft gründen könnte. Alles, was es dazu brauche, seien zwei Fahnen, zwei Becher und die Zunftinsignien. Flugs wurde darauf eine Kommission zur Gründung einer Zunft gebildet und schliesslich am 11. Dezember bei der ersten Versammlung mit 23 künftigen Zöiftern im Gasthof Falken die Zunft zu Wiedikon ins Leben gerufen. Es ist der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Betrug die Zahl Mitglieder zur Gründung nur 68 Personen, so musste diese seit einigen Jahren wegen des hohen Interesses auf einen Maximalbestand von 130 Personen plafoniert werden. Andere Dinge haben sich nicht oder nur unwesentlich geändert. Noch immer ist es wie zur Zeit der Gründung das Ziel der Zunft «die Hebung und Pflege der Geselligkeit unter den in der ehemaligen Gemeinde Wiedikon wohnenden Schweizer Activbürger. Sie soll insbesondere bei der Feier der allgemeinen stadtzürcherischen Feste und Anlässe jeder Art mitwirken und soweit es die ordentlichen Zunftmittel gestatten, edle Bestrehbungen fördern helfen und namentlich tüchtigen jungen Leuten von gutem Charakter mit Rat und That beizustehen». So lautet Paragraph 1 der Zunftstatuten, wobei die Bemühungen auch schon mal etwas ausuferten, wie ein Bericht über das Martinimahl von 1900 zeigt: «Bis spät nach Mitternacht liessen sich die Zünfter ergehen in Freude und Freundschaft und zum Schluss übten sich die jüngeren Herr Zünfter noch einlässlich im Boxerspiel, in Kraftübungen u. s. w. bis sogar zum Abdrehen von Tisch- und Stuhlbeinen.»

Als erfolgreich kann auch das Bemühen um namhafte Ehrengäste angesehen werden. So kann die Zunft zu Wiedikon mit zahlreichen Prominenten aus Politik, Kultur und Sport auftrumpfen, darunter etwa die Bundesräte Adolf Ogi, Christoph Blocher, Karin Keller-Sutter (damals Ständerätin), Regierungsrat Mario Fehr, SRF-Moderatorin Cornelia­ Boesch, Ex-Fussballer Beni Huggel oder Ex-Miss-Schweiz Anita Buri.

Zudem ist die Zunft mitverantwortlich dafür, die Tradition der ehemaligen Gemeinde, den «Dorfgeist» in die Gegenwart hinübergerettet zu haben. So lebt dank ihr das alte Gemeindewappen als Zunftwappen weiter. Durch die Festivitäten zum 125-Jahr-Jubiläum, die am 4. September beginnen, soll die Verbundenheit zwischen Zunft mit dem Quartier und der Wiediker Bevölkerung noch weiter verstärkt werden.



 

«Die beste Zunft im besten Quartier»

Thomas Gerster (53), 1. Zunftschreiber und OK-Verantwortlicher für die 125-Jahr-Feierlichkeiten, erklärt, was seine Zunft auszeichnet und warum er sich so sehr auf den Bürgertrunk freut.

Auf welchen Anlass zur 125-Jahr-Feier Ihrer Zunft freuen Sie sich besonders?

Thomas Gerster: Auf den Bürgertrunk (siehe Box links unten) und zwar, weil wir uns an diesem Anlass präsentieren und mit der Bevölkerung eine Wurst geniessen können. Das gibt uns die Chance, das Stigma der Unnahbarkeit abzulegen. Als Vater freue ich mich zudem aufs Kinderprogramm mit vielen lustigen An­geboten. Hoffentlich machen viele Leute Gebrauch von davon.

Trotz ihrer 125 Jahre zählt die Zunft zu Wiedikon zu den jüngeren Zünften. Liest man die Infos zur Historie der Zunft, schien anfangs der Andrang um eine Mitgliedschaft nicht besonders gross gewesen zu sein. Zur Gründungsversammlung erschienen nur 23 Personen. Wie ist das zu erklären?

Da können wir nur Vermutungen anstellen. Wiedikon war ja erst vier Jahre zuvor von einer eigenständigen Gemeinde ein Stadtquartier geworden. Das Zunftwesen war darum etwas Neues. Ausserdem war damals der Stolz, eine eigenständige Gemeinde zu sein, viel stärker als heute. Darauf beruht wohl der heutige noch überdurchschnittliche Quartiergeist der Wiediker. Andererseits stieg die Mitgliederzahl rasch, was zeigte, dass sich die neu in die Stadt aufgenommenen Bürger mit Zürich und seinem Brauchtum identifizieren konnten und wollten.

Wiedikon ist bekannt für seinen hohen Anteil an jüdischen Mitbürgern. Diese waren aber teilweise über Jahrzehnte von der Teilnahme an Organisationen ausgeschlossen. Wie handhabte dies die Zunft zu Wiedikon?

In der Zunft herrschte von Anfang an Religionsfreiheit. Allerdings fanden und finden gewisse Anlässe an Samstagen statt, was für orthodoxe Juden ein Problem sein kann.

