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Reportage

Was ist Dada? Wir haben auf der Bahnhofstrasse nachgefragt. Bild: PD

«Dada, ist das ein Reisebüro?»

Von: Clarissa Rohrbach

26. April 2016

Zürich lässt sich das 100-Jahr-Jubiläum der Kunstbewegung einiges kosten. Doch wissen die Leute überhaupt, was Dadaismus ist?

400 000 Franken hat die Stadt in den Verein «Dada 100 Zürich 2016» investiert. Resultat: fünf Ausstellungen und zahlreiche Events. Hat es sich gelohnt? Wir haben die Passanten gefragt. «Dada? Das klingt wie Zara. Ist das ein Kleiderladen?» Steffi (22)  schaut ratlos ihre Freundin an, die ihr prompt zu Hilfe eilt: «Nein, nein, das ist ein Restaurant.» Die beiden bummeln weiter die Bahnhofstrasse entlang – mit Einkaufstaschen und ohne eine Ahnung. Dies, obwohl sich die Zürcher Kulturszene gerade ein Bein ausreisst, um zum 100-Jahr-Jubiläum den Dadaismus bekannt zu machen.

Auch noch nie von Dada gehört hat Martin (31). Er arbeite in der Baubranche, interessiere sich nicht für Kunst. Ob das denn etwas Tibetanisches sei? Wir erzählen von den deutschen Künstlern, die nach Zürich flüchteten. Wie sie mit ihrer sinnentleerten Kunst die Rationalität der Gesellschaft kritisierten. «Aha, also Kunst ohne Sinn, richtig?» Martin will unbedingt seine Bildungslücke schliessen.

Ungefähres Wissen ist auf der Strasse am meisten vertreten. «Das ist doch diese Kunstbewegung», meinen Martina und Lea (32). Die werde 50 oder 100, jedenfalls ein rundes Jubiläum. Was die Dadaisten so machten? «Chaos!» Das wüssten sie vom Hörensagen, in der Schule sei das nie ein Thema gewesen. Claudia (65) hat in letzter Zeit häufig Fernsehberichte über Dada gesehen. «Aber dass es aus Zürich kommt, wusste ich nicht.» Etwas präziser ist Maria (54): «Dadaisten zeichnen wie Kinder, der Name Dada kommt auch aus der Kindersprache.» Das mag sein, niemand weiss es genau. Was wir wissen, ist, dass sie mit ihrer nächsten Vermutung falschliegt: Dada kommt nicht aus Schweden.

Um das Rätsel zu lösen, zitieren wir Marcel (24): «Dada ist eine Zürcher Kunstrichtung, die 1916 im Cabaret Voltaire entstanden ist, wo auch Lenin Stammgast war. Es ist eine verrückte Kunst, die den Unsinn des Krieges thematisiert.» Bravo, der Student bekommt die Bestnote.

Bei unserer Umfrage treffen wir auch auf leichte Abneigung. «Ich kenne den Dadaismus, das ist dieses absurde Zeugs», meint Christian (33). Auch Adrian (45) ist auf Dada nicht gut anzusprechen, das sei doch diese «crazy» Bewegung, bei der eine Handvoll Künstler in einer Bar blöde Performances aufgeführt hätten.

Marco (25) und David (20) ziehen die Bilanz wieder nach unten. «Keine Ahnung, ich muss es googeln», meint Ersterer. «Ich weiss nicht, vielleicht ein Reisebüro?», fragt Letzterer. Und dann sind da noch diejenigen, die einfach gerne ins Cabaret Voltaire gehen. «Es ist ein cooles Lokal!» Annely (25) und Jordan (29) verwechseln die Dadaisten mit den Surrealisten und nennen Salvador Dalí als Gründer. Leider falsch. Von Hugo Ball, der am 5. Februar vor hundert Jahren auf der Bühne stand und «hollaka hollala, blago bung» rezitierte, haben sie nie gehört. Auch Elena (20) geht gerne an der Spiegelgasse ein Bier trinken. Dada sei eine ­Musikrichtung, vom 100-Jahr-Jubiläum wisse sie nichts.

Fazit: Zwei Drittel haben schon von Dada gehört. Die wenigsten aber wissen, dass die Kunstbewegung aus Zürich kommt und gar Jubiläum feiert. «Für eine spontane Strassenumfrage schätzen wir das Ergebnis als ausgezeichnet ein», sagt Nat Bächtold, Sprecher vom Präsidialdepartement, welches für die Kultur zuständig ist. Das Jubiläum erfülle bereits jetzt die Erwartungen der Stadt ans ­Publikum. Man sei zuversichtlich, dass sich das Engagement Zürichs auszahle. Auch positiv sieht es Nora Hauswirth, Sprecherin vom Cabaret Voltaire: «Viele haben durch die Ausstellungen von Dada erfahren und sind zu uns gekommen, um die Geburtsstätte zu sehen.» Es sei aber nachvollziehbar, dass Leute ohne kulturellen Hintergrund trotz Anlässen und Medienberichterstattung nichts von Dada wüssten.

Die Dadaisten wären so oder so mit den Antworten zufrieden ­gewesen. Denn wie der Künstler Johannes Baader einst sagte: «Was Dada ist, weiss nur der Oberdada – und der sagt es niemandem.»

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