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Reportage

Die Elefanten des Circus Knie gestern und heute: Charles Knie (1888–1940) mit Dicky, Queeny und Rosa im Jahr 1929. Bild: Circus-Knie-Archiv

Als Elefanten noch «Männchen» machten

Von: Isabella Seemann

11. August 2020

ZIRKUS Die Elefanten des Circus Knie waren während rund 100 Jahren quasi Schweizer Kulturgut – fast jeder hat Erinnerungen daran. Ein neuer Bildband würdigt die Rüsseltiere inner- und ausserhalb der Manege.

Hübsch geschmückt sitzt die 35-jährige und dreieinhalb Tonnen wiegende Sandry bei einer Partie Schach. Die wuchtige Elefantendame des Circus Knie ist eine Attraktion an der Schweizerischen Gartenbau-Ausstellung in Zürich im Jahr 1959. Das Foto stammt aus dem kürzlich im Zürcher Verlag Scheidegger & Spiess erschienenen Werk «100 Jahre Knie-Elefanten». Das Buch ist in vielerlei Hinsicht ein dickes Ding: 266 Doppelseiten stark und mit vielen berührenden Bildern versehen, die Kindheitserinnerungen lebendig werden lassen. Es dokumentiert den Wandel bei der Elefantenhaltung und -dressur, die in den vergangenen hundert Jahren massgeblich von der Familie Knie über fünf Generationen geprägt und entwickelt worden ist. Und schliesslich zeigt das reichhaltig illustrierte Werk auch auf, wie sich das Bewusstsein und die Einstellung gegenüber den Tieren geändert haben.

Es ist eine Liebeserklärung und ein Abschiedsgruss zugleich. Verfasst von Franco Knie, Repräsentant der sechsten Generation der Zirkus-Dynastie und Gesamtverantwortlicher des Knies Kinderzoo, und Kurt Müller, dem Zoo-Kurator.

Nachdem Tierschützer jahrelang gegen den Einsatz von Tieren in Zirkussen kämpften, kündigte der Circus Knie 2015 an, fortan keine Elefantendressuren mehr in der Manege aufzuführen. Der Familien­betrieb konzentriert sich seither auf die Zucht für seinen Zoo in Rapperswil. Dort haben sieben Kühe und zwei Bullen ein permanentes Zuhause gefunden, ein geräumiges Gehege mit Auslauf, Badestelle und Rückzugsmöglichkeiten.

Stars und Botschafter

Bis nach Rapperswil und den damit einhergehenden Erkenntnissen zur Elefantenhaltung war es ein langer Weg – auch für den Schweizer Nationalzirkus. Daraus macht auch das Buch keinen Hehl.

In den 100 Jahren, seit der Circus Knie «Queeny» und «Dicky» kaufte, gab es keine anderen Tiere, die so eng mit dem Zirkusleben identifiziert wurden wie die Elefanten. Sie zierten die Plakate wie Stars, sie liefen in Paraden, die die Ankunft des Zirkusses in den Schweizer Dörfern und Städten ankündigten. In Zürich marschierten sie auf der Bellerivestrasse zum Sechseläutenplatz. Vor Globalisierung und Massentourismus waren sie Botschafter exotischer Länder und sorgten für Exotik und Magie unterm Zirkuszelt. Das Buch zeichnet den Bogen nach, wie man Elefanten gesehen hat: von Sensationsgier übers Staunen über die vollbrachten Kunststücke – «Mached schöns Männli!» – zu Mitgefühl.

Was in dem Buch auch sichtbar wird, ist die besondere Zuwendung, die die Tiere im Schweizer Nationalzirkus auch schon zu Zeiten erfuhren, als Tierschutz noch kaum eine Rolle spielte: Elefanten bei einem Waldspaziergang, beim Baden im See oder der wohl aufwendigsten Fusspflege der Welt.

Weitere Informationen: Franco Knie und Kurt Müller: «100 Jahre Knie-Elefanten – Geschichte und Perspektiven der Elefantenhaltung in Wort und Bild» Verlag Scheidegger & Spiess, 2020.

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