mobile Navigation

Reportage

Fischotter des Zoo Zürich büxten gelegentlich des Nachts aus ihrem Gehege aus, um am Lockfutter für Marder zu schnabulieren, kehrten danach aber umgehend immer von sich aus in ihre Anlage zurück. Bild: Zoo Zürich / Enzo Franchini

Bleiben Sie neugierig!

Von: Alex Rübel

22. Juni 2020

ZOO INTERN Alle zwei Wochen berichtet das «Tagblatt» über Neues oder Wissenswertes aus dem Tiergarten. Mit einem Beitrag über verschiedene gewitzte Zootiere verabschiedet sich Alex Rübel in den Ruhestand. An seiner Stelle wird der neue Zoodirektor Severin Dressen ab dem 8. Juli die beliebte Serie fortführen.

Liebe Zoofreunde, in dieser Kolumne habe ich – auch mit Hilfe meiner Mitarbeitenden – seit mittlerweile mehr als fünf Jahren alle zwei Wochen über ein Tier berichtet. Das habe ich sehr gerne getan, weil ich tief von unserem Wahlspruch überzeugt bin: nur «Wer Tiere kennt, wird Tiere schützen». Es war immer mein Ziel, Ihnen hier ein spannendes Tier und sein (ungewöhnliches) Verhalten näherzubringen und zwar eben nicht nur Elefanten, Tiger und Nashörner, sondern auch die unscheinbareren Mitbewohner unseres Planeten, wie zum Beispiel Nacktmull oder Tomatenfrosch.

Wissen ist die Grundlage, wenn wir unser Verhalten gegenüber der Natur verbessern wollen. So habe auch ich im Zoo immer wieder Neues gelernt. Beispielsweise konnte ich einst die wenig beliebten Krähen dabei beobachten, wie sie die Baumnüsse unseres Nussbaums in der damaligen Wallabyanlage aufsammelten und auf den geteerten Besucherweg fallen liessen. Manche Nüsse sprangen dabei sofort auf, bei anderen warteten die Vögel geduldig, bis die Besucher über die Nüsse liefen und ihnen damit den Zugang zum schmackhaften Innern erleichterten. Welche Intelligenz!

Manche Menschen glauben auch, die Tiere fühlten sich im Zoo eingesperrt – welch ein Irrtum! Ist die Anlage gut, abwechslungsreich und tiergerecht gestaltet, ist sie nicht ein Gefängnis, sondern Heimat. Besonders schön zeigen konnten wir dies mit den goldgelben Löwenäffchen, die sich frei im ganzen Zoo bewegten und abends stets in ihre Schlafkammer zurückkehrten. Oder mit dem Leierhirsch, der sich jeweils nachts einen Ausflug in den Elefantengraben leistete, weil er dort das feinste Futter fand, und am Morgen wieder unschuldig im Gehege stand.

Nächtlicher Freigang

Doch mein erstaunlichstes Erlebnis hatte ich, als wir einst im Frühjahr die Marder mit Hackfleisch fütterten, damit sie nicht unsere Enten holten, wenn sie gerade Junge aufzogen. Vorher hatten wir die Marder jeweils eingefangen und 100 km entfernt wieder ausgesetzt, was nicht viel nützte, weil dafür sofort andere kamen. Eines Tages meldete nun der Tierpfleger, dass er neben dem Marderfutter Kot mit Fischgräten gefunden habe. Natürlich vermuteten wir sofort, dass einer unserer Fischotter ausgebüxt sei. Diese werden ja auch als Wassermarder bezeichnet. Eine Kontrolle des Fischotter-Pärchens, das gerade vier Junge aufzog, zeigte indes: Alle sind da. Nachdem sich der Grätenfund wiederholte, hielt der Tierpfleger Nachtwache und erlebte eine Überraschung. Ein Fischotter erschien beim Napf. Es war die Mutter der vier Jungen, die sich über das Hackfleisch hermachte – und anschliessend sogleich mit einem Riesensprung in ihre Anlage, ihre Heimat, zurückkehrte. Sicher verstand diese Fischottermutter ihr Gehege nicht als Gefängnis. Und auch hier hat sich bestätigt, dass nur gutes Beobachten zeigt, was wirklich passiert.

Mit dieser Kolumne verabschiede ich mich von Ihnen. Bleiben Sie neugierig und versuchen Sie, die Tiere nicht nur aus menschlicher Sicht, sondern aus der Sicht des Tiers zu verstehen. Dann gelingt es uns Menschen auch, mit den Tieren in Eintracht zu leben. Ich wünsche Ihnen viel Spass, neue faszinierende Tiergeschichten und danke Ihnen für Ihr Interesse.

Das «Tagblatt» bedankt sich für die tollen Beiträge und wünscht Alex Rübel alles Gute für seinen Ruhestand.

zurück zu Reportage

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare