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Reportage

Vera und Rolf Waeger feiern den Tag der Nachbarn am 19. Mai bereits zum ­elften Mal zusammen mit den Bewohnern der insgesamt 35 Wohnungen in ihrem Wohnhaus in Schwamendingen. Bild: SIB

Der Anonymität in der Stadt entgegenwirken

Von: Sibylle Ambs

16. Mai 2017

NACHBARSCHAFTSTAG Mit den Nachbarn ist es so eine Sache. Man kann es gut oder schlecht treffen. Oder man trifft sie gar nie. Der «Tag der Nachbarn» am 19. Mai soll Abhilfe schaffen: Man sitzt zusammen, stösst an und lernt sich kennen.

Für Vera und Rolf Waeger aus Schwamendingen laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Das pensionierte Lehrerehepaar zählt zu den Organisatoren der ersten Stunde, die in Zürich den «Tag der Nachbarn» in ihrem Wohnblock auf die Beine stellen.

Der «European Neighbours Day» wurde 1999 in Paris gegründet. 2011 beteiligten sich bereits über 1200 Städte und mehr als 12 Millionen Menschen in 33 Ländern an den Feiern.

Die Waegers richten das Fest dieses Jahr zum elften Mal aus: «Wir wohnen seit unserer Hochzeit 1969 in diesem Haus. Damals waren wir 24 Jahre alt. Wir haben viele Bewohner kommen und gehen sehen», erzählt Rolf Waeger. «Bis 2006 haben wir uns einfach so getroffen, manchmal auf der Dachterrasse. Aber da kamen natürlich nie alle Bewohner zusammen.» Am Tag der Nachbarn, am 19. Mai, soll das anders werden. Für die Organisation investieren Rolf und Vera Waeger viel Herzblut: «Wir platzieren jeweils eine Vorankündigung im Lift. Seit letzter Woche hängt die Anmeldeliste im Treppenhaus. Dort trägt sich jeder ein und schreibt dazu, was er mitbringt.»

Jeder bringt, was er kann

Tische, Festbänke und der Wein kommen wie jedes Jahr vom Hausbesitzer. Die übrigen Bewohner bringen, was sie am besten zubereiten können: «Da wir ein Vielvölker-Haus sind, kommen kulinarische Spezialitäten aus aller Welt zusammen. Bis vor kurzem hatten wir einen Sushi-Koch im Haus, der immer eine Riesenplatte spendiert hatte.» Vera Waeger sorgt zudem für die Kaffeemaschine, für Luftballons und Servietten, und ihr Mann ist froh, hat er auch dieses Jahr eine Schlechtwetter-Alternative gefunden. «Der 19. Mai ist ziemlich früh im Jahr und in der Schweiz kein Garant für einen lauen Sommerabend. Deshalb müssen wir immer für eine Ausweichmöglichkeit drinnen sorgen. Dieses Jahr feiern wir im Ballettstudio im Parterre des Hauses, falls es regnet.» Falls nicht, wird auf dem Platz vor dem Hauseingang im Schatten der grossen Kaukasuszeder gefeiert, die ebenfalls seit 1969 dort steht.

Stadträte gaben sich die Ehre

Das diesjährige Motto «Begegnungen» gibt Menschen, die seit Jahren Tür an Tür wohnen und gelegentlich in der Waschküche oder im Treppenhaus aufeinandertreffen, die Gelegenheit, bei einer gemütlichen Zusammenkunft ihre Mitbewohner besser kennen zu lernen. Damit soll der wachsenden Anonymität und Entfremdung in grossen Städten entgegengewirkt werden. «Einmal mussten wir wegen des schlechten Wetters in die Waschküche ausweichen. Das Buffet haben wir zwischen Tumbler und Waschmaschine auf einem Brett aufgebaut, und die Stimmung war einfach super», erinnert sich Rolf Waeger. Damals sass übrigens auch Stadtrat Robert Neukomm mit am Tisch. Letztes Jahr beehrte Stadtrat Raphael Golta den Anlass. Zusammen mit Stadtpräsidentin Corine Mauch hält er das Patronat der Nachbarschaftsbewegung.

4 Fragen an: Stadtpräsidentin Corine Mauch

Was macht für Sie persönlich eine gute Nachbarschaft aus?

Corine Mauch: Ich schätze in meiner Nachbarschaft die gute Kombination aus gegenseitigem Interesse und Unterstützung auf der einen Seite und Toleranz auf der anderen Seite. Konkret kommt mir unsere gemeinsame Hausputz-Aktion von letzter Woche in den Sinn: Wenn alle zusammen anpacken, geht es einfacher und schneller als alleine – und macht mehr Spass!

Wie haben sich die Zürcher Nach- barschaftsbeziehungen in den letzten Jahrzehnten verändert?

Wird die ganze Stadt betrachtet, ist die Wahrnehmung der Nachbarschaftsbeziehungen ziemlich konstant. Unsere Befragungen ergeben jeweils, dass rund vier Fünftel der Zürcherinnen und Zürcher keine Nachbarschaftsprobleme haben.

Gibt es spezielle Brennpunkte in der Stadt Zürich?

Die 24-Stunden-Gesellschaft und ihre Auswirkungen sind zum Beispiel im Langstrassenquartier ein aktuelles Thema. Die Stadt hat dazu eigens einen Strategie-Schwerpunkt lanciert. Es gibt in der Stadt Zürich aber keine Quartiere, in denen sich negative Einflüsse übermässig häufen und summieren. Die Lebensqualität ist in allen Quartieren sehr hoch.

Sollte es mehr Aktionen wie den Tag der Nachbarschaft geben?

Gute Nachbarschaft kann nicht von der Stadtverwaltung verordnet werden. Es braucht ein kontinuierliches Engagement der Zürcherinnen und Zürcher mit und ohne Schweizer Pass für ihre Nachbarschaft. Vonseiten der Stadt können wir wo nötig Unterstützung bieten. Das Sozialdepartement macht das erfolgreich und überprüft auch laufend, welche weiteren Massnahmen und Aktionen sinnvoll sind.

Weitere Informationen: www.nachbarschaftshilfe.ch

 

 

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