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Reportage

Gefiederte Wintertouristen: Schwarm Reiherenten. Bild: Stefan Wassmer/BirdLife Zürich

Badegäste aus dem hohen Norden

Von: Sacha Beuth

12. Januar 2021

Während es viele heimische Vögel in südliche Gefilde gezogen hat, gibt es auch mehrere Arten Wasservögel, die aus dem Norden zu uns kommen und im und am Zürichsee überwintern. Dort lassen sich mit etwas Glück jetzt nicht nur Tafelenten, sondern auch Schnatterenten und sogar ein Nachtreiher beobachten. 

Zürich ist trotz Corona dieser Tage ein beliebtes Reiseziel für Touristen aus dem hohen Norden. Zum Leidwesen der hiesigen Hoteliers handelt es sich dabei allerdings nicht um zahlende Zweibeiner, sondern um gefiederte Badegäste, die sich gratis und franko im und am Zürichsee gütlich tun. Durchschnittlich werden hier von der Vogelwarte Sempach rund 26 000 Wasservögel überwinternde Wasservögel gezählt. Unter diesen sind Reiher-, Tafel- und Kolbenenten, Lachmöwen sowie Kormorane zahlenmässig besonders stark vertreten. Während der frühen Morgenstunden sind Erstere oft in grösseren Trupps im Bereich Landiwiese und Chinawiese zu sehen, zu denen sich vereinzelt die ebenfalls mehrheitlich ziehenden Schnatter- und Krickenten gesellen. Lachmöwen findet man vor allem im Pulk mit Stockenten im Uferbereich des Bürkliplatzes. Der Lieblingsplatz vieler Kormorane scheint dagegen das Floss und das grosse Rohr bei der Badi Mythenquai zu sein. Auch ein Nachtreiher und Eiderenten wurden kürzlich als Raritäten auf bzw. am Zürichsee gesichtet, wobei allerdings bei Letzteren unklar ist, ob es sich um Zieher oder Standvögel handelt.

Futtermangel, nicht Kälte ist das Problem

Entgegen der allgemeinen Meinung sind es nicht in erster Linie die milderen Temperaturen, welche die Wasservögel nach Zürich locken. «Gerade Gänse- und Entenvögel vertragen im Allgemeinen Kälte recht gut. Sie können sogar ihre Durchblutung so steuern, dass sie nicht mit den Füssen auf dem Eis festfrieren», erklärt Christian Breitler, Wildhüter bei Grün Stadt Zürich. Ursache für den saisonalen Umzug ist vor allem das Nahrungsangebot. «Während im hohen Norden die Gewässer zugefroren sind und somit die Vögel weder tauchend noch gründelnd an Futter gelangen können, sind Schweizer Gewässer wie der Zürichsee in der Regel eisfrei und weisen zudem eine hohe Wasserqualität auf, was das Wachstum der tierischen und pflanzlichen Nahrung begünstigt», so Breitler. Deshalb sei es auch völlig unnötig, Wasservögel zu füttern. «Es ist sogar meist der Gesundheit der Tiere abträglich und fördert die Verbreitung von Krankheiten. Denn wo es Futter gibt, kommen sich Tiere näher als sonst. Social Distancing kennen sie nicht.»

Die Zeit auf dem Zürichsee nützen die Wintergäste aber nicht nur, um sich die Bäuche zu füllen. Ausgestattet mit dem prächtigen Balzgefieder, geht es auch auf Partnersuche. Dabei kann es dann auch wie bei den Menschen vorkommen, dass sich ein «Tourist» in eine lokale Schönheit verguckt, mit ihr eine Paarbeziehung eingeht und, statt hin- und herzuziehen, gleich ganz in Zürich bleibt.

 

 

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