Ein nicht abreissendes Diskussionsthema ist die Aufnahme von Frauen in die offiziellen Zürcher Zünfte. Wird hier Wiedikon bald mit gutem Beispiel vorangehen?

Nein, denn es ist grundsätzlich nicht gut, wenn bei solchen Angelegenheiten nur eine Zunft vorangeht. Das muss man zusammen beschliessen. Abgesehen davon sieht es aus, als wäre dieses Thema im Moment in der Zunft zu Wiedikon nicht mehrheitsfähig. Trotzdem dürfte es weiter diskutiert werden. Und als Ehrengäste nehmen Frauen bereits heute an unserer Seite am Sechseläuten teil.

Inwieweit unterscheidet sich die Zunft zu Wiedikon von anderen Quartierzünften?

Wir sind die Besten vom besten Quartier. Leider behaupten dies die anderen Zünfte auch von sich (lacht). Im Ernst: Ein kleiner Unterschied besteht vielleicht darin, dass es bei uns relativ viele Anlässe gibt. Wir treffen uns häufiger – übrigens teilweise mit weiblicher Begleitung.

Wie viele Mitglieder zählt aktuell Ihre Zunft?

Heute beträgt der Maximalbestand 130 Zünfter. Dies hat primär mit der Grösse des Zunftsaals zu tun. Aktuell zählt die Zunft zu Wiedikon 126 Zünfter. In den 70er und frühen 80er Jahren war der Maximalbestand erreicht, und es gab nach dem Aufnahmeverfahren teilweise 2- bis 3-jährige Wartezeiten bis zur effektiven Aufnahme in die Zunft. In Kürze müssen wir möglicherweise wieder Wartelisten einführen, da wir momentan mehr Bewerber als freie Plätze haben.

Was muss ein Kandidat ideell und materiell mitbringen, damit er in Ihre Zunft aufgenommen wird?

Materiell relativ wenig. Nebst dem Jahresbeitrag von 700 Franken einmalig eine Aufnahmegebühr, die sich nach dem Alter des neuen Zünfters richtig, sowie ein Eintrittsgeschenk, Kostüm und Zunftlaterne. Ein dickes Portemonnaie ist bei der Aufnahme in unsere Zunft nicht entscheidend. Wichtiger ist, dass man Spass an Traditionen und an Geselligkeit hat, sich engagiert und mit dem Quartier verbunden ist.

Von Ausstellung bis Zunftumzug: die Höhepunkte der 125-Jahr-Feierlichkeiten

Der Start zum Festprogramm zum 125-Jahr-Jubiläum der Zunft zu Wiedikon erfolgt mit einer Ausstellung im Ortsmuseum an der Stein- strasse 8. Hier wird vom 4. September bis zum 2. Oktober 2022 die Geschichte der Zunft zu Wiedikon mit Bildern von diversen Fotografen präsentiert. Zudem wird der rund 45-minütige Film «Wiedikon – gestern & heute», erstellt durch den Quartierverein Wiedikon, von Historikerin Ursula Tschirren und Filmemacher Flavian Cajacob in einer Endlos-Schleife gezeigt. Der Eintritt ist kostenlos, Öffnungszeiten der Ausstellung bzw. des Museums: www.ortsmuseum-wiedikon.ch. Am Mittwoch, 7. September, 16.30–18.30 Uhr, findet die erste von 4 historischen Quartierführungen statt (Voranmeldung erforderlich über: 125Jahre@zunft-zu-wiedikon.ch). Treffpunkt ist das Ortsmuseum Wiedikon. Der für viele wohl attraktivste Event dürfte der Bürgertrunk für die Bevölkerung am Samstag, 1. Oktober, ab 12.30 Uhr im Gasthaus Falken sein. Bei einer von der Zunft offerierten Wurst mit Bürli sowie einem Bier oder Mineral bietet sich die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen und über Stadt, Quartier und Zunft oder sonst ein Thema zu plaudern. Der Zürcher Stadtrat, voraussichtlich mit einer 3er-Delegation, und zahlreiche lokal verwurzelte VertreterInnen aus Politik, Gewerbe und Vereinsleben sowie eine grosse Zahl an Zunftmeistern der Zünfte Zürichs werden der Zunft zu Wiedikon und dem Anlass die Ehre erweisen. Damit Kinder und Jugendliche nicht zu kurz kommen, wird gleichentags ab 13.15 Uhr ein Mittelalter-Spielnachmittag veranstaltet, wo man seine Fertigkeiten beim Kerzenziehen, Zunft-Kostüm- Kreieren und Basteln von Ritter- und Burgfräulein-Utensilien unter Beweis stellen und sich mittelalterlich schminken lassen und spannende Märchen hören kann. Ab 14.15 Uhr kommen dann alle Alterskategorien in den Genuss des Zunftumzuges, wo die kostümierten Zünfter der Zunft zu Wiedikon sowie die geladenen Gäste, angeführt und musikalisch begleitet von der Zunftmusik der Zunft (Brass Band Zürich), während rund einer Dreiviertelstunde vom Gasthof Falken aus durch das Quartier Wiedikon ziehen werden.

Weitere Infos zur Zunft zu Wiedikon: www.zunft-zu-wiedikon.ch

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