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Reportage

Im beschaulichen Zurich in Friesland sammelt der Holländer Johan Pollema seit Jahren Post, die fälschlicherweise in der Schweiz gelandet ist. Bilder: PD, Marcel Schläfle

Briefe nach Zurich

Von: Clarissa Rohrbach

15. März 2016

Die Bewohner des friesischen Zurich warten länger auf ihre Briefe. Grund: Die holländische Post verwechselt das Dorf mit Zürich.

8751 Zurich. Das muss irgendwo in Schwamendingen sein, oder? Falsch. Das 170-Seelen-Dorf liegt rund 900 Kilometer von Zürich entfernt in der niederländischen Provinz Friesland. Pöstler begehen den gleichen Irrtum und leiten Briefe anstatt nach Holland ins hiesige Zürich. Erst nach wochenlangen Umwegen landen sie dann im kleinen Dorf.


Der 65-jährige Johann Pollema hat aus dem Fehlversand ein Hobby gemacht. An der Fassade seines Fischergeschäfts in Zurich hängt eine Plakatwand, die den Titel trägt «verdwaalde post» – verirrte Post. Dort haften Couverts, auf die nachträglich in Grossbuchstaben «Niederlande» gekritzelt wurde. Fehlt nur noch das Ausrufezeichen. Fast schon 100 Briefe zählt Pollemas Sammlung bereits. Die ersten waren an ihn adressiert, dann gaben ihm auch die Nachbarn ihre fehlgeleitete Post. «Ich wurde schon angerufen, wieso ich meine Rechnungen nicht bezahle», sagt Pollema. Andere hätten deswegen ihre Fahrprüfung verpasst. Die Wand mit den verirrten Briefen sei bei Touristen sehr beliebt, sie würden extra bei ihm vorbeikommen, um Fotos davon zu schiessen.


Laut der Niederländischen Post kommt die Verwechslung immer seltener vor. Denn die Briefe werden mit Maschinen sortiert, welche die Adresse sofort erkennen, sofern diese korrekt angegeben ist. «Ist die Adresse unvollständig, wird die Post von unseren Mitarbeitern persönlich weitergeleitet. In diesen Fällen steigt das ­Risiko einer Verirrung», sagt Pressesprecherin Irene Dijkstra. Die ähnliche Postleitzahl trage zum Missverständnis bei.


Einmal in der Schweiz angekommen, landen die Briefe im Briefzentrum International. Von da werden sie zur nationalen Sortierung gebracht. Dort erkennt man laut Pressesprecher Bernhard Bürki die Fehlzuleitung, ­sodass die Post wieder nach ­Holland geschickt werde.


«In Zurich gibt es nichts»
Doch das kleine Zurich profitiert auch von seinem Namen. «Rund 1000 Zürcher besuchen jährlich unseren Namensvetter», sagt Marcel Schläfle. Der Art Director bei Ruf Lanz hat vor fünf Jahren hier einen VBZ-Werbespot gedreht. Das Motto: So ruhig wäre Zürich ohne ÖV. «Tatsächlich gibt es in Zurich praktisch nichts. Die Leute freuen sich über jeden Besuch.» Während der Dreharbeiten übernachtete die Crew im einzigen Hotel des Dorfes, De Steenen Man. Dort gibt es ein Gästebuch nur für Zürcher. ­Darin kleben Mitbringsel aus der Limmatstadt. Schläfle hat Johann Pollema auch kennen gelernt. Er bekam von ihm eine Banknote der «Züricher Bank». Das Souvenir hat Pollema ­erfunden und selber drucken lassen. Er hat eben an der Verwechslung mit Zürich Spass.  Deswegen hofft er auch weiterhin auf fehlgeleitete Post.


Übrigens: Der Name Zurich ist durch einen Zufall entstanden. Das Dorf lag früher am südlichen Ufer eines Meeresarms. «Südliches Ufer» heisst auf Friesisch «suder ich». Abgekürzt ergab das eben «Zurich».

Mehr Fotos von Zurich finden Sie im Buch «Greetings from Zurich» von Marcel Schläfle, mezza.ch

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