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Reportage

Die Réceptionisten Wilson Wong, Eric Berthold, Michael Ramseier und Naomi Nossonkanza (von links) erzählen der «Tagblatt»-Kolumnistin Maja Zivadinovic (Mitte) die spannendsten Geschichten, die sie im 25hours-Hotel an der Langstrasse erleben. Bild: Nicolas Y. Aebi

25 Stunden Rambazamba

Von: Maja Zivadinovic

14. August 2018

AM PULS: Seit das 25hours-Hotel an der Langstrasse seine Pforten geöffnet hat, ist das Hotel aus dem Kreis 4 nicht mehr wegzudenken. Ein Augenschein während einer Nachtschicht verrät: Langweilig wirds hier nie.

Am meisten schmunzeln muss Eric Berthold bei One-Night-Stand-Pärchen, die kurzfristig ein Zimmer buchen wollen. Vor allem bei der Frage, wer bezahlt, entstehen gerne mal peinliche Situationen. Berthold erlebt genau diese Situation an Wochenenden mehrmals. Der 31-Jährige arbeitet als Réceptionist im 25hours-Hotel an der Zürcher Langstrasse. Berthold ist von Anfang an dabei.

Seit das bunte Hotel im April 2017 eröffnete, hat er schon viel erlebt. Da ist die stets alkoholisierte Frau, die jeweils kommt, um ihr Handy aufzuladen. Gut in Erinnerung ist dem Front-Office-Mitarbeiter auch ein Mann geblieben, der mehrmals hintereinander kam, stets in einer anderen Aufmachung. Einmal mit Bart, einmal ohne. Einmal leger gekleidet, einmal im Businessdress. «Er wollte mir eine alte Luft­hansa-Tasche abschwatzen. Ein Deko-Stück, das wir nicht verkaufen.»Die Réception ist im Hotel, das auch bei Gästen auf eine Du-Kultur setzt, 24 Stunden besetzt. «An Wochenenden rufen gerne mal Gäste aus ihren Zimmern an, um zu fragen, ob wir Kondome haben.» 

Zum ersten Mal Sneakers an der Réception

Naomi Nossonkanza hat heute Samstag Spätschicht. Lachend sagt sie: «Oh ja, einer wollte sogar mal, dass ich ihm die Gummis ins Zimmer bringe.» Das habe sie dann aber nicht gemacht. Die einzige Dame, die hier heute im Einsatz ist, wird gerade von einem Gast gehighfived. Er erzählt ihr aus seinem Liebesleben. Läuft schlecht. Seine neue Freundin lässt ihn einfach nicht zu sich nach Hause. Zu ihm will sie auch nicht. So kommt es, dass der Gute mit der Angebeteten hier schon öfters ein Zimmer gebucht hat. Ob sie heute noch kommt, weiss er gar nicht.

Er aber geht hier ein und aus, als würde er hier wohnen. «Er ist zwar stets angetrunken, aber immer anständig und sehr nett», erklärt Naomi Nossonkanza. Und solange es so ist, ist der Gast in seinen Flipflops, seinen Bermudas und seinem Comicshirt stets herzlich willkommen. Eigentlich sind es genau solche Menschen und Geschichten wie die des Stammgastes, die Naomi Nossonkanza hier so schätzt. «Die Atmosphäre in unserem Hotel ist unglaublich cool, locker und menschlich. Zum ersten Mal darf ich als Réceptionistin Sneakers und bequeme Hosen und Jeanshemden tragen.»

Die Réceptionistin arbeitet heute mit Michael Ramseier. Der 26-Jährige absolviert hier seit April 2018 ein Praktikum. «Anfangs dachte ich, dass nur Partyleute aus aller Welt bei uns einchecken. Dem ist aber überhaupt nicht so. Wir haben Pärchen, Familien mit Kindern, Businessleute und natürlich auch junge Gäste, die in Zürich Party machen wollen.»

Je später die Nacht, desto wilder die Geschichten

Nachtschichten macht Ramseier keine, aus dem Nähkästchen weiss der Berner dennoch zu erzählen. «An einem Sonntagmorgen, kurz nach 6 Uhr, ich war gerade erst angekommen, rief ein Gast an, um zu sagen, dass oben bei den Zimmern jemand an Türen poltert.» Es handelte sich um eine sehr betrunkene junge Dame, die sich verirrte und behauptete, ihre Freunde würden hier ein Zimmer haben. Auch wenn an dieser Geschichte nichts dran war, hievten Ramseier und Nossonkanza die Frau runter zur Réception, wo sie ihr Wasser gaben, bevor sie dann freiwillig ging.

An diesem heissen Samstagabend ist auch Wilson Wong im Einsatz. Er ist ebenfalls seit der Eröffnung und nur nachts im Einsatz. Wong weiss: «Ob du unter der Woche oder an Wochenenden Nachtschicht hast, ist wie Tag und Nacht.» Unter der Woche könne es auch mal gespenstisch ruhig werden. An den Wochenende, da herrsche stets Rambazamba.

Je später die Nacht, desto wilder die Geschichten, die sich Leute einfallen lassen, die an der Tür klingeln. Wenn nämlich die Bar um 2 Uhr schliesst, kommt man ohne Hotelkarte nicht mehr rein. «Nicht nur Betrunkene, aber vor allem Alkoholisierte lassen sich die wildesten Geschichten einfallen, um sich Zugang zu verschaffen.» Die Réceptionisten wägen dann stets ab. «Man entwickelt schnell ein Gefühl für Lügengeschichten», sagt Wilson. Manchmal komme es auch vor, dass jemand an die Scheibe pinkle oder ausfällig werde. Das sei aber die Ausnahme. Und gehöre halt hier im Quartier irgendwie auch dazu.

Das oberste Gebot

 Welches ist eigentlich die am meisten gestellte Frage, welche die Réceptionisten beantworten müssen? «Seid ihr ein Hotel?», schiesst es aus Naomi Nossonkanza heraus. «Wie wahr!», sind sich alle unisono einig. Die junge Frau will gerade ausholen und noch mehr erzählen, als sie vom Stammgast im Comicshirt unterbrochen wird. Ob sie was trinken wolle. Sie sei im Einsatz, antwortet sie und lacht. Vielleicht nach der Schicht? Die 24-Jährige winkt charmant ab und verweist den jungen Mann an seine Freundin. Es ist kurz nach Mitternacht.

Zwei Koreaner wollen einchecken. Sie sind müde von der langen Reise. Eine Gruppe junger Männer will wissen, wo denn heute die angesagtesten Partys steigen. Das Réception-Team ist stets gut informiert und erklärt geduldig. Guter Service und gute Laune sind hier oberstes Gebot – und zwar 25 Stunden täglich. So will es der Name der Hotelkette: «Unser Anspruch ist es, dass sich der Gast länger als rund um die Uhr aufgehoben und herzlich willkommen fühlt.» Ein Credo, welches das heutige Quartett nicht nur auswendig aufsagen, sondern auch leben kann.

Naomi Nossonkanza und Michael Ramseier haben nun Feierabend. Der Stammgast wittert seine Chance. Seine «Freundin» sei verheiratet. Das werde nichts. Naomi heitert ihn auf und motiviert ihn, sich anderweitig umzusehen, bevor sie sich mit Handkuss verabschiedet. «Siehst du?», sagt sie. «Man kann hier gar nicht nicht gerne arbeiten!»

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