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Reportage

Die Instruktoren von Indiana SUP (oben Lukas Fischer) boten als erste Stand Up Paddling an. Heute boomt es. Bild: Nicolas Büchi

Das meditative Surfen

Von: Clarissa Rohrbach

12. Juli 2013

Stand Up Paddling boomt auf dem Zürichsee. Das «Tagblatt» wollte wissen, wie sich die Wassersportart anfühlt.

7 Uhr 30, Seebad Enge. Lukas Fischer wartet mit dem Paddel in der Hand. Die Surfbretter liegen aufgereiht auf dem Steg. Dahinter erstreckt sich der See, die Oberfläche spiegelglatt. Der morgendliche Dunst löst sich auf, die Sonne scheint noch schwach. Weit draussen bewegt sich bereits eine Silhouette auf dem Wasser, elegant, andächtig. Es sieht fast so aus, als würde sie auf dem See stehen, wäre da nicht das Board darunter. Stand Up Paddle Surfing (SUP), scheint eine einfache Sportart zu sein. Ob das stimmt?

«Das SUP boomt, gerade weil es so einfach ist. Jeder, der stehen kann, meistert es.» Der Instruktor gibt uns die grünen Lycra T-Shirts von Indiana, die Zürcher Skateboardmarke, welche als erste diesen Wassersport in der Stadt anbot. Danach erklärt er uns, wie das Paddel zu halten ist, wie wir Seite wechseln und auf dem Brett aufstehen können. Mehr braucht man für den Anfang nicht zu wissen. Zögernd knie ich auf das Longboard, welches vier Mal so viel Volumen hat als ein normales Surfbrett. Ohne Wellenantrieb braucht es mehr Oberfläche, sonst würde man versinken. Damit der Paddler nicht ausrutscht, ist das Board mit einer Gummischicht überzogen. «Platziert euch genau in die Mitte, da habt ihr das beste Gleichgewicht», meint unser Leiter. Und ich merke: genau das Gleichgewicht ist die grösste Herausforderung. Auf dem Wasser wackelt das Brett nach links und nach rechts, ich bin sofort gezwungen, Muskeln anzuspannen, von deren Existenz ich gar nichts wusste. Mir wird klar, wieso es hier nicht nur um Erholung in der Natur, sondern auch um effizientes Training geht. Denn die Körperspannung darf keine Sekunde nachlassen.

Nach der Boie, die den Schwimmerbereich abgrenzt, dürfen wir aufstehen. Und siehe da, es bietet sich eine ungewohnte, ja fast befreiende Perspektive. Weder beim Schwimmen noch beim Kanufahren ist der Ausblick so weitläufig. Das Licht reflektiert im See, Vögel fliegen vorbei und manchmal springt sogar ein Fisch aus dem Wasser. Alles in grösster Nähe, aber doch eingebettet in einem Paronamabild, das vom Uetliberg über den Zürichberg bis zur Goldküste reicht. «Das macht die Faszination aus, es ist eine sehr ruhige, meditative Brettsportart», sagt Fischer.

Er zeigt uns ein paar Grundlagen: Ein Rückwärtschlag, um anzuhalten, ein Rundschlag, um zu drehen, und das korrekte Paddeln, knapp am Board vorbei und mit dem ganzen Paddelblatt im Wasser. Danach übt jede für sich. Anfangs komme ich sehr langsam voran, doch allmählich werde ich sicherer. Fünf Schläge rechts, fünf Schläge links, und ich surfe schon ziemlich zügig über den See. «Mit ein bisschen Effort kannst du bis sieben Stundenkilometer erreichen.» Doch schon nach einer halbe Stunde zittern meine Beine. «Das habe ich beim ersten Mal auch so erlebt, ich bin sogar vor Erschöpfung ins Wasser gefallen», sagt der Experte. Beim zweiten Mal antizipiere der Körper aber schon die Reaktionen, er sei dann schon damit vertraut. Anfänger hätten aber trotzdem Muskelkater am nächsten Tag.

Auch Imelda neben mir, eine erfahrene Wellenreiterin, ist erstaunt. «Ich habe zwar schon das Brettgefühl, aber stehen ist schwieriger als ich dachte.» Sie sei vor allem von der Konzentration fasziniert, die das Paddeln erfordert. «Man ist gezwungen, zu fokussieren, denkt an nichts anderes, eine Seltenheit in der heutigen Zeit.» Und: Auf dem Wasser, ohne Handy, da kann einen wirklich niemand stören.

Plötzlich fährt ein Boot der Seepolizei an uns vorbei, es gibt Wellen. «Stellt das Brett rechtwinklig dazu, dann schüttelt es euch nicht so.» Doch die Wellen bringen trotzdem ein Moment lang Unruhe in die Truppe. Fischer erklärt, mit Wellen und Wind sei das SUP anspruchsvoller. Deswegen fährt man grundsätzlich immer gegen den Wind hinaus, um dann beim Zurückfahren davon gestossen zu werden. Privat paddelt der Sportler auch mal nach Küsnacht und zurück, 55 Minuten pro Weg. Sogar im Winter steht er auf dem Brett, dann mit Snowboardjacke. «Dann habe ich den See ganz für mich alleine, wunderbar.» Doch auch hier gibt es Regeln. Wer mehr als 300 Meter vom Ufer entfernt paddelt, muss eine Schwimmweste anziehen, und Vortritt haben immer die anderen.

Fischer unterrichtet seit drei Jahren auf dem Zürichsee. Damals hat Indiana SUP mit seinen handgemachten Brettern noch Pionierarbeit geleistet. Heute gibt es mehr als hundert Anbieter. Europa hat die Trendsportart erst seit kürzerem entdeckt, doch führt ihre Geschichte zurück bis in die 80er-Jahre, und zwar nach Hawaii. Dort bauten sich Surflehrer die grösseren Longboards, auf denen sie stehen konnten, um eine bessere Übersicht über die Schüler zu haben. Und noch früher benutzten Polynesier Kanus, auf denen sie stehen konnten, um vor Tahiti zu fischen.

Eine Stunde ist vorbei. Der Instruktor zeigt uns zum Abschluss noch ein paar Tricks. Er dreht sich mit einem 180 Grad Sprung auf dem Brett und macht nachher sogar den Kopfstand. Wir sind nach dem Workout ausgeglichen, aber auch müde. Denn beugt man sich nach vorne, um mit Kraft zu paddeln, arbeitet auch der Oberkörper. Teilnehmerin Corinna ist begeistert. «Ich surfe und snowboarde zwar nicht, aber ich wollte einen Sport für den Sommer finden. Das SUP ist ideal.» Sie macht sich auf zur Arbeit, während auf dem Floss des Seebads die Gäste bereits baden und kaffeetrinken. Der Tag fängt erst richtig an und wir hatten schon unsere Dosis Freiluft, im Wasser, stehend. 

Das Video zum Stand Up Paddling sehen Sie hier.

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